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Focmen, die Manni'gfnltiqkeit derselben, Berge, Thäler, Ebenen, rei-
zende Flüsse, anmuthlge Gefilde, mitunter auch wohl der leichte, be-
wegliche und gemüthvolle Sinn des Rheinländers, ein mildes Recht,
eine frelsinnige Regierung, Reichkhum und Ueberfluß bewahrten vor
Einseitigkeil und Starrsinn und gaben dem Geiste jenen Schwung,
wodurch allein d!e Aünste gedeihen. ?>uch hat der enge Berband mit
Jtalien nicht wenig zur Verbreilung und Pflege der schönen Künste
mit beigetragen. H!er hob sich bercits mit dem eilften Iahrhunderte
die Neigung für die bildenden Künste. Die Städte beeiferken sich,
durch Errichtung von Kirchen und Glockenthürmen dem Herrscher
Himmels und der Erde ihre Verehrung an den Tag zu legen, sich
felbst ein Denkmal zu setzen und ihren Nacl'kommen Zeichen ihrcc
Größe und ihres Ruhmes zu hintcrlassen. Diesis Bcispiel mochle auch
auf die Dcukschen wirken. Was vor Mem das Vedürsniß nach Werken
Ler Art erzeugke, war dec stäts wachsende Wohlstand, der sich nicht
mehr mit Kleinlichem begnügte, sc! es an cigener Wohnunq oder für
das öffcntliche Leben, füc die Verherrüchung Gottcs oder den Dienst
des gemeinen Wesens. Der Sinn sür das Große, das Riesenhafte
ward dem Rheinländer bereits in dec Wiegc durch Liedec und Sagen
»ingeprägt. Die schönsten der deukschen Sagen, der Siegfried, die Ge-
schichte der Genovefa, viele Sagcn von Karl dem Großen spiele» am
Rheine, fast in unsern Gegenden.

Was aber unter Anderm die frühe Ausbildung eines schöncn kirch-
klchen Baustvles in den preußischen Rheinlandcn nicht wcnig begünsti-
gen mochte, war dec Vorralh eines sehr schöncn, lcicht zu bearbeicen-
den, zur Errichtung von Gewölbcn und zuc Ausarbeilunq gefälüger
Zierathen besonders geeigneten Materials. DieseS Marerial boten zu-
nächst das Brohlthal, die Gegend in dcr Nahe des Laacher-Sees und
dann oie Bruchsteingruben dcS Siebenqebirges. Daö Brohlkhal liefcrke
den Tufstein und däs Siebengebirgs für die Gegenden untcrhalb Bonn
den Trachyt. Während man sich daher in andcren, besondcrS in den
nördlichen Gegenden Deutschlands, mit Backsteincn behelfen mußte,
die einer freiern Eonstruction nicht sehr forderlich sind, hatte man in
den Rheinlandcn die vortrefflichste Wahl. Leidcr fiel diese Wahl aus
Mangel einer mehrhundertjährigcn Erfahrung nicht immer glücklich
aus ünd war unter andern auch fur das Material dcS Dombaues aus
dem dem Rheine zunächst geleqenen Drachcnfelsen in Bezug aus die
Dauer nicht sebr günstig; aber noch schlimmer ginq es den Kirchen,
die ganz aus Tufstein erbaut wurden. Viele davon stürzten bereits zu-
sammen, andere wird man nur mic Mühe und sorgfältiqer Pflcqe
noch einige Jahrhunderte halten können. Dessen unqeachtct haben wir
m den pceußischen Rheinprovinzen Kirchen aus fast allcn Bauxerio-
den, und hätten nicht schreckiiche Kriege, unter andern die EinfLlle der
Normannen, die Stteitiqkeiten unter de.r Sohnen Karl's des Großen,
zwischen Philipp von Schwaben imd Otlo von Brannschweig, der
truchftsslsche^ der dreißigjähriqe und endlich die Vecheerungen dcS letz-
ten französtschen Krieges so fürchterüch qehaus't, so würde es uns viel-
leicht nichk an kirchlichen Denkmalen fehlen, die nahe an die erstcn
Jahrhundecte bec christlichrn Zrit hinaufqehen. Unter öiesen Umstän-
drn müssen wir gegen alles, waS uns in den Rheinlanden von Bau-
Lenkmalen äikec anqegeben wird, als das l l. Jahrhundert, Mißtrauen
hegen, und wenn sich etwas vorsindet, so ist dieseS höchst selten und
meistens Fragment. Die ältesten Kirchen in de» Rheinlanden besitzen
Trier, Köln stnd Aachen. Jn Triec soll sich, nach dem Urtheile eines
sachverständigen Mannes *), dic alte Bafilica, das Wohnhaus dec HAl.
Helena, in dem Dome, wenn auch entstellt und ummauert, erhalten
haben. Aachen selbst hat noch an dem ältern Theile scines Münsters
die von Kaiser Karl crbaute Krönunqskirche bewahrt. Diese Kirche be-
steht qcgenwärrig aus vrrschled-nen Bestandtheilen, abec d!s bedeutmd-
sten Kuiisthistorik-r find darin cinig: das Achteck nack innen oder daS
SechSzehneck nach außen ist die von Karl erbaute Basilica. Leider
ffnd die Nachrichten, die uns über dicseS merkwürdige Gebäude gege-
Len werden, fthc dürstig. Eginhart, im Lrben Karl's deS Großen,
zählt die Kirche zu Aachen, bie Rheinbrücks bei Mainz, die Paläste
zu Ingelheim und Nymwegen untec die vorzüglichsten Gebäude, dic
von Kacl errichtet wurdea **). Er^nennt die Bafilica zn Aachen ein
prachtvolles Werk, das mit Gold, Silber uno sonstigen Kostbackeilen
ausgeschmückt ward. Die Säulen wurden von Rorn und Ravenna
entnommen. Aber auch sonst mußten verschiedene Octe Kostbarkeiten
zum Baue iiesem ***), unter andern Lricc. Der Gipfel des Daches
war mit einem goldenen Apftl geziert, und innerhalb befand si'ch eine
goldene Krone. Äuch der anekdolenreiche Möuch von St. Gallen-f) cr-
zählt nur nebenbei etwas von dem Baue der Basilica zu Aachen, die
-r -inUqni^ ir-mnnnrum priiv^iunttnr nmnt, und wozu Ler Kaiftr
fremde Meister und Künstler jenftit dcs Meercs berufcn habe. Dieft
ftemdcn Äünstler jmftit des Mceres können nuc Griechm ftin l-s).
IioriUo besindet sich in Bctrcff oer Kicche zu Aachen in cinem merk-
würdiqe» Icrtbumc. Derftlbe drückt fich Baud l. S. 37 der Geschichte
dec z-'ichneiiom Künjtc in Deutschland und dm Niederlandm folqcn-

Dieser Mann ist der in der rheüiischen Kunstgeschichte so äußerst bewan-
derte Profegor Moftler in Düfftldorf.

Lßinksrtus vita «t xeslis Osroli msxni.

—) Boisseröe. Fiorillo.

ch) Monuclius rjLUßitllcnsis, lib. l. eap 28.
stf) Operurii gruevi, bei Oobelinus pvrsona

der Maßm aus: Noch jetzt ist die Domkirche zu Aachm ein großes
und majestäkischeS Gebäude. Sis hat, wie fast alle Kathedralcn, zwei
Abschnitte, von dencn der zuerst qebauke von Karl dem Großen ist.
Dec andere Thcil ist ein modcrnes Rondel. Aber gerade dieseS Rondel,
bilUlicn i-utunll-r c!-»r»ii Vlnj-ui in den Nachrichten von dm Krönun-
gen der Kaiftr, !st von Karl dem Großen *). Wunderbar gcnug
gibt Fiorillo ftlbst nach eincr Stelle aus dem monaelni'« trium k„n-
tiuw IN dem mnj;»»!» ckronicui» bcixicniu eine Beschreibung der alten
durch Karl erbauten Domkicche, wclche ganz genau auf die gegenwär-
tig noch siehende paßt.

So lanqe wir dic Geschickte verfolqm können, finden wic immer, daß
die in Aachen von Äarl erbaute Kirche trotz der vielm Verheerungen und
Zerstörungm durch die Normannen, durch Brand, die Rrformations-
kriege, immcr nock stehm gebliebcn**). Wic dücftn uns nicht wun-
dern, wenn wir d!e massive Construclion derselben aus Luadern von
den Mauern zu Verdun berücksichtigen***).

Werftn wir einen Blick auf die in den Rheinprovi'nzen vorhande-
nen Denkmale, so sinden w!r dacunter: 1) solcke, die sich mehr odcc
wmiger an die Muster dcs AlterthumS anscklicßm, H solche, die mehr
den rlimatischen, religiösen und polikischm Verhältnissen des deukschm
BodcnS cntsprossen, uud mdlich solche, welche den Uebcrqang von der
ersten zur zweikm Elasse bilden. Die ersts Claffe !äßt sich am füglick-
sten mit dem Namcn des Rnndbogenstples, die zweite des Spitzbogen-
stnles und die dritte endlich mit dem des Ueberganqsstylcs bezeichncn.
Außer dieftn Classen qidt eS nvch eine vierte, die qegm dic zweile
Häifte des sechszehnten JahrhundertS aus Italien herüber kam, welchc
man den italimischm Baustpl nmnen kann, die aber dock mehr odcr we.
niqer eine Rückkehr zur Bauart der Alten oder des Rundbogenstyles
ist. Die erste Classe umfaßt römische und byzanlinische Bauien, ihnen
folgen der Zeit nach jene des Ucberqangsstyle« vom 1t. bis 13. Jahr-
hundertc, dann di- des ispitzbogmstvles von dec Mitte des 13. Jahr-
hundcrts bis zum Anfange odec zur letzten Hälfte deS 16. Iahchun-
dcrts, endlich jme deS italienischen Styles.

Von römischm Bauten hättm wir einen wücdiqcn Ueberrest an dec
Domkirche zu Trier, der abec in fti'nec qcgenwärtiqen Gestalt nlcht
zum Vorschein kommt; von den byzanlinischen an dem ältecn Theile
des Münsters zu Aachen, von denen deS Uebergsngsstyles ftbc treff-
liche Kirchen in dem Regierunqsbezicke Coblenz, zu Bonn, zu Köln,
in einer eigenen Art an den Kirchen zu Neuß, zu Wecdm, zu Sin-
ziq; von denen des Spitzbogenstyleö das hcrrlichsie Muster an dem
Dome zu Köln, die Abteikirche von Alkenbcrq, die Kirche zu Tsnten
und eine herrliche Ruine bei Bachacach; von denen dcs italimischm
Styles die Kirchen der Jesuitcn in Düffeldorf, Köln, Bonn, Co-
blenz u. s. w.

Was die Würde des Alters für sich hat und sich durch eine Reihe
von Iahrhunderken nicht bloß bewährt, sondern auch stätS die Aus-
merksamkeil und Bewundcrunq der Betrachtmden angezoqm hat, verdimt,
daß wir an demftlben nicht obecflächlich vorbeigehm. Es ist Les denkcnden
Mannes unwücdiq, ohnc weitcre Prüsung zu verwerftn odcr beizube-
halten, und da wir auch gegenwärtig, fceilich nlcht so häusiq wie un-
sere Vocfnhren, das Bcdürfniß fühlen, sür uns und unsere Nachkom-
men Gebäude zu errichten, wo wir dem Herrn Himmcls und der Erde
entweder für empfanqme Wohlthatm tanken odcr in Zeit der Noth
unsece Wünsche geeiqneter darlcgen können, als an jedem andern Orte,
so scheint die Fraqe, ob d!e von unsern Vorfahren zu jenem Zweck«
getroffene Eincichtung auch noch gegcnwärtiq mit Vortheil und zweck-
mäßig angewendet werden könne, odec ob wir zu eincc andern unftre
Zuflucht nehmen müffen, nicht bloß fthr gegründet, sondern auch von
praktischem Nutzen. Zur Ecörterung dieser Frage aber werden wir unS
mit dem Weftn unb dec Entstchung der gedachtm Baustvle und
den Mitteln zu ihrer Ausführung etwas genauer befassen müssen.

Der Baustyl deS classischen Altcrthumes zerfällt im Mgemeinen m
dm gciechischen und in den römischen. Die Anwendung desftlben hat
schon von vorn herein, al« unftrm Klima fremd, große Bedmklichkei-
len. Dieft Brdenklichkeiten werden um so größer, je näher wlr die
Eigmtkümlichkeitm der griechischen Bauart betrachten. Die Säule, der
Architrav und daS flache Dach des grieckischm Tcmpels sind für nn-
ftre Witterung nicht geeignet. Wic haben kein Material, das zu sol-
chen Spannungen, wie die Verhältniffe des griechischen Tempels fle
fordern, geeignet ist. Wir bedürfen einer schnellen Äbleikunq derNässe
durch ein spitzes Dach. Anders stellt sich dec Fall bei der Bauart dcr
Römer, die, wic sie ftlbst in ihcen bürgerlichm Einrichrungen, univer-
ftllcr war und jedem Kiima trotzen konnte. Bei ihncn fanden die
Säulm als Stützen kcine Anwmdung, sie bedurftm keines Architra-
veS; statt beidcr dienle ihnen dic Bogcnstellung. Dennoch nahmen ste
Manches von dcn Griechen an. Sie bedienten stch der Säulen als
bloßer Zierathen und schwächlen so den Eindruck ihrer grandioftn Bau-
wecke. M!t dem Verfalle des guten Geschmackes sank auch die Bau-
kunst, und endlich ging die Geistcsarmuth so weit, daß man, statt
Neucs zu schaffm, sich mit den vorhandenen Ueberrestm des Altecthumes
begnügte und oft aus den heterogensten Bestandkheiien neue Gebäude

*) Rumohr, Jtalienische Ferfchuozeii.

**) Meier's Aachener Chronik.

"**) Fiorillo.
 
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