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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Pazaurek, Gustav E.: Metallreflexe in der Keramik und Glasindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0028

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lo Gustav Pazaurek •• Metallreflexe in der Keramik und Glasindustrie.

liehe tief-carminrote Lüster von Gubbio,
einer kleineren Majolicafabrik im Herzog-
tum Urbino. Die älteste erhaltene Gubbio-
Lüstermajolica mit der Datierung i5oi
steht heute im South-Kensington-Museum
zu London. Kaum waren die Experimente
Giorgia Andreolis gelungen, verbreitete
sich auch schon der Ruhm von Gubbio
über ganz Italien, zumal die Palette des
Majolicamalers nicht einmal eine gewöhn-
liche, brauchbare rote Farbe besass, und
die Fabrik hatte vollauf zu thun, um die
Zahl der Aufträge zu bewältigen, obgleich
die Brände nur in geringem Prozentsatz
gelangen. Desungeachtet schickten die
berühmtesten Manufakturen von Urbino,
Casteldurante, Faenza etc. ihre Erzeug-
nisse nicht selten nach Gubbio, wo die-
selben stellenweise mit dem prächtigen
Carminlüster überdecoriert wurden.

In der Glasindustrie kennt das ganze
Mittelalter und die Renaissance keine ähn-
lichen Bestrebungen, und die grundver-
schiedene Aventurindecoration der alten
Venetianer, die sich allmälig auch nach
Norden im bescheidenen Masse verbreitete,
ist die einzige Art und Weise, die ähn-
liche Wirkungen — natürlich nicht in der
Oberflächenbehandlung, sondern in der
Masse — anstrebte.

Wir müssen Jahrhunderte über-
springen, ehe wir die Lüsterwirkungen in
der Keramik wiederfinden; in unserer
Glasindustrie, deren grösste Blütezeit im

18. Jahrhunderte auf der künstlerischen
Vervollkommnung des Glasschnittes be-
ruhte, ist natürlich von so entgegengesetzten
Bestrebungen noch viel länger nichts zu
merken. Bei Empire-Porcellanen — in
erster Reihe der Wiener Manufaktur —
finden wir einen seit dem Anfange des

19. Jahrhunderts beliebten Kupferlüster,
der vorläufig discret und mit Reliefgold-
decoration und Königsblau alternierend
auftritt, aber bald weiter um sich greift,
und namentlich während der Biedermeier-
zeit in einzelnen kleineren Porcellan- und
Steingutfabriken zu einem über Gebühr
hervorgekehrten Effektmittel gesteigert
wird; findet man doch ganze Service und

Vasen, deren einziger Schmuck der inten-
sive Ueberzug der ganzen Oberfläche mit
Kupferlüster bildet. Bei einem Teile spielt
der Kupferglanz in die violette Farbe
hinüber, bei einer anderen Gruppe wird
jedoch lediglich das Aussehen von blank
geputzten Metallgefässen angestrebt, also
eine jener vielen offenbaren Material-
widrigkeiten, an denen die vormärzliche
Zeit nichts weniger als arm ist.

Erst viele Decennien später wurden
die Lüsterwirkungen in der Steinzeug-
und Fai'enceindustrie wieder mit künstle-
rischem Geschmack verwendet, indem sie
den keramischen Charakter des Gegen-
standes nicht verleugneten und dennoch
einen prächtigen Farbenglanz mit ab-
wechselungsreichem Schiller in den ver-
schiedensten Muster boten. Obenan steht
der Franzose Clement Massier in Golfe
Juan, der seit mehr als 10 Jahren die ge-
lungensten Objekte dieser Art erzeugt,
ferner der kürzlich verstorbene Ungar
W. Zsolnay in Fünfkirchen, dessen Eosin-
Lüster der alten Gubbiotechnik nachstrebt.
Hervorragende Vertreter dieser Richtung
sind auch die Fabrik von Luneville,
welche mit dem Regenbogenlüster des
Massier wetteifert, sowie Köhler in Nestved
(Dänemark), der sich wieder mehr auf den
roten Kupferlüster verlegt, jedoch in
weiser Beschränkung keinen gleichförmigen
Metallüberzug anstrebt, um kein Verbrechen
gegen das Gesetz der Material-Aufrichtig-
keit zu begehen. In der Keramik, nament-
lich in jenen Gruppen, deren Scherben nicht
weiss sind, kann man von Lüsterwirk-
ungen einen ausgiebigen Gebrauch machen,
wenn nur die Hauptbedingung erfüllt
bleibt, dass man kein Metallgefäss wieder-
zugeben trachtet.

Ebenfalls ungefährlich wäre die An-
wendung des Lüsters auf andern Gebieten,
die von vornherein die Möglichkeit einer
Verwechslung mit Metallobjekten aus-
schliessen; doch sind hier kaum die ersten
Anfänge zu konstatieren. Vor einigen
Jahren wurden z. B. Versuche mit einem
sogenannten «Regenbogenpapier» gemacht,
das jedoch wieder von der Bildfläche ver-
 
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