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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Pazaurek, Gustav E.: Metallreflexe in der Keramik und Glasindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0032

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Gustav Pazaurek: Metallrejlexe in der Keramik und Glasindustrie.

auch überall Schule gemacht haben, nicht
eher auf das Schuldconto zu setzen sind,
das ist eine andere Frage.

Tiffanys Pariser Vertreter, S. Bing,
setzte sich für diese Gläser warm ein,
andere Städte von Oesterreich und Deutsch-
land folgten bald. Trotz der ungemein
hohen Preise fanden die eigenartigen Er-
zeugnisse viele Liebhaber und Käufer,
z. B. als Olympiaglas nach altklassischen
Vorbildern, Papillonglas nach dem
Glänze einiger Schmetterlingsflügel —
auch Babylonglas (nach asiatischen Aus-
grabungen des Altertums) genannt, —
Arkadiaglas, Phänomenglas u. s. w. Vom
leichten Muschelfarbenschimmer und dem
Irisglanz antiker Ausgrabungen angefangen,
gibt es da die ganze Stufenleiter von
Metallreflexwirkungen bis zur höchsten
Steigerung, vergleichbar einer im Feuer
angelaufenen Stahlklinge, einem im Sonnen-
schein glitzernden Rosenblattkäfer oder
einer Auswahl der leuchtendsten Kolibri-
federn1. Um die Wirkung durch Contraste
womöglich noch zu steigern, werden der-
artige Gläser, die jetzt als ganz besonders
modern und begehrenswert gelten, auch
noch häufig in Metall montiert, entweder
in getriebener, phantastischer Goldschmiede-
arbeit, z. B. von H. Schaper in Berlin
oder mit galvanisch niedergeschlagenen
Silberverzierungen, z. B. von Adolf Zasche
in Gablonz.

Dass der herrliche Glanz der Tiffany-
gläser und ihrer östreichischen Nachfolger
das grosse Publikum im ersten Moment
geradezu verblüffte, wird man begreiflich
finden. Aber je mehr diese Richtung über-
hand nimmt, um so dringlicher wird die
Frage, ob die Lüsterwirkungen dem Glas-
charakter vollständig entsprechen, und ob
wir es nicht vielmehr im Grunde ge-
nommen mit einer Materialwidrigkeit zu

1 Um die Künstler in dieser Beziehung noch
weiter anzuregen, war bekanntlich vor drei
Jahren im Kunstsalon von Keller und Reiner in
Berlin eine Sammlung von indischen und ameri-
kanischen Prachtschmetterlingen ausgestellt, ein
Gedanke, der sich fruchtbringend noch viel weiter
ausgestalten Hesse.

thun haben, die Effekte eines ganz anderen
Gebietes, nämlich des Bereiches der Me-
talle, unrechtmässig herübernimmt. Ganz
zweifellos geht ja doch einer der herr-
lichsten Vorzüge des Glases, nämlich seine
absolute Transparenz vollständig verloren,
da alle Lüstergläser im durchfallenden
Lichte ganz unansehnlich gelbbräunlich
oder auch bläulich aussehen. Allen Ge-
brauchsgläsern ist somit diese Technik
von vornherein verwehrt, und selbst bei
ausgesprochenen Ziergläsern möge ein
bescheidenerer Gebrauch von derselben
gemacht werden. Ludwig Lobmeyer in
Wien, der für die Traditionen und Be-
dürfnisse der östreichischen und der damit
völlig übereinstimmenden deutschen Glas-
dekoration seit Jahrzehnten das feinste
Verständnis an den Tag gelegt, geht auch
bezeichnender Weise keineswegs mit dieser
Richtung durch dick und dünn, sondern
verharrt auf jenen guten alten Prinzipien,
welche unserer Glasmacherkunst die Welt
erobert, nämlich auf dem Glasschnitt und
der Glasmalerei, denen auch die Kuglerei
und Atzerei ausgegliedert werden können.

Wenn eine Dekorationsweise nicht
ganz materiell gerecht ist, hat sie nur
eine kurze Lebensdauer, und möge sie
auch in dieser kurzen Zeit noch so viele
Anhänger finden. Das lehrt uns auch ein
anderes Beispiel aus der Geschichte der
Glasindustrie, auf welches hinzuweisen
hier nicht ohne Interesse sein dürfte. Als
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundertes
das neuerfundene Porzellan so gewaltiges
Aufsehen erregte, trachteten einige Glas-
hütten von dieser Zeitströmung Nutzen
zu ziehen und stellten Surrogate aus Stein-
glas her, welche das Porzellan, ohne
dessen Eigenschaften zu besitzen, ersetzen
sollten. Aber bald sah man ein, dass diese
Imitationen von Porzellan mit dem echten
Porzellan nicht concurrieren können, und
die Porzellansurrogate blieben eine im
Ganzen doch unbedeutende Episode in der
Geschichte der Glasindustrie.

Auch aus einem anderen kunstgewerb-
lichen Gebiete möge eine Parallele hier
Platz finden. Die weisslackierten Möbel
 
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