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aus dem Leben der
Armen (Abb. 124).
Zur Behandlung
eines heidniſchen
Stoffes wurde Rem-
brandt veranlaßt
durch die Veröffent-
lichung des von ſei-
nem Freunde Six
gedichteten Trauer-
ſpiels, Medea“. Da-
zu lieferte er die große
RadierungVermäh-
lung des Jaſon mit
Kreéuſa“. Archäolo-
giſche Studien hatte
Rembrandt nicht ge-
macht. Eine Hoch-
zeit im griechiſchen
Sagenalter dachte er
ſich als eine religiöſe
Feier, deren For-
men den chriſtlichen
Kirchengebräuchen
entſprachen. Wir blik-
ken in einen phanta-
ſtiſch erdachten Säu-
lenbau, in deſſen Bo-
gen und Wölbungen } * — —
ungeachtet der Selt- grop, 109. Schtafendes Wädchen. Vinſetzeichnung. Im Vritiſchen Mufeum.
ſanikeit ihrer Kon— zu London. (Zu GSeite 104.)
ſtruktion die eigen-
tümliche Poeſie hochgewölbter mittelalterlicher Kirchen lagert. Der Standpunkt
des Beſchauers iſt im Chorraum hinter dem Altarbau. Der Altar mit der lodernden
Opferfiamme ſteht erhöht; über ihm thront das Bild der Ehegöttin Juno mit
dem Pfau als mythologiſchem Kennzeichen. Am Altar ſteht der Prieſter in einer
Amtstracht, die aus phantaſtiſcher Umbildung der biſchöklichen Ornatſtücke ge-
ſchaffen ift, und ſpricht den Segen über das in fürſtlicher Tracht vor ihm kniende
Paar. Vornehme Zuſchauer erfüllen das Schiff der Kirche, und dem Altar gegen-
über hat auf einer Emporbühne der Sängerchor Platz genommen. In ſtarkem
Gegenſatz zu der feſtlichen Helligkeit, die durch die hohen Fenſter in den Raum
dringt, liegt der Chorumgang hinter dem Altar im Dunkel. Hier gewahren wir
eine vornehm gekleidete Geſtält, der ein kleiner Diener die Schleppe trägt. Die
Geſichtszüge dieſer Frau verſchwimmen im dämmerigen Schatten; aber wie ſie
da ungefehen einherſchleicht, das hat etwas Unheimliches, und auch ohne den Aus-
druck ihres Geſichts zu erkennen, ahnen wir, daß ſie Verderben bringt. Könnten
wir nicht erraten, daß dies die verlaſſene Medea iſt, ſo würden uns die Verſe
der Unterſchrift darüber belehren, die in hochdeutſcher Überſetzung alſo lauten:
Kréuſa und Jaſon hier einander Treu' geloben:
Medea, Jaſons Frau, unrecht beiſeit geſchoben,
Wird angefaͤcht vom Zorn, der Nachſucht nachzugehn.
Ach, ungetreuer Sinn was kommſt du teuer zu ſtehn!
Die erſten Abdrücke dieſes Blattes zeigen das Junobild mit. einer kleinen Haube
auf dem Kopf (Abb. 120); ſpäter fand der Künſtler es nötig, der Göttin durch

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