Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
23

beschäftigten, und habe hier auch von der umbrischen Schule
gesprochen, welche namentlich im Herzogthum Urbino ihren Sitz hatte.
Hier waren es vorzugsweise die kunst- und prachtliebenden Fürsten
Federigo di Monte Feltro (1444), dessen Sohn Guidobaldo, dessen
Adoptiv- und Schwcstersohn Francesco Maria della Rovere und
ganz besonders dessen Sohn Guidobaldo II., welche sich um die
Hebung dieses Kunstindustriezweiges hervorragende Verdienste er-
warben , indem sie den geschickten Töpfern und Malern besondere
Privilegien verliehen, dadurch die tüchtigsten Leute herbeizogen und
durch die kunstvollen Leistungen bei der allseitigen starken Nach-
frage ihrem kleinen Staate sehr bedeutende pecuniäre Vortheile ver-
schafften. Wir finden hier die Fabriken zu Faenza, Gubbio,
Deruta, Urbino, Castcl durante, Pesaro schon im 15.
Jahrhundert in großer künstlerischer Thätigkeit; freilich arbeiteten
sie meistens nur Geschirre in flacher Form, Platten, Schüsseln,
Teller, Schalen, Vasen und hielten im Gegensätze zur toskanischen
Schule, welche mehr plastisch bildete, an der Flächendecoration
bei ihrer Mezza Maolica-SBaare fest; erst in der Blüthezeit des U>.
Jahrhunderts, als sie das Zinnemail entdeckt hatte, fügte die um-
brische Schule ihrem Farbenschmucke auch noch den Reiz der pla-
stischen Fülle hinzu, während die toskanische auch die Flächendeco-
ration mit Arabesken adoptirte. So finden wir in den umbrischen
Fabriken um diese Zeit auch Prachtvasen, Vasen in Flaschenform,
im Innern mit mehreren Abtheilungen, Gruppen von Menschen und
Thieren zu Springbrunnen in Gärten vder zu Tafelaufsätzen, reich
verzierte Schreibzeuge, einzelne Früchte, Vögel und andere Thiere
in natürlicher Farbengebung.

Den hervorragendsten Antheil an diesem mächtigen Aufschwünge
der Majolika-Fabrikation nahm Herzog Guidobaldo II., welcher den
einzelnen Fabriken wahrhaft fürstliche Aufträge zukommen ließ,
theils um seine eigenen Schlösser damit auszuschmücken, theils aus-
wärtigen Fürsten Geschenke zu machen. Zu gleicher Zeit sam-
melte er Zeichnungen von Rafael, Giulio Roinano, Tizian, um
nach diesen Gemälde ans Majolika-Geschirren ausführen zu lassen,
außerdem berief er noch berühmte Künstler nach Urbino und ließ
neue Zeichnungen entwerfen, welche von ihnen und andern geeig-
neten Kräften für die Fabriken ansgeführt wurden. Kein Wunder,
daß diese kunstreichen Gefäße mit ihrer herrlichen Erfindung, reinen
Zeichnung, harmonischen Färbung, eleganten Form und prachtvollem
Brande und Schmelze nicht allein an fürstlichen Höfen, sondern auch
in den Wohnungen der Vornehmen, ja sogar reicher Bürger Ein-
gang fanden, um auf den Prunktischen zu glänzen und von dem
guten Geschmacke der Besitzer Zeugniß zu geben.

Einzelne Teller und Schalen dienten freilich auch zu galanten
Geschenken für Damen, wie manche Inschriften beweisen, andere
dagegen, namentlich Schalen mit Bildnissen und solche, deren Mittel-
feld ein Amor schmückt, waren dazu bestimmt, niit Confect und
Zuckerwerk belegt den Damen auf Bällen zugesandt zu werden.
Ebenso wissen wir, daß die kleinen Terrinen, welche man in Samm-
lungen häufig noch antrifft, einer italienischen Sitte gemäß mit
stärkenden Suppen gefüllt an Wöchnerinnen als Geschenke übersandt
wurden, wie die bezüglichen Malereien auf denselben darthun.

Ich habe oben bemerkt, daß die Blüthezeit der Majolikakunst-
Jndustrie zwischen 1530 und 1569 fällt, und damit zugleich den
natürlichen Verlauf des Herabsinkens und allmäligen Verfalles an-
gedeutet.

Der Grund hiefür lag jedoch weniger in der Fabrikation und
der Bemalung der Waare durch tüchtige künstlerische Kräfte, als zu-
nächst in den veränderten Zeitanschauungen, dann aber auch in dem
Umstande, daß die Prachtliebe Guidobaldo's II., welcher diesem
Kunstindustriezweige einen so erhabenen Aufschwung gegeben hatte,
ihm auch den Todesstoß gab.

Als Prunkgefäße waren die Majoliken der Mode unterworfen,
und da um diese Zeit dieselbe eine andere Richtung einschlng und be-
sonders kostbare Metallgefäße und orientalische Basen (alt China-Por-
cellan) in Aufnahme kamen, so fing man an, die italienische Waare

hintanzusetzen und geringzuschätzen. Der Rückschlag auf die umbri-
schen Fabriken war um so empfindlicher, als diese sehr zahlreich
waren und größtentheils nur Luxuswaaren verfertigt hatten und
zudem Guidobaldo II. in seinem Hange zu glänzen sich und das
Land in eine drückende Schuldenlast gestürzt hatte, so daß er gegen
das Ende seines Lebens sich genöthigt sah, allenthalben Einschränk-
ungen eintreten zu lassen. Zu noch größerer Sparsamkeit fand sich
sein Sohn und Nachfolger Francesco Maria II. schon bei seinem
Regierungsantritte 1574 veranlaßt, weshalb nicht nur die im Anfänge
des 16. Jahrhunderts entstandenen Fabriken zu Forli, Bologna,
Ravenna, Ferrara in ihrer Thätigkeit gehemmt wurden, sondern
selbst in den alten berühmten Werkstätten die Verfertigung der
Prunkgeschirre, welche Kunstwerth und Schönheit repräsentirten, be-
schränkt und das Hauptgewicht darauf gelegt wurde, mehr für den Handel
und den häuslichen Gebrauch zu Produciren. In Folge dessen verließen
die durch Guidobaldo II. gerufenen Künstler Urbino wieder, wo sie
keine Beschäftigung mehr fanden, da man für den Handel häufig
nach Atlgsburger und niederländischen Kupferstichen malte, und auch
Majolika-Arbciter wanderten aus, gründeten da und dort neue
Oefcu und schufen eine lästige Concurrenz. Nichtsdestoweniger fuhr
man in Urbino und den andern Fabriken mit der Arbeit fort
und glaubte durch Herabsetzen der Preise für die Fabrikate der
Concurrenz die Stirne bieten zu können, verrechnete sich aber da-
durch , daß man es an der Güte der Production fehlen ließ, na-
mentlich die Malereien schlechter machte.

Mit dem letzten Sprossen aus. dem Hause Rovere sank auch
die Majolikakunst und als Herzog Francesco Maria II. 1632 im
zweiundachtzigsten Lebensjahre ohne männliche Erben starb, ver-
machte er seinen Staat der Kirche. Tie kostbare Sammlung von
Gefäßen, welche noch von seinem Vater herrührte, hatte er schon
früher dem hl. Hause zu Loretto geschenkt, wo sie noch jetzt als ein
kostbarer Schatz bewahrt wird. Sie besteht aus 380 Geschirren,
welche nach Entwürfen Rafacl's, Michel Angelo's, Giulio Romano's
von Orazio Fontana it. A. bemalt wurden und ivahre Prachtwerke
find. Was sich sonst noch von Majoliken in seinen Palästen vor-
fand, wurde in alle Welt zerstreut.

Bevor ich nun auf die hervorragendsten Kräfte in den einzelnen
italienischen Fabriken übergehe, welche den künstlerischen Schmuck
dieser Prunkgeschirre herstellten, darf ich eines Umstandes nicht ver-
gessen, welcher geeignet ist, wenigstens bei Nichtkennern Unklarheit
hervorzurufen. Wie bei jedem Kunsterzeugnisse, erscheint es auch
hier wichtig, den Ursprung des Fabrikates zu kennen.

Wir haben nun in Italien eine Masse von Majolikafabriken,
welche theils in Folge der bedeutenden Anfrage nach dieser Luxus-
waare im 16. Jahrhundert entstanden, theils durch die Einschränk-
ungen in dem Gebiete von Urbino unter Guidobaldo II. und seinem
Nachfolger auch in andern Ländern erblühten. Wir kennen so
ziemlich auch die verschiedenen Fabrikate der einzelnen Fabriken
und die Meister der Bemalung bald durch ihre Monogramme, bald
durch ihre Marken, oder Namenszüge, oder selbst durch die Art
und Weise der Arbeit, der Glasur, des Brandes u. s. w.

Und doch stoßen wir auf eine ungeheure Anzahl von Pro-
ducten, bei welchen wir weder das Land, noch die Fabrik, noch
den Künstler sicher und gewiß bezeichnen können, obwohl wir den
ganz gleichen Darstellungen, denselben Marken, derselben Art und
Weise der Mache begegnen, die wir an andern Fabriken kennen
j gelernt haben.

Es rührt dieses einfach daher, daß die Arbeiter und Künstler
häufig ihre Stellungen in den Fabriken wechselten, sich da und dort
der gleichen Cartons, derselben Marken bedienten und daß sie an
ihren neuen Wohnsitzen ganz nach jener Methode arbeiteten, welche
sie an einem früheren Orte erlernt hatten.

Die hervorragendste Größe unter den Majolikamalern ist Gi-
orgio di Pietro Andrcoli, welcher zu Pnvia geboren, schon
sehr jung mit seinen Brüdern Salimbene und Giovanni nach Gubbio
ging und dort bereits im Jahre 1498 das Bürgerrecht erwarb.
 
Annotationen