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Das dritte, in ganz kleinem Maßſtab gemalte Bild, in der Ermitage zu
Petersburg, hat ſeinen Stoff aus dem Neuen Teſtament geſchöpft. Es behandelt
mit einem wunderbaren Reiz maleriſcher Innenraumdarſtellung das Gleichnis von
den Arbeitern im Weinberge. Beim Schein der letzten Abendſonne ſitzt der Herr
des Weinbergs in ſeinem nach dem weiten Hausflur hin offenen Geſchäftszimmer;
von den eben abgelohnten Arbeitern ſind einige zu ihm herangetreten, um zu
murren, und man ſieht, wie er dem einen, der der Sprecher iſt, antwortet:
„Mein Freund, ich tue dir nicht. unrecht“ (Abb. 68).

Dulch die Macht des Ausdrucks, mit der Rembrandt ſelbſt das ſcheinbar
ganz Undarſtellbare anſchaulich zu machen wußte, verſtand ex in ganz einziger
Weiſe die Gleichniſſe des Evangeliums zu verbildlichen und die Möglichkeit der
Darſtellung in Stoffen zu finden, wo fein anderer eine ſolche Möglichkeit erblicken
würde. So hat er in zwei Zeichnungen, die jetzt weit voneinander getrennt ſind,
die eine im Schloß Chaͤntilly, die andere in der Albertina zu Wien, das Gleich-
nis von dem unbaͤrmherzigen Knecht. behandelt, das im achtzehnten Kapitel des
Matthäusevangeliums erzählt wird. Auf dem einen dieſer Blätter ſehen wir,
wie der Knecht in demütiger Bitte, mit der Gebärde der Anbetung vor dem

Herrn auf die
—— — Knie gefallen iſt,
4— der nachrechnend
“* — überden Büchexn
ſitzt, und wie die-
ſer mit leicht ge-
wendetem Haupt
und milder Hand-
bewegung —man
glaubt ihn ſpre-
chen zu hören —
dem Flehenden
die Schuld er-
läßt. Das zweite
Blatt (Abb. 133)
zeigt uns dienäm-
lichen zwei Figu-
ren; wieder kniet
der Knecht am
Boden, aberdies-
mal kann er keine
Vergebung mehr
erwarten; denn
zornig iſt der Herr
von ſeinem Sitze
aufgeſtanden,
und die nämliche
Hand, die vorhin
Gnade gewährte,
iſt jetzt zum erbar-
mungsloſen Ur-
teilsſpruch über
den Unbarmher-
zigen erhoben, der
unter der Wucht
des Urteils zu-
Abb. 163 Abraham verſtößt Hagar. Radierung von 1637. (Zu Seite 64.) ſammenknickt.

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