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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 3): Die Hirtenvölker der passiven Menschheit — Leipzig: Teubner, 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.66507#0024
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Polarnomaden.

auf los. In Geschäften sind sie listig und verschlagen, und ein Lapp-
länder wird im Handel nicht leicht betrogen; den Betrogenen lachen
sie dazu noch tüchtig aus, wie sie überhaupt in ihrem geselligen Ver-
kehr zum Spott gar geneigt sind. Vor allem sind sie gewohnt, ihr
Volk für das beste, klügste und vortrefflichste unter allen andern an-
zusehen, doch sind sie nicht allein gegen arme Landsleute mildthätig,
sondern auch gastfrei gegen die Fremden, auch nicht so diebisch wie
die Eskimos*).
Die Tungusen**) dagegen sind bei weitemmunterer; sie sind
sorgenfrei, beim Besitz der unentbehrlichsten Bedürfnisse vergnügt, bei
völligem Mangel mehrere Tage nicht ängstlich oder traurig. Im
Umgänge sind sie gesprächig und aufgeweckt, in Rede und Thatfrei-
müthig und lebhaft. So lange nur noch das geringste da ist, theilen
sie auch den kleinsten Bissen der Gesellschaft mit. Dienstfertkgkeit
kostet ihnen keine Ueberwindung. ' Argwohn und Mißtrauen ist,ihnen
fremd, eben so die Lüge, daher sie auch nichts betheuern und nie flu-
chen; so lasten sie sich das erstemal leicht hintergehen und betrügen«
Dieberei ist bei ihnen verachtet. Gegen vorsätzliche Beleidigungen sind
sie sehr empfindlich und es erfolgt darauf der Zweikampf.
Die Ostiaken und Samojeden gleichen jedoch mehr den Lapp-
ländern, und wir können also die Tungusen als diejenigen in den
Wäldern hausenden Hirten bezeichnen, welche am meisten moralisch
entwickelt sind. --
Die Nahrung
der von uns nun zu betrachtenden Völkerschaften wird im Wesent-
lichen der Thierwelt entnommen, und sie wird theils durch die Jagd
und den Fjschfang, theils aber durch die Pflege der Heerdenthiere
gewonnen-. <
Die Jagd findet auf die mannigfaltigste Weise statt, wie bei den
Americanern, indem das Wild theils durch Waffen erlegt, theils. in
Fallen und Schlingen gefangen wird.
Die älteste Jagdwaffe, Pfeil und Bogen, finden wir auch
bei den nördlichen Nomaden.
Die Bogen derselben sind aus zweierlei Holz gemacht und an
6 Fuß lang, mit einer Sehne aus gedrehten Därmen oder Riemen.
Man nimmt zur Anfertigung d.es Bogens ein Stück Birkenholz, das
aber wohl anderthalb Zoll breit ist und verbindet dasselbe auf der
untern,, dem Schützen zugewendeten Seite, vermittelst Fischleimes mit
einem härteren Nadelholz; die Lappländer nehmen dazu Fichte. Beide

*) Scheffer's Lappland S. 35 f.
**) Geoigi's Reise I. 248.
 
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