Guillochiermaschine angeschafft werden, um nicht alle Arbeiten, die das Guillochieren688
erfordern, hiezu mit Kosten aufwärts verschicken zu müssen. Dies würde höchstens einen
Aufwand von 1500 bis 2000 fl erfordern, der sich vielleicht schon an sich durch eine mäßi-
ge — vom jedesmaligen Gebrauch der Maschine zu reichenden Abgabe verinteressieren
dörfte, der Vortheile nicht zu gedencken, welche der beträchtlichen Klasse dieser sämtli-
chen Arbeiter und folglich mittelbarerweise immer auch dem Staat selbst zugehen würde.689
An dieser Ausführung läßt sich erkennen, daß die Goldschmiede beziehungsweise das Gold-
schmiedemittel sich immer strikt den technischen Innovationen verschlossen hatten, daß sie
aber nicht umhin kamen, trotzdem die Neuerungen zu nutzen. Anstatt sich den Entwicklun-
gen offen zu zeigen und vielleicht diesbezüglich eine Vorreiterrolle einzunehmen, vergab
man die nur mit Maschineneinsatz zu realisierenden Arbeiten nach auswärts und bezahlte
dafür die dafür anfallenden hohen Kosten. Die Vorstellung des württembergischen Beamten
beziehungsweise die allgemeine Kritik der Beamten an der Wirtschaftsführung in Gmünd
stieß sowohl bei der ehemaligen Obrigkeit als auch beim Mittel auf Unverständnis und Ab-
lehnung. Dabei könnte es auch eine Rolle gespielt haben, daß die Ideen und Kritiken von ei-
ner als unliebsam empfundenen, aufoktroyierten Macht formuliert wurden, die für die
Gmünder sicher einen ,besserwisserischen4 und auch bevormundenden Beigeschmack hat-
ten.
Gerade die Forderungen nach Rationalisierung und nach Steigerung der Effektivität in der
Goldschmiedebranche kam einer generellen Infragestellung der Gmünder Ökonomie gleich
und wurde deshalb vehement abgelehnt. So schrieb zum Beispiel Dominikus Debler in sei-
ner „Chronica“ über die Mechanisierung im Gewerbe - und mit seiner Meinung identifizier-
te sich wohl die Mehrheit der Gmünder Handwerker: Betrachte die viel Maschinen, was für
ein Aufwand! und was für ein Nutzen. Sie ist der Ruin ganzer Familien, ganzer Städte und
Dörfer. Die Maschin' ist in einer reichen Hand, sie verfertiget von 10, 15, 20 und mehrer
Händ die Arbeit mit 2 bis 3 Händ. Die Waren werden mehr verfertiget, sie kommt wohlfei-
ler, man gibt auch wohlfeiler ab und das Facit ist: Alle Arbeiter stehen still ohne Arbeit,
weil die Maschine arbeitet, sie zehren sich auf und werden Bettler. Das sind Folgen der
neuen Erfindung 690 Debler verschloß in seiner Aussage die Augen vor der Realität: Er
glaubte, daß mit der Maschinenproduktion die Produktionsmittel allein in der Hand weniger
reicher Fabrikanten monopolisiert würden und dadurch der Arbeiter ,unfrei1, angewiesen auf
den Besitzer der Produktionsmittel, werde. Die Mehrzahl der Goldschmiede war bereits seit
der Mitte des 18. Jahrhundert, obwohl sie über die Produktionsmittel verfügten, von den
Kauf- und Handelsleuten vollständig abhängig, die sie mit Aufträgen und Rohstoffen ver-
sorgten und den Absatz organisierten. Das Bild von dem Goldschmied, der in seiner Werk-
688 Als Guillochieren bezeichnet man die Herstellung einer aus feinen oder starken, in bestimmter Weise regel-
mäßig verschlungenen Linien bestehenden Verzierung. Die „Guillochiermaschine“, die diese Linien mit einer
geführten Grabstichelspitze ausführt, ist entweder eine Drehbank, welche auch zum Runddrehen eines Gegen-
standes gebraucht werden kann oder eine Maschine im eigentlichen Sinne, die nur für diesen speziellen
Zweck dient. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich die ersten Guillochiermaschinen entwickelt,
während sich einfache Guillochiertechniken bis in die Keltenzeit zurückverfolgen lassen. Im 19. Jahrhundert
verzierte man v. a. Dosen, Uhrendeckeln, Gefäßwandungen und andere glatte Flächen in der Guillochiertech-
nik.
Vgl. (Hrsg.) Erwin EICHLER: Rudolf Freiherr von Kulmer‘s Handbuch für Gold- und Silberarbeiter und Ju-
weliere. 2., verbesserte Auflage Weimar 1887, S. 120.
RICHTER 1983, S. 240 f.
689 (StA LB) Bü 2 D 24.
690 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 1/1, S. 31.
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erfordern, hiezu mit Kosten aufwärts verschicken zu müssen. Dies würde höchstens einen
Aufwand von 1500 bis 2000 fl erfordern, der sich vielleicht schon an sich durch eine mäßi-
ge — vom jedesmaligen Gebrauch der Maschine zu reichenden Abgabe verinteressieren
dörfte, der Vortheile nicht zu gedencken, welche der beträchtlichen Klasse dieser sämtli-
chen Arbeiter und folglich mittelbarerweise immer auch dem Staat selbst zugehen würde.689
An dieser Ausführung läßt sich erkennen, daß die Goldschmiede beziehungsweise das Gold-
schmiedemittel sich immer strikt den technischen Innovationen verschlossen hatten, daß sie
aber nicht umhin kamen, trotzdem die Neuerungen zu nutzen. Anstatt sich den Entwicklun-
gen offen zu zeigen und vielleicht diesbezüglich eine Vorreiterrolle einzunehmen, vergab
man die nur mit Maschineneinsatz zu realisierenden Arbeiten nach auswärts und bezahlte
dafür die dafür anfallenden hohen Kosten. Die Vorstellung des württembergischen Beamten
beziehungsweise die allgemeine Kritik der Beamten an der Wirtschaftsführung in Gmünd
stieß sowohl bei der ehemaligen Obrigkeit als auch beim Mittel auf Unverständnis und Ab-
lehnung. Dabei könnte es auch eine Rolle gespielt haben, daß die Ideen und Kritiken von ei-
ner als unliebsam empfundenen, aufoktroyierten Macht formuliert wurden, die für die
Gmünder sicher einen ,besserwisserischen4 und auch bevormundenden Beigeschmack hat-
ten.
Gerade die Forderungen nach Rationalisierung und nach Steigerung der Effektivität in der
Goldschmiedebranche kam einer generellen Infragestellung der Gmünder Ökonomie gleich
und wurde deshalb vehement abgelehnt. So schrieb zum Beispiel Dominikus Debler in sei-
ner „Chronica“ über die Mechanisierung im Gewerbe - und mit seiner Meinung identifizier-
te sich wohl die Mehrheit der Gmünder Handwerker: Betrachte die viel Maschinen, was für
ein Aufwand! und was für ein Nutzen. Sie ist der Ruin ganzer Familien, ganzer Städte und
Dörfer. Die Maschin' ist in einer reichen Hand, sie verfertiget von 10, 15, 20 und mehrer
Händ die Arbeit mit 2 bis 3 Händ. Die Waren werden mehr verfertiget, sie kommt wohlfei-
ler, man gibt auch wohlfeiler ab und das Facit ist: Alle Arbeiter stehen still ohne Arbeit,
weil die Maschine arbeitet, sie zehren sich auf und werden Bettler. Das sind Folgen der
neuen Erfindung 690 Debler verschloß in seiner Aussage die Augen vor der Realität: Er
glaubte, daß mit der Maschinenproduktion die Produktionsmittel allein in der Hand weniger
reicher Fabrikanten monopolisiert würden und dadurch der Arbeiter ,unfrei1, angewiesen auf
den Besitzer der Produktionsmittel, werde. Die Mehrzahl der Goldschmiede war bereits seit
der Mitte des 18. Jahrhundert, obwohl sie über die Produktionsmittel verfügten, von den
Kauf- und Handelsleuten vollständig abhängig, die sie mit Aufträgen und Rohstoffen ver-
sorgten und den Absatz organisierten. Das Bild von dem Goldschmied, der in seiner Werk-
688 Als Guillochieren bezeichnet man die Herstellung einer aus feinen oder starken, in bestimmter Weise regel-
mäßig verschlungenen Linien bestehenden Verzierung. Die „Guillochiermaschine“, die diese Linien mit einer
geführten Grabstichelspitze ausführt, ist entweder eine Drehbank, welche auch zum Runddrehen eines Gegen-
standes gebraucht werden kann oder eine Maschine im eigentlichen Sinne, die nur für diesen speziellen
Zweck dient. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich die ersten Guillochiermaschinen entwickelt,
während sich einfache Guillochiertechniken bis in die Keltenzeit zurückverfolgen lassen. Im 19. Jahrhundert
verzierte man v. a. Dosen, Uhrendeckeln, Gefäßwandungen und andere glatte Flächen in der Guillochiertech-
nik.
Vgl. (Hrsg.) Erwin EICHLER: Rudolf Freiherr von Kulmer‘s Handbuch für Gold- und Silberarbeiter und Ju-
weliere. 2., verbesserte Auflage Weimar 1887, S. 120.
RICHTER 1983, S. 240 f.
689 (StA LB) Bü 2 D 24.
690 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 1/1, S. 31.
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