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Knabe und ein Küſter begleiten, in phantaſtiſcher, dem katholiſchen Biſchofsornat
in freier Umbildung entliehener Tracht; die herabhängenden Hände ineinander
faltend, blickt er die Sterbende ernſt und finnend an; was ſeines Amtes war,
hat er vollendet. Noch weiter im Vordergrunde ſitzt an einem Tiſche ein Vor-
leſer in reicher morgenländiſcher Tracht; er hat aufgehört zu leſen und wendet.
den Blick gleichfalls nach Maria hin. Denn dieſe hat eben den letzten Atemzug
getan, ſchlaff liegen Haupt und Hände in den Kiſſen. Durch die Schar der
Apoſtel und Frauen, die ſich an der linken Seite des Vettes zuſammendrängen,
geht ein Schauer; eine Frau kämpft mit Gewalt einen lauten Schmerzensausbruch
Nieder, eine andere faltet die Hände zum Gebet, und Johannes breitet in ſtummer
Vehklage die Hände aus; ein Mann, der eben eintreten will, bleibt zwiſchen den
Türvorhaͤngen ſtehen. Wohl hebt Petrus das Haupt Marias mit dem Kopfkiſſen
empor und verſucht durch ein Riechmittel, das er in ein Tuch gegoſſen hat, das
eben noch einen Augenblick zu feſſeln; ob noch eine Spur von Leben vorhanden
ki, ſucht der mit einem Turban bekleidete Arzt am Puls zu erforſchen. Aber
die Seele gehört der Erde nicht mehr an. Während alles im Gemach unter dem
Banne des irdiſchen Todes ſieht, dringt vom Himmel herab eine Wolke durch
die Balkendecke des Zimmers; ſie iſt mit Licht gleichſam gefüllt und wirft fluten-
des Licht auf das Bett und die Leiche. Mit der großen Helligkeit kommt ein
Engel, von Kinderengeln begleitet, um die Seele der Reinſten in Empfang zu
nehmen. — Während die unteren Figuren, wenn auch mit leichter Hand, ſo doch
ſehr ſorgfältig auͤsgeführt ſind, ſind die Engel und Wolken nur wie mit flüchtigen
Strichen angegeben; aber was bei einem anderen Künftler als Nachläſſigkeit
erſcheinen würde, dient hier als wirkſamſtes, geiſtvollſtes Mittel, um von dem
Irdiſchen das Kberirdiſche, Traumhafte, Erſcheinende, nicht mit dem leiblichen
Auge Wahrnehmbare und Feſtzuhaltende zu ſondern. Vor dieſem Blatt wird
einem offenbar, welche Poeſie im Strich des Künſtlers liegen kann (Abb. 80).
Von ähnlich poetiſcher Wirkung iſt eine nicht datierte, aber ihrer Entſtehungs-
zeit nach nahe liegende kleinere Radierung, die den gekreuzigten Heiland zwiſchen
den zwei Schächern darſtellt. Die qualvoll lange Dauer der Marter iſt ergreifend
zur Anſchauung gebracht. In ſtummer Pein kauern die Frauen am Fußende
des Kreuzes. Einer der Lichtſtrahlen herab, und
wachthabenden Kriegs⸗ * der Dornengekrönte am
leute hat es ſeinem Pferd Kreuze ragt hell aus
bequein gemacht. Mit der Finſternis empor
den durch ihren Dienſt (Abb. 81). Bei diefem
feſtgehaltenen Beamten Kreuzigungsbilde wird
harren noch einige Zu— die ſtarke maleriſche Wir-
ſchauer auf der Richt— kung durch dunkel auf
ſtaͤtte aus, ſchwatzend die hell ſtehende Figuren her-
einen, ſtumpf oder nieder— vorgerufen. In einem
gedrückt die anderen. Die Blatte von 1640, das die
am Kreuz ausgeſpannten Enthauptung Johannes
Männer ſſind keiner Be⸗ des Täufers ſchildert, iſt
wegung mehr fähig; nur es umgekehrt: vorn ſtehen
der eine Schächer hebt die Hauptfiguren im Licht
den Kopf, er vernimmt und heben ſich mit hellen
die Antwort auf ſeine an Umriſſen von der Dunkel-
ſus gerichtete Bitte. heit ab, die mit zuneh-
* von deſſen Lip— — — mender *
en die Worte kommen: R der Tiefe des Kerkers
„Geute noch wirſt du mit Fyßanct 2 hin ſich über die Zu-
mir im Paradieſe ſein“, Abb. 79. Der Jude mit der hohen Mütze. ſchauer und die Gewölbe
da ſendet der Himmel Radierung von 1639. (Zu Seite 82.) legt.

Knackfuß, Rembrandt. 6 81
 
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