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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1908

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Heft 2-3
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Jeřábek, Lubomír: Ein Promemoria über die Hauszinsbefreiung alter Privatgebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.26206#0037
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BERICHTE

Ein Promemoria über die Hauszinsbefreiung alter Privatgebäude

Seit langem schon zittern alle Freunde des
alten Prag um das Schicksal der Prager Kleinseite.
Eine fast unversehrt erhaltene, für sich geschlossene
barocke Stadt, mit wundervollen Barockgärten ge-
schmückt, bildet die Kleinseite die unvergleichliche
Kulisse zu einem Panorama, welches zu den schönsten
der Welt gehört. Diese Kulisse soll verschwinden.
Statt daß man sie als ein kostbares Gut der Nation
schätzen würde, werden Stimmen laut, welche, sei
es aus Mangel an Verständnis, sei es aus materieller
Privatrücksicht, eine Modernisierung der alten Gassen
und Neubauten inmitten der alten Häuser und Paläste
mit einer ähnlichen Verblendung fordern, mit welcher
ein österreichischer Statthalter einst das Heil Venedigs
durch die Austrocknung der Kanäle begründen
wollte.

Damit das alte Bild wenigstens teilweise er-
halten bleibe, fordert die Gemeinde Prag von der
Regierung den Erlaß eines speziellen Finanzgesetzes,
demgemäß die Besitzer bestimmter, bei der Aus-
arbeitung des Regulationsplanes für die Kleinseite
genau zu bestimmender Gebäude eine Vergütung
in der Form von Befreiung von Hauszins (eventuell
von kommunalen und Landeszuschlägen) dafür er-
halten sollen, daß sie bei einem Umbau ihrer Häuser
eine bestimmte, von Fall zu Fall genau festgestellte
Höhe nicht überschreiten.

So sehr ein solches Gesetz als ein Mittel zur
Erhaltung des jetzigen Ausblickes auf den Hradschin
zu begrüßen wäre, kann es doch nicht die Kleinseite
retten, wie wir sie schätzen und bewundern, da es
Neubauten, durch welche der alte Charakter dieses
Stadtteiles verwischt und zerstört wird, nicht hin-
dern kann.

Ja, im Gegenteil.

Durch ein solches Gesetz würde man zwar das
Gesamtpanorama erhalten, doch anderseits in den
in Aussicht genommener Begünstigungen geradezu

Kunstgeschichtlicbes Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1908.

eine Prämie für die Demolierung von alten
Bauten aufstellen, der zweifellos viele alte Denk-
male zum Opfer fallen dürften, an deren Umbau der
Besitzer kaum denken würde, wenn nicht mit diesem
Umbau die von der Gemeinde angestrebten finanziellen
Bedingungen verbunden wären. Deshalb erscheint es
als wünschenswert, an Stelle dieses einseitigen Ge-
setzes ein anderes anzustreben, welches nicht nur
die Hradschiner Vedute, sondern auch die Kleinseite
retten könnte.

Es handelt sich dabei schließlich nicht nur um
die Kleinseite. Es ist die höchste Zeit, daß man
endlich einmal Mittel und Wege sucht, wie alte Ge-
bäude, welche sich im Privatbesitze befinden und
historischen oder künstlerischen Wert besitzen, vor
dem Untergange gerettet werden könnten. Denn über-
all in Österreich hat man von Jahr zu Jahr einen
größeren, unwiederbringlichen Verlust an alten archi-
tektonischen Kunstdenkmälern deshalb zu beklagen,
weil die staatlichen und autonomen Gesetze gar
keine Handhabe zum Schutze der in Privateigen-
tum befindlichen Baudenkmale bieten. Man kann ruhig
sagen, daß. für diese so wichtige kulturelle Forde-
rung weder von der Reichs- noch Landesgesetzgebung
auch nur das geringste bisher getan wurde. Durch
die bisherigen Gesetze hat man den Bauunternehmern
und deren Schöpfungen ohne Rücksicht auf die künst-
lerische Qualität große finanzielle Begünstigungen
gewährt und dadurch einseitig die Interessen einer
bestimmten sozialen Klasse, ohne Rücksicht auf die
Allgemeinheit, vielfach auch direkt die Interessen
des Parzellenwuchers gefördert, doch für das
kulturelle Vermächtnis der Vergangenheit geschah
nichts. Und dennoch unterliegt es keinem Zweifel, daß
es in eminenter Weise im Staatsinteresse liegt, daß
durch geeignete Verfügungen für die Erhaltung un-
schätzbarer, kultureller und ethischer Güter ähnlicher
Art, wie es Gebäude sind, die den historischen und

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