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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 3): Die Hirtenvölker der passiven Menschheit — Leipzig: Teubner, 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.66507#0075
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Geselliges Leben.

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findet in aller Stille Statt. Nach einiger Zeit aber feiert ein Freund
nach dem anderen das Andenken des Verstorbenen mit einen Gast-
mahle, wie es nun eben das Jagdglück verstecktet. Die Gräber der
Freunde und Verwandten werden oft "besucht und die Todten oft
gefüttert, d. h. Thee, Milch, Brarckwein, Fisch- oder Fleischbrühe
auf die Graber gegossen (Georgi I. 266 f. dazu Erman R. II. 365).
Die Ostiaken und Samojeden geben dem Todten einen Schlitten
mit Nennthieren, ein Feuerzeug, zuweilen auch Pseise und Tabak mit.
Dann wird noch zu Ehren des Verstorbenen ein grobes, hölzernes
Abbild desselben angefertigt, welches in der Jurte aufgestellt wird,
dessen Pflege vornehmlich den Weibern anvertraut ist. Bei jeder
Mahlzeit bringen sie dem Bilde ein Speiseopfer, und war der Ver-
storbene ihr Ehemann, so müssen sie es, wie früher den Lebenden,
häufig umarmen und ihm auch noch vollständigere Beweise ehelicher
Liebe geben (Erman R. I. 679). Die großen Bilder in den Hütten
der Bewohner des Nutka-Sundes (s. o. Th. II. S. 357), so wie
die kleinen Bilder, welche die Lappländer den abgenagten Rennthier-
knochen beigeben, scheinen in gewissem Zusammenhänge zu stehen,
namentlich scheint aber das kleine Bild der Lappländer ein verküm-
merter Nachkomme der großen Bilder zu sein. Wahrscheinlich hat
hier die Nähe der christlichen Missionäre bewirkt, daß man die Bil-
der nicht mehr offen aufstellte und sie daher verkleinert den lieber-
resten des Todtenmahles beilegte. Aehnliche Sitte werden wir auch
auf den höheren Stufen der Eultur finden, da sie zu tief in der
menschlichen Natur begründet ist und in dem Wunsche wurzelt, we-
nigstens die Erinnerung an den verstorbenen Verwandten oder Freund
zu erhalten, dessen Leben, ja dessen Körper zu erhalten nicht mög-
lich war.
Das gesellige Leben
der Nomaden der Polarzone verdankt seine Gestalt zum großen Theile
dem Umstande, daß auch ihnen träge Ruhe der höchste Genuß, Ar-
beit und Anstrengung aber ein, wenn auch unvermeidliches, Uebel
scheinen. Diese Neigung zur Ruhe und zum Müssiggänge wird na-
mentlich durch den langen Winter, der sie an das Heerdseuer und
die Schlafstätte bannt, und zum Theil sogar zur Unthätigkeit nöthigt,
wesentlich genährt. Sie verkürzen sich dann, gleich den im Winter-
schlafs ruhenden Nagethieren, die Zeit mit dem Schlafe, dessen ja
auch der Mensch überall im Winter mehr bedarf, als im Sommer.
Anderntheils aber wird die übrige Zeit durch gesellige Unterhaltung
ausgefüllt. Die Lappen machen sich dann gegenseitige Besuche, gehen
aus einer Hütte in die andere, und pflegen ein lebhafte Unterhaltung.
Sie schwatzen dann von den Begebenheiten und Ereignissen des ge-
wöhnlichen Lebens. Gleich den Grönländern und den medisanten
 
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