Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Die Jahreszahl 1658 iſt auf mehreren Radierungen zu leſen. Eine be-
handelt das Geſpräch zwiſchen Chriſtus und der Samariterin am Brunnen.
Auch hier wirkt die Kraft des ſtillen Ausdrucks: Chriſtus hat geſprochen,
und das Weib ſteht in Schweigen; in der ſchönen Landſchaft bewegen ſich die
verwundert herüberblickenden Jünger und gleichgültige Leute. Seit Rembrandt
das Thema zum erſten Male vor vierundzwanzig Jahren behandelt hatte —
damals ganz anders, lebhafter —, hat er ſich wiederholt damit beſchäftigt.
Eine Tuſchzeichnung in der Albertina bringt das Sprechen, und Hören, wie
die frühe Kadierung, aber ganz verſchieden von ihr, mit möglichſt wenig Be-
wegung. Chriſtus ſitzt mit dem Nücken angelehnt an den Rand der Brunnen-
grotte; er wendet kaͤum den Kopf, aber mit einer eindringlichen Bewegung
des Arms und des Zeigefingers begleitet er das Wort, das die Frau im
Innerſten trifft. Wie die Frau durch die Macht des Wortes angezogen wird
und, vornübergeneigt, regungslos ſteht, das iſt wieder ein Höchſtes von ſtummem
Ausdruck (Abb. 166).

Vier Radierungen von 1658 bringen Wirklichkeitswiedergaben, Aktſtudien
nach dem weiblichen Modell. Früher, bei mehreren Akten, die Rembrandt 1646
nach einem öfters von ihm gezeichneten jungen Mann (Abb. 119 radierte, hatte
er ſich mit dem fleißigen Naturſtudium begnügt; jetzt gab er den Studien durch
Ausarbeitung des Hintergrundes eine bildmäßige Abrundung, und zwar vom
Gefichtspunkie der maleriſchen Kompoſition aus, in kräftiger Wirkung von Hell
und Dunkel. Bei einem der Blätter hat er den Raum, der die nur halbentkleidete
Frau umgibt, eine Stube mit Ofen, ebenſo durchgearbeitet wie die Figur ſelbſt.
Bei zweien gibt das Bad den Vorwand für die Entklejdung; einmal in der
Stube, wo der weiße Körper hell leuchtet, einmal im Freien, wo Licht und
Schatien ſich in ihn teilen. Auch ein Blatt von 1659 bringt eine Aktſtudie, die

160
 
Annotationen