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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1908

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Heft 1
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Tomkowicz, Stanisław: Neuentdeckte mittelalterliche Wandmalereien in Krakau
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Tietze-Conrat, Erica: Die Restaurierung der hl. Dreifaltigkeitssäule in Wien in den Jahren 1775 und 1776
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https://doi.org/10.11588/diglit.26206#0018
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E. Tietze-Conrat Die Restaurierung der hl. Dreifaltigkeitssäule in Wien

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fache Mittel erreichten schmerzvollen Gesichtsaus-
druck und typisch ähnliche, aber doch individuali-
sierte Züge. Die konventionellen Gebärden steigern
sich v bei einigen derselben zu wirklich dramatischem
Pathos. Köpfe und Figuren sind noch gotisch in
die Länge gezogen, die Hände und Finger schmal
und mit geraden Strichen gezeichnet. Konturen und
Faltenwurf sind mit steifen braunen Linien schema-
tisch und kalligraphisch angegeben.

Besonderes Interesse erwecken die an T-Kreuze
geschlagenen Schächer mit übertrieben verrenkten
Gliedern. Der links hängende, gute, ist etwas ruhiger
dargestellt, im Moment, wo er seine als nacktes Kind
symbolisierte Seele in die Arme eines Engels aus-
haucht, welcher dieselbe mit liebevoller Geste in
einem Linnen zum Himmel emportragen will. Der böse
zur anderen Seite umklammert in grotesker Stellung
den Kreuzstamm mit den Beinen und hebt den Kopf
keck in die Höhe. Seine aus dem Munde in Gestalt
eines verzweiflungsvoll mit den Händen nach dem
Kopfe greifenden Homunculus entschlüpfende Seele
wird von einem phantastischenUntier gierig angepackt,
welches mit einer Tigertatze, einer Adlerklaue und
einem spiralförmigen blauen Schwänze ausgestattet ist.

Diese in den letzten Jahren entdeckten, auch
ikonographisch interessanten Wandmalereien sind
eine bedeutende Bereicherung unserer Kenntnis der
mittelalterlichen Kunstgeschichte in Polen. Sie geben
einen erwünschten Beleg für die Behauptung älterer
Historiker und Chronisten so wie einiger anderer
Quellen, wonach im XV. und sogar schon im XIV. Jh.
die Wandmalerei in Polen äußerst beliebt war und
in einer ganzen Reihe von Kirchen, Klöstern und
Palästen den Schmuck der Innenräume ausmachte.
In späteren Zeiten durch die Verwüstungen des
Krieges, durch Umbauten und auch durch den Wechsel
des Geschmackes größtenteils vernichtet, zum Teil
aber nur vernachlässigt, verdeckt und verschollen,
tauchen sie jetzt in ansehnlicher Zahl wieder auf
und können als Beweis dafür dienen, daß diese Art
dekorativer Kunst gegen das Ende des Mittelalters
hierzulande keineswegs auf niederer Stufe stand.
Wenn auch bis jetzt keine hervorragenden Meister-
werke entdeckt wurden, so haben wir doch schon
genügend Belege dafür, daß das Niveau der deko-
rativen Malerei ein beachtenswert hohes war.

S. von Tomkowicz

Die Restaurierung der hl. Dreifaltigkeitssäule in Wien
in den Jahren 1775 und 1776

Im Jahre 1774 war die hl. Dreifaltigkeitssäule
am Graben in so schlechtem Erhaltungszustände,
daß eine dringende Restaurierung notwendig er-
schien. Aus den Protokollen der Hofbaukommission
im Staatsarchiv, die unten zur genaueren Kenntnis
des Ganges der Arbeiten zum Teil in extenso, zum
Teil in Regestenform wiedergegeben sind, können
wir Beginn, Fortschreiten und Abschluß der Re-
staurierung ersehen, wobei neben mancherlei Nach-
richten, die sich auf Künstler beziehen, auch wichtige
prinzipielle Fragen hervortreten. Anfangs wurde die
Arbeit hinausgeschoben, woran neben Rücksicht-
nahme auf den Eintritt des Winters, auch die Über-
bürdung mit anderen Arbeiten schuld war; dann
scheint die Reinigungsarbeit allzu vertrauensvoll in
die Hände eines radikalen Stümpers gelegt worden
zu sein, der mit der „Raspelung“ der Säule begann
und sie „mit eisernen Instrumenten traktierte“. Doch
wird auf die Intervention des Oberhofarchitekten
Hillebrand hin allsobald ein neuer Weg eingeschlagen

und die Arbeit dem Bildhauer Kögler übergeben,
der dieselbe auch zur größten Zufriedenheit ausführt.
Wir haben hierfür ein Zeugnis in dem Gutachten
der Bildhauer Balthasar Moll, Martin Fischer und
Johann Baptist Hagenauer, das nach Beendigung der
Arbeiten Köglers am 13. Mai 1776 von ihnen ein-
geholt wurde. Dieses Gutachten ist außerdem von
prinzipieller Wichtigkeit; aus dem Protokoll ent-
nehmen wir, daß sich ein „Unbekannter“ angetragen
habe, der die Figur des Kaisers wieder weiß putzen
wollte: die oben genannten Bildhauer widersetzen sich
diesem Vorhaben entschieden, denn da die braune
Farbe in den Marmor zu tief eingedrungen wäre, als
daß sie durch „Paitzung“ entfernt werden könnte,
so würde durch dieses Verfahren nur der Stein leiden,
„die braunen Flecken aber verbleiben“; sie schließen
mit den Worten: „mithin wäre sothanne Statuä nur
abzuwaschen, weilen die braunen Flecken an Kunst
und Schönheit derselben gar nichts benehmen“. Ein
einfacher und kostenloser Restaurierungsweg, den
 
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