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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0257

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23o

L Schott: Die Mode und das Gesetz.

Muster auf gestreiftem Organdin der Firma Gros-Roman in Wesserling
(Aus dem «Musee de Dessin Industrie!» in Mülhausen)

biete des Zeugdruckes! — in all' dem
reichen Wechsel etwas Bleibendes bedeuten
kann. Die Mode als solche aber wird
im Wesentlichen ungefähr denselben
Gang nehmen, wie im vorigen Jahr-
hundert; beide Jahrhunderte arbeiten ja
auf den gleichen Zweck. Nur das jetzige
mehr in der Breite, weil es produktiver,
intelligenter, reicher an Erfindungen ge-
worden ist. Das vorige unterschied sich
aber von dem unserigen darin, dass es
der Gegenwart keinen sicheren Halt bot,
dass alles in dieser Vorbereitung, Er-
wartung, Unentschiedenheit war

In unserem energiebegabteren Jahr-
hundert wird die Mode gewiss durch die
Verschrobenheiten des Lebens noch oft
genug bethört und irregeführt werden, weil

auch gerade die Gleichstell-
ung der Stände die Lust
am Bizarren reizt. Da mö-
gen sich dann jene Puris-
ten, die mit Gewalt eine
ihnen unverständliche Ten-
denzzurückdrängenwollen,
mit dem besänftigen, was
der alte Aleman in seinem
Guzman d'Alfarache sagt:
«Aus dem Schlechten
zieht man, wie aus Vipern
und Scorpionen, heilsame
Gifte und wirft sie dann
auf die Seite.» Gewiss
liegt in unserem gesam-
ten kunstgewerblichenTrei-
ben, Schaffen und Ringen,
wie in jeder Schlacht eine
Entscheidung. Es geht
aber keine Kraft dabei
verloren; denn jede ein-
zelne ist ein Bestandteil
der Zukunft. «Wer überall
bald mit im sich klaren
ist, hat wohl über nicht
viel klar zu werden»
schreibt Arnim so richtig.
Wie aber das Ziel der
Wissenschaft die Wahr-
heit ist; so ist das Ziel der
Kunst die Schönheit, und
zwar die Schönheit, die einzig und allein
in der Ausgestaltung der Gesetzlichen
und Notwendigen ruht. Der Stil aber
ist die naturgemässe Gesetzlichkeit der
Form und die Mode wird immer an
diesen Stilgesetzen feste Schranken fin-
den, ohne dass diese die Phantasie der
erfindenden Künstler in der freien Be-
wegung hemmen würden.

Das Feldgeschrei: .Befreiung von der
Mode" hat deshalb wenig praktischen
Sinn. Wir dürfen noch so offiziell und
kategorisch der Mode den Krieg er-
klären — auch dann, wenn wir dem
eigenen Gutdünken und der eigenen
Erfindung folgen, bleiben entweder wir
Kinder unserer Zeit oder aber - wir
altertümeln !
 
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