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Forschungsgeschichtliche Einordnung, Begriffsbildung
und wissenschaftstheoretische Standortbestimmung

Der Gegenstand dieser Arbeit erscheint auf den ersten Blick
sehr konkret: Es geht um bestimmte Facetten der kulturellen
Entwicklung in einem klar definierten Gebiet während eines
fest umrissenen Zeitraums. Dieser erste Eindruck täuscht:
Konkret und objektiv sind lediglich die vorliegenden archäo-
logischen (Funde und Befunde) und naturwissenschaftlichen
(pflanzlichen, mineralischen, tierischen und menschlichen)
Überreste, also jene Quellen, die unmittelbar von den zu
untersuchenden Zuständen und Prozessen übriggeblieben
sind4. Dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand, dessen
historische Realität vorausgesetzt wird, können wir uns je-
doch nur mit Hilfe abstrakter Konstruktionen (z. B. Eisen-
zeit, Römerzeit, Kulturwandel, Siedlungsgefüge etc.) annä-
hern, die sich nicht aus sich selbst erklären, sondern vor dem
Hintergrund ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Entstehung
betrachtet werden müssen.
Thematik, Ziel und Methodik der Arbeit zeichnen sich so-
mit durch ihr Eingebundensein in wissenschaftsgeschichtlich
gewachsene und wissenschaftssoziologisch bedingte Erörte-

rungszusammenhänge aus. Es kann hier nicht darum gehen,
alle diesbezüglich wirksamen Faktoren zu behandeln. Viel-
mehr werden wir uns im folgenden zur Bestimmung des ei-
genen methodischen und theoretischen Standortes auf einige
zentrale Aspekte beschränken:
Zunächst soll eine knappe Darstellung der Geschichte und
des Standes der Eisenzeit- und Romanisierungsforschung in
der Untersuchungsregion und den unmittelbar angrenzenden
Gebieten erfolgen. Anschließend werden die neuere Theorie-
diskussion in der Prähistorischen Archäologie Großbritan-
niens und ihre Auswirkungen auf die nordwesteuropäische
Romanisierungsforschung in den wesentlichen Grundzügen
skizziert. Dann werden verschiedene Modelle und Theorien
zum Kulturwandel umrissen, die in den vergangenen Jahr-
zehnten in den anthropologischen bzw. kulturwissenschaft-
lichen Fächern entwickelt und in der Archäologie rezipiert
wurden. Vor diesem Hintergrund wird abschließend der wis-
senschaftstheoretische Ansatz der Untersuchung formuliert.

GESCHICHTE UND STAND DER ERFORSCHUNG DES EISENZEITLICHEN UND
FRÜHRÖMISCHEN KULTURWANDELS IM UNTERSUCHUNGSGEBIET

Die Geschichte der archäologischen Erforschung der süd-
westlichen Eifel ist insbesondere mit dem Namen J. Stein-
hausen verbunden. Steinhausen hat 1932 einen Katalog al-
ler ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen im Bereich des
Halbblattes Trier-Mettendorf der Deutschen Reichskarte
1 : 100 000 vorgelegt. Dieses Werk entsprach einer Landes-
aufnahme und war methodisch richtungsweisend. 1936 folg-
te der voluminöse. Auswertungsband, in dem Steinhausen mit
bewundernswerter Orts- und Sachkenntnis eine siedlungs-
archäologische Interpretation der Quellen vornahm. Sein
Interesse galt primär der römischen Zeit, insbesondere der
Altstraßenforschung.

Die Eisenzeitforschung machte erst seit den späten 1930er
Jahren mit der Einstellung W. Dehns am Landesmuseum
Trier wesentliche Fortschritte. Er untersuchte nicht nur ver-
schiedene eisenzeitliche Befestigungen, sondern grub auch

4 Die meisten archäologischen Befunde stellen streng genommen nur bis
zu ihrer Zerstörung bzw. Entdeckung „Überreste“ dar. Häufig werden die-
se Überreste unbeobachtet zerstört, günstigerenfalls dokumentiert. Bereits
durch ihre Auswahl, Dokumentation und Datierung werden sie mit subjek-
tiver Bedeutung beladen.
 
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