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Schleif, Hans; Rōmaios, Kōnstantinos Ath; Klaffenbach, Günther ; Rodenwaldt, Gerhart [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches <Berlin> [Hrsg.]
Korkyra: archaische Bauten und Bildwerke (Band 1): Der Artemistempel: Architektur, Dachterrakotten, Inschriften — Berlin: Mann, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.48761#0014
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erhaltenen Teile des Westgiebels aufzudecken. Außerdem wurden Architekturglieder des
Tempels freigelegt. Die Giebelplatten befanden sich in Sturzlage, 0,50 bis 1 m unter der Ober-
fläche; nur an dem Nordende war die deckende Schicht 1,5 m hoch. Hier an der Nordwestecke
wurden vor der Platte mit dem liegenden Toten noch in Sturzlage vier Giebelgeisa und sechs
Teile der marmornen Giebelsima (s. unten S. 35 u. 38) gefunden1. Seine Funde hat Versakis
in den IlpaxTtxa2 veröffentlicht. Die Wiedergewinnung der Bildwerke des Westgiebels ist dieser
amtlichen griechischen Ausgrabung zu verdanken.
Am 12. April erhielt Kaiser Wilhelm II., der im Achilleion weilte, Nachricht von den Funden
und begab sich sogleich an die Ausgrabungsstätte, um alsdann mit lebhaftester Anteilnahme
den Fortgang der Arbeiten täglich zu verfolgen. Dokumente dieser Mitarbeit sind die Tele-
gramme, die der Kaiser, beginnend mit dem 12. April, an die Generaldirektion der Königlichen
Museen in Berlin zur Weitergabe an die Archäologische Gesellschaft und die Museums-
direktoren sandte3. Eine Ergänzung zu dem Bericht von F. Versakis bildet ferner die lebendige
und anschauliche Schilderung, die der Kaiser in seinen „Erinnerungen an Korfu"4 von den
Grabungen gegeben hat. Ihnen sind auch einige Abbildungen beigegeben, die die Teile der
Gorgo unmittelbar nach der Ausgrabung zeigen5. Die Überzeugung von der Bedeutung der
Funde veranlaßte den Kaiser, Wilhelm Dörpfeld, der sich auf einer Institutsreise in Olympia
befand, nach Kerkyra zu berufen; er traf am 18. April dort ein und konnte noch an den letzten
Tagen der griechischen Ausgrabung seine Hilfe zur Verfügung stellen.
Vom 21. bis zum 25. April ruhte die Arbeit wegen des griechischen Osterfestes. Während dieser
Zeit entschloß sich die griechische Regierung, Kaiser Wilhelm II. das Recht zu erteilen, die
Ausgrabung fortzusetzen. Eine aus den Herren V. Stais, J. N. Svoronos und Chr. Tsuntas
bestehende Kommission stellte zusammen mit F. Versakis und W. Dörpfeld die praktischen
Bedingungen der Grabung fest. Die Leitung der nunmehr deutschen Ausgrabung wurde von
dem Kaiser W. Dörpfeld übertragen, der sich zur Unterstützung den bewährten Aufseher
Paraskevopulos und den Architekten P. Sursos kommen ließ und die Fortführung der Gra-
bungen am 26. April begann. Dörpfeld zog zunächst einen etwa 90 m langen und 2 m breiten
Graben rechtwinklig zu der Sturzlage des Giebels. Im Gegensatz zu den Giebelplatten, die ein
glückliches Geschick vor der Verwendung als Baumaterial bewahrt hatte, zeigte sich, daß von
dem Tempel selbst nur geringe Reste erhalten waren. Zum Teil waren nur die Fundament-
gräben zu erkennen. Dörpfelds Meisterschaft im Ausgraben bewährte sich auch hier in der An-
passung an den Gegenstand und seine Lage. Er erkannte alsbald in den schon vorher aufge-
deckten Steinreihen hinter den Giebelskulpturen die Träger für die Fußbodenplatten der west-
lichen Peristasis, sicherte dadurch die Lage des Tempels und konnte im Laufe von vier Wochen
die wesentliche Gestalt des Grundrisses feststellen sowie den Altar mit dem zu ihm führenden
Pflasterwege aufdecken6. Vorübergehend war G. Karo bei der Ausgrabung anwesend. Als Assi-
stent war vom 8. Mai ab G. Rodenwaldt tätig. Kurz darauf trat als ständiger Mitarbeiter
W. Dörpfeld der neu ernannte Ephoros K. A. Rhomaios zur Seite, der an allen Grabungen bis
zum Jahre 1914 teilgenommen und im Jahre 1920 die Ausgrabung des Tempels vollendet hat.
1 Vgl. Telegramm VI (s. unten Anm. 3) des Kaisers vom 20. April.
2 A. O. 164ff. Für die Abbildungen standen ihm die unter meiner Aufsicht von R. Rohrer hergestellten Photographien zur Verfügung,
die in dem kleinen Museumsraum, der auf einem schrägen Gerüst die Skulpturen aufnahm, unter schwierigen Umständen ausgeführt
wurden.
3 Sie wurden von der Arch. Gesellschaft für ihre Mitglieder gedruckt. Es sind von der Kampagne 1911 sieben Telegramme (I—VII)
vom 12., 13., 14., 15., 19., 20. und 28. April.
4 Berlin u. Leipzig 1924, 78ff. Daran knüpfen an die „Studien zur Gorgo“ von Kaiser Wilhelm II., Berlin 1936.
5 A. O. Abb. 12 u. 19. Weitere Grabungsaufnahmen bei Th. Zell, Wie ist die auf Korfu gefundene Gorgo zu vervollständigen?,
Berlin 1912, Titelbild und Taf. VII, und bei O. Liman, Korfu, Der Kaisersitz im Mittelmeer, Berlin 1914, 40ff., mir nur durch ein
Korrekturexemplar in der Bibliothek der Berliner Museen bekannt. Aquarelle, die während der Ausgrabung von Angelos Gialinäs
gemalt wurden, befinden sich im Museum zu Kerkyra.
6 Über die Grabungen von 1911 berichtete G. Karo im AA. 1911, 135ff.

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