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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Aus dem Strassburger Denkmalarchiv
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0269

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242

Ans dem Strassbnrger Denkmalarchiv.

Neben dem rein wissenschaftlichen
fand aber auch das baukünstlerische, ja
sogar das malerische und das lokalge-
schichtliche Moment — in gewissen, fein
gezogenen Grenzen — seine Beachtung
in der Ausstellung. Der Saal der Hand-
zeichnungen und Aquarelle bot z. B. auch
dem Laien, der sich etwa für die herr-
lichen Burgruinen im Elsass interessierte,
wertvolle Belehrung, und selbst der Freund
der Topographie des Landes konnte
manches anregende Neue entdecken.

Nun wurde am 19. Juni 1902 die
zweite Ausstellung von Aufnahmen el-
sässischer Baudenkmäler im Schlosse er-
öffnet. Sie ist vor allem dadurch inte-
ressant, dass uns die Kopien der auf
das Elsass bezüglichen Zeichnungen und
Aufnahmen aus dem Archive de la Com-
mission des monuments historiques zu
Paris hier vereint vorgeführt werden.
Für die Geschichte der elsässischen Glas-
malerei ist die farbige Darstellung eines
Fensters aus der bekannten Sebastians-
kapelle zu Neuweiler besonders interes-
sant; es befindet sich im Original in Paris,
während Neuweiler nur eine minderwertige
Kopie besitzt. Dem ehemaligen Konser-
vator Professor Dr. F. X. Kraus ist in
einem der Säle eine pietätvolle Ehrung
erwiesen, die um so wohlthuender be-
rührt, als doch das Wirken dieses
seltenen Mannes die Grundlage zu Dem
überhaupt schuf, was uns heute das
systematisch angelegte und zielbewusst
ausgebaute Denkmalarchiv bietet. Das
Bild des Verstorbenen, mit Kranz und
Flor geschmückt, erinnert uns daran, dass
Kraus der Stätte seiner früheren Wirk-
samkeit in seinem letzten Willen noch
einen rührend-schönen Abschiedsgruss
gewidmet hat. Die Manuskripte und
Originalzeichnungen für das Werk «Kunst
und Altertum in Elsass-Lothringen » sind
nach testamentarischer Bestimmung in den
Besitz des Denkmalarchivs übergegangen,
nachdem sich Kraus noch persönlich über
den Besitzstand und die Einrichtungen
dieser Sammlung unterrichtet hatte. In
dem Saal sind über 150 Blatt Original-
zeichnungen für sein erwähntes Werk
und etwa dreissig Bände mit handschrift-
lichen Aufzeichnungen, Urkunden, Karten
und dergleichen ausgestellt, die uns mit
Ehrfurcht vor dem Schaffen des Altmeisters
der christlichen Archäologie erfüllen.

Ein anderer Saal enthält Zeichnungen
und Aufnahmen der wichtigsten Denk-
mäler aus dem Kreise Gebweiler. Hier
erhalten wir einen weiteren Einblick in

die Arbeitsweise des derzeitigen Konser-
vators der historischen Denkmäler. Es
handelt sich nicht allein darum, die älteren
Aufnahmen an das .Licht zu ziehen, son-
dern auch neue Aufnahmen herstellen zu
lassen. Dass Aufnahmen, die mit der
peinlichen Sorgfalt der uns vorgeführten
hergestellt sind, einen grossen Zeitaufwand
erfordern, wird auch dem Laien ein-
leuchten. Die notwendig werdende ge-
naue Höhenaufnahme, die Berüstung der
Aussenfacaden und der Innenräume, all'
das erfordert Zeit und Mittel und — eine
nie erlahmende Begeisterung für die Sache!
Die interessante St. Gangolfskirche in
Lautenbach, westlich von Gebweiler,
deren romanische Säulen und Pfeiler
heute infolge geschmackloser Stuckver-
kleidung nicht mehr kenntlich sind, ist
mit sehr instruktiven Aufnahmen ver-
treten; ebenso die Dominikanerkirche in
Gebweiler, ebenso die St. Arbogastkirche
und die Franziskanerkirche in Rufach;
bei letzterer ist es namentlich die hübsche
äussere Kanzel an der Nordseite, welche
dem Bau ein originelles Gepräge gibt.

Ein weiterer Saal endlich vereinigt
eine ausgewählte Sammlung von Zeich-
nungen aus dem Nachlasse des Strass-
burger Architekten Charles Perrin (1811
bis 1868), desselben akademisch gebil-
deten Zeichners, der die meisterhaften
Aufnahmen der Peter- und Paulskirche zu
Rosheim fertigte. Die zahlreichen Ar-
beiten Perrins, die uns neu in diesem
Raum vorgeführt werden, haben aller-
dings keinen Bezug auf Elsass-Lothringen ;
es sind Zeichnungen aus Rom, Florenz,
Neapel, Ravenna, Palermo u. s. w. Aber
es sind hochbedeutsame Werke eines
Strassburger Architekten, vielleicht mit
die besten Kunstleistungen aus der Glanz-
periode der Ecoie des beaux-arts, die sich
ebenbürtig den Zeichnungen eines Viollet
le Duc, Bceswillwald u. a. an die Seite
stellen können. Es wäre freudigst zu be-
grüssen, wenn sich die Landesverwaltung
zur Erwerbung dieser für die künstlerische
Bedeutung Strassburgs so bezeichnenden
Blätter entschliessen würde. Aus ihnen
ersehen wir die gewaltige Kunstfertigkeit
und das tiefe Verständnis eines Mannes,
der aus Bescheidenheit es verschmähte,
seine schlichte Stellung am Lyceum in
Strassburg mit einer ihm würdigeren in
Paris zu vertauschen, der aber eben in
dieser Stellung einen für seine Zeit vor-
züglichen Kunstunterricht erteilte. Seine
Blätter sind Denkmäler, auf die Strass-
burg stolz sein kann! L.
 
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