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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1908

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Heft 1
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Dvořák, Max: Restaurierungsfragen, I: die Prager Königsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26206#0007
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ALLGEMEINES

Restaurierungsfragen

I. Die Prager Königsburg

Der Tag, an dem die Badener Kammer vor
zwei Jahren mit allen Stimmen gegen sechs die Be-
willigung der Kredite für die Restaurierung des alten
Otto Heinrich-Baues in Heidelberg abgelehnt hat,
womit entschieden wurde, daß alle die schönen Pro-
jekte, die für den „Wiederaufbau“ des ehrwürdigen
Denkmales ersonnen wurden, in den Papierkorb
wandern werden, war ein dies festus für alle Freunde
alter Kunst, nicht nur des Heidelberger Schlosses
wegen.

Die Rede, mit welcher König Friedrich Wil-
helm IV. die Beendigung des Ausbaues des Kölner
Domes feierte und welche mit soviel Jubel angehört
wurde, bedeutete den Sieg einer Strömung in unserer
Denkmalpflege, der gegenüber die Vandalismen der
Religionskriege des XVI. und XVII. Jhs. oder die
Zerstörungswut der französischen Revolution als ein
relatives Wohlwollen bezeichnet werden können.

Selbst abgesehen von Kriegen und Revolutionen,
ist es ja auch früher oft den Kunstdenkmälern der
vorangehenden Perioden nicht gerade gut ergangen.
Ließen nicht die Nachkommen einer urbinatischen
Condottierifamilie und eines florentinischen Bankiers
das ehrwürdigste Denkmal der christlichen Kunst,
die alte Peterskirche, niederreißen, aus „Ruhmes-
trieb“, wie uns die literarischen Übermenschen im
Lodengewand heute predigen, aus traditionslosem Par-
venuertum, wie alle anderen Zeiten gesagt hätten?
Ist nicht aus den Bronzebalken der Vorhalle des
Pantheons Berninis Ziborium gegossen worden, ein
Ereignis, welches als eine Schandtat des Zelotismus
der Gegenreformationspäpste hingestellt wird, welches
wir jedoch gewiß milder beurteilen werden, wenn
wir bedenken, daß dies nach der damaligen Finanz-
lage der Kurie das einzige Mittel war, Berninis
Wunderwerk zu ermöglichen. Ließ nicht der Klerus

„Die Restauration alter Baudenkmäler ist ein Zweig der Bau-
kunst, welcher erst in unserem Jahrhundert zur Blüte gelangt ist.“

Baurat Cremer im Jahre 1866.

von Notre Dame die unschätzbaren alten Glasmale-
reien im XVIII. Jh. hinauswerfen, weil weiße Fenster
i modern geworden sind, und hat Napoleon S. Gemi-
, niano am Markusplatze nicht einfach abtragen lassen
—- weil ihm die Kirche nicht gefallen hat? Und auf
, die Akropolis könnte man die Variation eines alten
> Spruches als Inschrift setzen: Was der Barbar ver-
: schonte, ist von zivilisierten Völkern vernichtet

; worden.

Doch alle diese Fälle, auf die von den wirk-
lichen Vandalen des XIX. Jhs. als auf abschreckende
Beispiele der einstigen Behandlung alter Denkmäler
immer wieder verwiesen wurde, waren nur Aus-
nahmen. Leute, welche für die alte Kunst kein Herz
besitzen oder die die Befriedigung der persönlichen
Eitelkeit oder eines persönlichen Vorteiles höher
schätzen als das Vermächtnis der Vergangenheit, hat
und wird es immer geben, doch sie waren nicht die
Signatur des Zeitalters, sie hatten nie einen solchen
Einfluß, daß der Denkmälerbestand dadurch, ver-
einzelte Fälle ausgenommen, einen ernsten Schaden
genommen hätte. Die Kunstschätze Italiens waren
zu Beginn des vorigen Jahrhunderts fast noch voll-
kommen so erhalten, wie sie uns Vasari zweieinhalb
Jahrhunderte früher beschrieben hat, und man braucht
nur eine der herrlichen alten Städte Belgiens zu
besuchen, um sich zu überzeugen, wie groß die
Pietät der Fürsten, Bürger und Kommunen für das
alte Erbe in allen früheren Zeiten gewesen ist und
wie viel wir ihr noch heute in Gegenden zu ver-
danken haben, die von der Restaurierungsseuche des
XIX. Jhs. verschont geblieben sind. Es mußte gewiß
in allen Zeiten oft das Alte neuen Anforderungen
weichen, aber in keiner der älteren Perioden unserer
Kultur sind alte Denkmäler, Zeugnisse der histori-
schen und künstlerischen Vergangenheit, „das Heilig-

l*
 
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