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Schleif, Hans; Rōmaios, Kōnstantinos Ath; Klaffenbach, Günther ; Rodenwaldt, Gerhart [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches <Berlin> [Hrsg.]
Korkyra: archaische Bauten und Bildwerke (Band 1): Der Artemistempel: Architektur, Dachterrakotten, Inschriften — Berlin: Mann, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.48761#0080
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KAPITELL

Eine ausführliche Betrachtung verdient das Kapitell.
Man hat sich mit Recht daran gewöhnt, in den Formen eines Kapitells die sicherste Handhabe
zur relativen Datierung des dazugehörigen Baues zu besitzen. Dies wird zwar bei dem Kapitell
des Artemistempels in Korkyra durch die ungewöhnliche und nur in Korkyra ausgebildete Ver-
zierung des Kapitellhalses erschwert, aber andererseits sind von verschiedenen Plätzen Korkyras
zufällig gerade besonders viele Kapitelle von der hocharchaischen bis zur klassischen Zeit
erhalten, die eine lückenlose und folgerichtige Entwicklung zum kanonischen Kapitell der
klassischen Zeit erkennen lassen.
Xenvareskapitell
Solange nur das Xenvareskapitell (Nr. I)1 bekannt war, lag es nahe, in ihm eine Variante der
„achäischen“ Kapitellform von Pästum zu sehen (Puchstein, Das jonische Kapitell 48f.
Abb. 39). Das ist jetzt angesichts der selbständigen Weiterentwicklung der Form von Korkyra
nicht mehr möglich, sondern man wird vielleicht sagen dürfen, daß die gemeinsame Wurzel
beider Formen auf dem halben Wege zurück zwischen ihnen und dem mykenischen
Kapitell hegen muß.
Die bisher bekannte Zeichnung vom Kapitell des Xenvares (a.O. Abb. 39, von J. Durm,
Baukunst der Griechen in Abb. 226 übernommen) hatte R. Koldewey nach Skizzen anderer
angefertigt, ohne das Original gesehen und gemessen zu haben. Dabei sind einige Ungenauig-
keiten unvermeidlich gewesen, die für den Gesamteindruck wichtig sind, weil sie den Abstand
von den Kapitellen in Pästum weiter vergrößern (Abb. 60 und Taf. 19a).
Die Echinusausladung beginnt genau waagerecht und über dem Blattkranz, das heißt 1 cm
höher als der höchste Punkt der Blattkehle, und wölbt sich korbförmig nach oben. Die letzten
20 mm der Profilkurve laufen steil, aber nicht genau vertikal nach oben. Genaue Messungen
in der Mitte der vier Seiten (Abb. 60) ergeben, daß die Kurve nicht ringsum gleichförmig ist,
grundsätzlich jedoch etwas nach innen eingezogen ist. Der Abakus liegt nicht genau zentrisch
über dem Echinus: an der Seite rechts von der Inschrift steht er 1% mm über, während auf
der Rückseite der hier besonders rundliche Echinus 2 mm vortritt. Nur an der Inschriftseite,
der eigentlichen Front, liegt der äußerste Punkt, an dem die Echinuskurve zu der hier 1 mm
tiefen Einziehung umkehrt, genau in der Flucht der Abakusstirn.
5 bis 7 mm unter dem Abakus ist die weiche Profilkurve des Echinus mit einer scharfen Kante
beendet. Hier ist durch eine starke gerade Abschrägung nach innen eine breite Trennlinie
zwischen Abakus und Echinus gezogen. Diese in den Maßen unbedeutende Abschrägung darf
nicht als ,, Schulter“ zum Echinus gezählt werden, wozu man sich durch das klassische dorische
Kapitell leicht verleiten läßt. Dessen beträchtlich eingezogener Schulter entspricht vielmehr
am Xenvareskapitell die ganz geringe Einziehung von 1 bis 2 mm vom Umkehrpunkt der
Profillinie bis zu der scharfen Kante. Diese soll, wie an der perspektivischen Photographie
besser als an der Profilzeichnung zu erkennen ist, eine 6 mm dicke, durch Schatten Wirkung
noch betonte Grenzlinie zwischen dem runden Echinus und dem quadratischen Abakus bilden,
die an den Stellen, wo der Echinus die vier senkrechten Abakusebenen tangiert, die Trennung
1 Puchstein, Das jonische Kapitell, 47. BWPr. (1887), 47ff., Abb.39. Bernh. Schmidt, Kork. Stud. 48. F. Noack, Jdl. 11, 1896, 229 f.
EA. 612 (1897). I. G. IX 1, 179 Nr. 869 (Dittenberger, 1897). Perrot-Chipiez VII 435, Taf. 26 (1898). E. Fiechter in Furtwängler,
Aegina (1906) 27. J. Durm, Baukunst der Griechen3 (1910) 255. M. Collignon, Les stat. funer. (1911) 38. A. Frickenhaus, Tirvns I
(1912) 8ff. Abb. 11. A. Wilhelm, Z. f. österr. Gymn. 1913, 601ff. Nr. 28. W. Wilberg, ÖJh. 19/20, 1919, 107ff. C. Weickert, Typen
d. arch. Architektur (1929), 48. F. P. Johnson, AJA. 40, 1936, 49. Rodenwaldt, Kunst der Antike3 1938, 173. Rodenwaldt, Altdor.
Bildw. in Korfu, Taf. 1. Vgl. Band II195.
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