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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Paulsen, Emil: Kunstgewerbliche Meisterkurse
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3n

Emil Paulsen ■• Kunstgewerbliche Meisterkurse.

Handwerk die Bahn zur Vollendung-
gewiesen und veredelnd und fördernd auf
dasselbe eingewirkt haben sollen, sehn-
süchtigst auf offizielle Lehraufträge warten,
die bis jetzt von keiner Seite erfolgen
wollten, weil das übergrosse Selbstbe-
wusstsein dieser « Bahnbrecher » ein ge-
deihliches Zusammenwirken oder gar ein
familiäres Zusammengehen kaum möglich
machen würde.

Das Nürnberger Programm ist psycho-
logisch sehr interessant, weil es von Er-
wägungen ausgeht, die der eben erwähnten
Sachlage vorsichtig Rechnung tragen; -es
schildert freilich zunächst die Nachteile des
« starren » Festhaltens am Alten, auch vom
wirtschaftlichen Standpunkte aus und meint
etwas sehr optimistisch:

« Schon kann man sehen, wie die kauf-
kräftigen Kreise, um auf der Höhe der
gesellschaftlichen Ansprüche zu bleiben,
dem Zuge der Zeit folgend, ihre Blicke
dahin wenden, wo der Lockruf der neuen
Kunst sich hören lässt, und wie der ein-
heimische, in der Schule stilgerechter Nach-
ahmung von Werken der Gotik, der Re-
naissance, des Barock und Rokoko auf-
gezogene Kunsthandwerker der Beachtung
mehr und mehr entrückt wird. »

Dem Kunsthandwerk soll nun durch
den unmittelbaren Einfluss hervorragender
Künstler neue Jugendkraft zugeführt wer-
den; es soll, wie das erwähnte Programm
sich etwas unvorsichtig ausdrückt, « los-
gerissen werden von der Heuchelei histo-
rischer Stilechtheit ».

Und wie stellt man sich in Nürnberg
dieses Losreissen vor? Sollen etwa in
modernem Geiste wirkende Kräfte dauernd
dorthin berufen werden? Beileibe nicht!
Hören und staunen wir:

«Wir wollen ja gar nicht, dass irgend
eine ganz bestimmte, augenblicklich eines
grossen Rufes sich erfreuende künstlerische
Grösse sich in der Provinzstadt festsetze
und dort kleben bleibe, bis das Rad der
Zeit über sie hinweggeht; wir wollen nicht(
dass die Geschmacksrichtung, die künst-
lerische Ausdrucksweise, die « Manier»
Einzelner jahrzehntelang ihren Einfluss

geltend machen soll; wir wollen keine Sta-
bilität, die nirgends so leicht wie im Kunst-
leben zur Stagnation führt; nein, wir
wollen und brauchen eine Einrichtung, die
dem steten Wechsel der Dinge Rechnung
trägt, wir müssen darauf bedacht sein, dass
die künstlerischen Kräfte, von denen wir
eine Auffrischung unseres Kunstgewerbes
erwarten, den jeweiligen Zeitansprüchen
genügen, wir wollen uns nicht dauernd
binden, sondern stets freie Hand behalten
in der Wahl der Kräfte, die unserem Zwecke
jeweils geeignet erscheinen und die wir uns
holen, von woher es uns passend und mög-
lich erscheint, kurz, einen ewigen Jung-
brunnen der Kunst wollen wir haben,
der stets neues Leben weckt und
neuen Zeiten neue Kraft verleiht.»

Wir wollen das in nüchternes Deutsch
übertragen; wird eine der vielumwor-
benen «künstlerischen Grössen» in eine
Provinzstadt für längere Zeit verschlagen,
so wird sie — und wenn es selbst Nürnberg
wäre, denn Nürnbergs historische und
«stilechte» Kunstschätze haben ihr ja
nichts zu sagen — natürlich dort elend
versauern und vertrocknen. Aber es ist
auch gefährlich, wenn sie am Orte wirklich

Aus der Keramischen Ableitung tlei
Strassburger KunstgcwerbL-schulc. *
 
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