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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1908

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Heft 4
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Dvořák, Max: Restaurierungsfragen, II: das Königsschloß am Wawel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26206#0063
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Restaurierungsfragen

II. Das Königsschloß am Wawel

Das Schloß am Wawel gehört zu den Bau-
werken, deren Bedeutung weniger in einer bestimmten
zeitlich determinierten künstlerischen Leistung als
vielmehr in der jahrhundertelangen Verknüpfung mit
wichtigen geschichtlichen Ereignissen und mit den
Schicksalen einer Nation beruht, zu welchen es
einen steinernen Kommentar bietet. Die Hauptanlage
stammt wohl aus der ersten Hälfte des XVI. Jh. und
ist ein Werk italienischer Architekten, doch diese
Anlage hat weder die in verschiedenen Zeiten ent-
standenen Gebäude der alten Königsburg ganz be-
seitigt, noch bildet sie den Abschluß der Bautätigkeit
an der alten Königsresidenz, die bis ins XIX. Jh. bei-
nahe nie ganz unterbrochen wurde. Man kann an dem
heutigen Baue mehr als zwanzig Bauperioden fest-
stellen und so bildet das Schloß eine steinerne Epope,
deren Inhalt für die polnische Nation weit mehr be-

„Wie oft träumte ich beim Blick auf die alte Schloß-
ruine, daß ich einst diesen Kranz schartiger Mauern füllen
werde mit Gespenstern, Geistern, Rittern, daß ich wieder
aufrichten werde die eingefallenen Säle.“ Slowacki.

deutet als nur baugeschichtliche Daten oder zusammen-
hanglose historische Reminiszenzen. Darin liegt die
eigenartige Komplikation dieser Restaurierungsfrage.

Nach der Teilung Polens wurde das Schloß, bis
dahin durch Jahrhunderte ein Emporium königlicher
Fürsorge, dem österreichischen Militärärar überwiesen
und in eine Kaserne verwandelt. Es sind damals und
später noch des öfteren verschiedene Adaptierungs-
arbeiten vorgenommen worden, bei welchen aus-
schließlich der Nutzzweck in Betracht gezogen wurde,
und da das Schloß baufällig war, mußten auch
Sicherungs- und Herstellungsarbeiten vorgenommen
werden, für die man ebenfalls nur utilitäre Erwägungen
zur Richtschnur nahm. So sind die schadhaften Dächer
in einer einfachen Form erneuert worden, die Hof-
arkaden, welche einzustürzen drohten, wurden durch
eingebautes Mauerwerk gestützt und die Fassaden-

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