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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0140
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teil des Königreichs Württemberg.6'13Aus der katholischen und selbstherrlich regierenden
Reichsstadt mit eigener Gerichtsbarkeit und nur dem Kaiser untertan, wurde eine von evan-
gelischen Beamten verwaltete Oberamtsstadt.
Gmünd war um 1800 politisch und wirtschaftlich am Ende. Dominikus Debler schrieb 1799
in seiner „Chronica“: Handel und Wandel stehet ganz still, Geld ist rar und alles sehr tot.™
Und der damalige Stadtarzt in Schwäbisch Gmünd Franz Joseph Werfer meinte in seinem
„Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd“ vierzehn Jahre später: Leider
aber ist der Handel mit diesen Artickeln (Werfer sprach zuvor von allen Gattungen von Bi-
jouterie6'15 und Filigranartickelri) äußerst gesunken, und seit vielen Jahren so unbedeutend,
daß nur wenige unsrer Goldschmiede, und diese nur zu Zeiten einige Arbeit und Beschäfti-
gung, und folglich wenig und seltenen Verdienst haben; und der immer sinkende Wohl-
stand und die stets mehr zunehmende Nahrungslosigkeit, zunächst unserer Manufakturisten
(Handwerker), von wo aus sich die traurigen Folgen dann auf alle übrige Klassen der Ein-
wohner erstrecken und verbreiten, werden täglich sichtbarer und drückender, wie die jähr-
lich sich mindernde Zahl sonst steur- und zahlbarer Bürger, und die wachsende Mehrheit
der Armen und Mittellosen sprechende Beweise sind.616
Bereits Mitte November 1802 waren die neuen Landesherren durch Beschlüsse der Reichs-
deputation ermächtigt worden, die ihnen zugeteilten Gebiete, als Entschädigung für die an
Frankreich abgetretenen Areale, in Besitz zu nehmen. Als Termin wurde der 23. November
festgesetzt, an dem der Regierungsrat Karl Graf von Reischach in vier Städten (Ellwangen,
Aalen, Gmünd und Hall mit Comburg) den „Besitzergreifungsakt“ durchführen sollte. Der
Umfang der Tätigkeiten machte es jedoch erforderlich, daß ihm der Rentkammer-Rat Jo-
hann Friedrich Bernritter für die Reichsstädte Aalen und Gmünd zur Seite gestellt wurde.673 674 675 676 677
Am 27. November 1802 verlas Bernritter in Gmünd das herzogliche Patent für die CivilBe-
sizErgreiffung und ließ die Angehörigen des Magistrats Handtreue an Aides stadt schwö-
ren.678 679 Zwei Tage später schrieb Bernritter an den Herzog von Württemberg, daß er bei der
Überprüfung der bisherigen Stadtverwaltung feststellen mußte, in welch zerrüttetem Zu-
stand sich das Oekonomie- und Rechnungswesen bey dieser Stadt, dem ich nun in allen sei-
nen Teilen näher auf den Grund zu sehen mir angelegen seyn lassen werde, befindet.™ Es
zeigte sich, daß das in den Kassen vorhandene Bargeld von 5505 fl 27 x680 einem Schulden-
berg von 1 028 762 fl gegenüberstand681. Bernritter erhielt kurze Zeit später die Anweisung
aus Stuttgart, den unglaublich zerrütteten Zustand des oeconomie- und Rechnungs-wesens
der Stadt Gmünd (. . .) genau zu untersuchen, um womöglich auf den Grund dieser herr-
schenden unverantwortlichen Nachläsigkeit oder Treulosigkeit zu kommen.682
Aus dem Jahre 1803 findet sich im Staatsarchiv Ludwigsburg ein anonymes handschriftli-

673 LAURENTZSCH 1984, S. 306.
674 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 5/2, S. 551.
675 Der Begriff „Bijouterie“ wird in Gmünd erstmals in der Zeit der französischen Besatzung gebräuchlich und
meinte ursprünglich alle Arten von Gold-, Silber-, Semilor- und Tombakarbeiten. Im 19. Jahrhundert verstand
man darunter serienmäßig hergestellten Schmuck, häufig aus unedlem Material.
676 Franz Joseph WERFER: Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd. Schwäbisch Gmünd
1813, S. 92.
677 LAURENTZSCH 1984, S. 305.
678 (StA LB) Bü D 1, 997. Schreiben Bernritters an den Herzog von Württemberg vom 29. November 1802.
679 Ebd.
680 Ebd.
681 LAURENTZSCH 1984, S. 306.
682 (StA LB) Bü 1 D 997. Schreiben vom 1. Dezember 1802.

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