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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 3
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Eisenstadt, M.: Die ersten Berliner Graphikauktionen
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Göpel, Erhard: Nationale und internationale Werte des Graphikmarktes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0116

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hervorragenden und guten Bilddrucken im Laufe des vergan-
genen Jahrfünfts, die — sogar im Vergleich zu den vorjährigen
Auktionen — vorsichtige Zurückhaltung der durch wirtschaft-
liche und soziale Stützungsaktionen stark engagierten amerika-
nischen Großkäufer, die erzwungene Abstinenz der durch De-
visenverordnungen gehemmren österreichischen Interessenten,
so wird man der Meinung beipflichten, daß die Versteige-
rung einen durchaus nicht gering einzuschätzenden Erfolg
aufzuweisen hatte. Den Spitzenpreis behauptete erwartungs-
gemäß das Schrotblatt um 1460 (24), welches ein deutscher
Sammler für 4100 ersteigerte. Für zahlreiche der nachstehend
genannten Blätter lagen ausländische Aufträge, wieder zu-
meist von privater Seite, vor: so erzielte der vortreffliche
Hieronymus-Druck (186) 1350, ein anderer erlesener Dürer-
Stich, der „Traum" (193), 2200, die schimmernde „Madonnen-
krönung" (181) 900, der frühe Druck der „Dame zu Pferde
mit dem Landsknecht" (197) 1050, die „Jungfrau mit Sternen-
krone und Szepter" (177) 720, ein besonders tiefes und
frisches Exemplar der „Madonna mit der Birne" (182) 600, eben-
soviel der „Heilige Georg" (185), 410 ein früher Zustand
der „vier Hexen" (192), 600 die „große Fortuna" (194). Einem
deutschen Sammler gelang es, das Hauptstück des Rembrandt-
Oeuvres, einen tiefschwarzen „Triumph des Mardochai" (512)
für 1870 zu erwerben. Ein weichtoniges, in der Lichtwirkung
wunderbar mildes Blatt, die nächtliche Legende „Stern der
heiligen drei Könige" (536) stieg auf 600, ein früher zweiter
Zustand des „Petrus und Johannes" (530) auf 350. Ein scharf

gezeichneter und dabei im Ton sehr reicher Abdruck von
Zasingers „Umarmung" (636) erreichte 550.

Gering war das Interesse für die Zeichnungen, zumeist
aus fürstlichem Besitz, von denen die hoch limitierten Ro-
mantikerblätter trotz der vermuteten „Konjunktur" großen-
teils unverkauft blieben. Dagegen stieg das dekorative Aqua-
rell einer „Bayrischen Landschaft" von Neureuther (669)
auf 360. Die hübsche Folge von zehn Illustrationsentwürfen
Gravelots zu Voltaires „Candide" (654) wurde mit 220 zu-
geschlagen.

VORBERICHT

Paul Graupe ist von seinem Vertrage mit den Erben des
ehemaligen Berliner Hofarchitekten Ernst von Ihne
zurückgetreten, so daß die für den II. und 12. Dezember
angesetzte Versteigerung der Sammlung und Einrichtung
im Palais des Architekten nicht stattfinden wird.

Otto Helbing, München, versteigert am 10. Dezember den
Nachlaß Dr. H. Buchenau: Münzen und Medaillen.

Auf die Versteigerung der Sammlung Max von Bleichen,
Leipzig, in Rud. Lepkes Kunstauktionshaus am 8. und 9. De-
zember (Bilder, Plastiken, Zeichnungen und Graphik des
neunzehnten Jahrhunderts, darunter vorzügliche Bilder von
Leibi, Liebermann, Thoma usw.) sei nochmals hinge-
wiesen.

NATIONALE UND INTERNATIONALE WERTE DES GRAPHIKMARKTES

VON

ERHARD GÖPEL

In den Jahren der Inflation nannte man die alte Graphik
einen internationalen und darum sicheren Wert. In der
Zeit der steigenden Preise war es schwierig, die inneren
Triebkräfte der Bewertung zu vereinzeln und sie auf die
Breite ihrer Grundlage zu untersuchen. In der Zeit der
fallenden Preise und namentlich ganz ausfallender Käufer-
länder werden die preisbildenden Kräfte deutlich. Doch zeigt
die Lage in allen Ländern ein anderes Gesicht.

In England ermattete der Markt trotz der „season" in
einem in London unbekannten Maße. Es ist heute leicht,
darin einen Vorboten der im September akut gewordenen
englischen Krise zu sehen. Da auf dem Graphikgebiet nur
bei Sotheby, Christie und einigen kleineren Häusern spar-
sam Material auf den Markt kam, das von keiner allzu-
großen Bedeutung war, sah man sich zu keiner besonderen
Anspannung genötigt, wie sie noch im vergangenen Winter
zu einem Preis von über 1500^ für die berühmte Radierung
von Hercules Seghers, Tobias und der Engel, geführt hatte.
Im Mai zum Beispiel zahlte man bei Sotheby für den
„kleinen Kurier" Dürers nur 30 £, für den „Eustachius"
30 £, im Juni für Rembrandts „Abrahams Opfer" 24 £, für
die große Kreuzabnahme Rembrandts 60 £. Da es sich um
gute Drucke handelte, müssen diese Preise als sehr niedrig
bezeichnet werden.

Was sich bedeutend besser hielt als die „internationale"
Graphik, war die nationale englische Graphik, sowohl die
Schabkunstblätter und die Farbdrucke des achtzehnten als
auch die Radierungen des neunzehnten Jahrhunderts. Noch

beliebter als Wandschmuck sind die englischen „Colour
Prints", für die der Amerikaner Rosenbach am 7. Juli bei
Sotheby recht beträchtliche Preise zahlte. Der populäre
Gegenstand erhält den besten Preis: 4 Blatt Fuchsjagd nach
Morland von G. Bell 680 £, St. James's Park und ein Tee-
garten nach Morland von F. D. Soiron 450 £, endlich-das
Dorfwirtshaus, innen und außen (von Ward nach Morland)
400 £. Die große Rolle, die der Gegenstand spielt, wird
noch deutlicher in den Preisen, die für frühe amerikanische
Ansichten gezahlt werden. Der Kunstwert ist meist gleich
null, wird aber ersetzt durch die Seltenheit zusammen mit
dem nationalen Erinnerungswert. Für eine Ansicht von
New York, 1796, von St. Memin gab man 50 £, für eine an-
dere von Himely 85 £. Für amerikanische Schiffsdarstellungen
zahlte man 48 £, 56 £ und 78 £l Die Bedeutung des Gegen-
standes für den Engländer und Amerikaner, der den im-
pressionistischen Glaubenssatz der Unwesentlichkeit der Dar-
stellung gefühlsmäßig ablehnt, zeigt sich auch bei der Be-
wertung der neueren Radierungen. Darstellungen von Venedig
werden meist über ihren Kunstwert hinaus bewertet, zum
Beispiel Camerons Dogenpalast mit 105 £. In der für „mo-
dern english etchings" wichtigen Versteigerung der Samm-
lung John N. Kyd (22. Juli bei Christie) gab es aber auch
sonst hohe Preise. Muirhead Bone, Shot Tower, 73 £, Nacht
in Rom 89 £, Cameron, Old St. Etienne 110 £, Seymour
Haden, Shere Mill Pond 39 £. Ganz überrascht steht der
ausländische Beobachter vor dem Preisturm, der in England
für englische Aquarelle errichtet wurde, wo für Fielding

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