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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1908

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Heft 4
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Tietze, Hans: Ein gefährdeter Bau Jakob Prandauers in St. Pölten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26206#0075
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Fig. 35 St. Pölten, Bischofstor, Innenansicht (Phot. Imbery)

Ein gefährdeter Bau Jakob Prandauers in St. Pölten

Das Bischofstor in St. Pölten, einst die monu-
mentale Eingangspforte des altberühmten Chorherren-
stiftes, soll der gefährlichen Nachbarschaft des neuen
Amtsgebäudes zum Opfer fallen; es soll weggerissen
und weiter rückwärts verlegt werden, „weil durch
jenen Bau und die durch Verhältnisse gebotene
Niveausenkung des Platzes vor dem Tore, der so-
genannten ,Hofstatt1, das Tor in ästhetischer Hinsicht
höchst ungünstig beeinflußt würde“. Diese erzwungene
resignierte Zustimmung der Zentralkommission, die
nur die „Wiederaufführung mit tunlichster Verwen-
dung des alten Materiales und genauestens in den
alten Formen“1) zur Bedingung macht, gleicht einem
Selbstmorde aus Furcht vor dem Tode und ist ein
ganz besonders krasser Beweis für die völlige Macht-
losigkeit unserer Denkmalschutzbehörde, die man
mit der Aufführung des ungeheuren Amtsgebäudes
und der kindlichen Umgestaltung der „Hofstatt“ vor

') Über die administrative Erledigung des Falles s.
M. Z. K. 1908, November, Spalte 372 f. Eine Kritik dieser
Erledigung ist natürlich nicht beabsichtigt, sondern es soll
nur die prinzipielle Bedeutung des Falles erörtert werden.

eine vollendete Tatsache gestellt, die ihr kaum etwas
erübrigt, als in jene verkappte Zerstörung des Tores
einzuwilligen.

Das Tor (Fig. 35 und 36) ist eine Schöpfung jenes
merkwürdigen Propstes Johann Michael Führer (1715
bis 1745), der in seinem Bestreben, es den großen
klösterlichen Bauherren seiner Zeit gleichzutun, die
ihm zur Verfügung stehenden Mittel überschätzte
und, von der Leitung des tief verschuldeten Stiftes
entfernt, ein trübes, vereinsamtes Ende nahm (Fräst
in Kirchl. Top. I, 7). Was er in den Jahren seines
Glanzes alles zum Schmucke seines Hauses und der
Stiftskirche und damit zur Zierde der Stadt St. Pölten
geschaffen hat, soll hier nicht ausführlich erörtert
werden (JohannFahrngruber, Aus St.Pölten, S.228ff.);
hier soll nur daran erinnert werden, daß das Tor —
das übrigens durch das Wappen des Bischofs Kerens
im Giebelfelde und die Jahreszahl 1785 gleichzeitig
an ein für die Geschichte St. Pöltens hoch bedeut-
sames späteres Ereignis, seine Erhebung zum
Bischofssitze, erinnert — sich jenen glänzenden
Unternehmungen würdig anschließt, da es ein charak-
teristischer Bau Jakob Prandauers ist.
 
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