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Archäologische Chronologie

Unabdingbare Voraussetzung für die Erforschung des kul-
turellen Wandels im oben definierten geographischen und
zeitlichen Raum ist eine zuverlässige Chronologie, die eine
möglichst präzise relative und absolute Datierung der archäo-
logischen Quellen erlaubt. Es kann und soll nicht Ziel der
vorliegenden Arbeit sein, ein neues archäologisches Chro-
nologieschema für die Eisen- und Römerzeit des Mosel-
Eifel-Raums zu erarbeiten: Weder das Quellenmaterial aus
Wallendorf, noch das der Untersuchungsregion bieten dafür
eine geeignete Grundlage. Allerdings wird es mit Hilfe eini-
ger Beobachtungen zu Fundvergesellschaftungen und durch
eine größere Zahl naturwissenschaftlicher Datierungen aus
Wallendorf möglich sein, existierende Chronologiesysteme
in einzelnen Aspekten zu überprüfen und gegebenenfalls zu
präzisieren. Die Arbeit wird somit quasi als Nebenprodukt
auch einen Beitrag zur Chronologiediskussion, insbesondere
der Eisenzeit, leisten.
Zunächst müssen jedoch die zu untersuchenden Quellen
im Sinne eines deduktiven Vorgehens datiert werden. Im fol-
genden wird einerseits zu klären sein, bis zu welchem Grad
und mit welcher Präzision sich die archäologischen Quellen
der Untersuchungsregion relativ- und absolutchronologisch
datieren lassen. Insbesondere für die vorrömische Zeit ist
andererseits eine Synchronisation des regionalen Chronolo-
giesystems mit denen benachbarter Regionen bzw. mit der
überregionalen Chronologie erforderlich. Erst durch die for-
menkundliche Definition der überregionalen Chronologiestu-
fen wird es möglich, die an verschiedenen archäologischen
Fundplätzen und in verschiedenen Regionen gemachten Be-
obachtungen zum kulturellen Wandel miteinander in Bezie-
hung zu setzen.
Versuche, die archäologischen Quellen mit schrifthisto-
risch überlieferten Phänomenen, etwa den Nachrichten grie-
chischer und römischer Historiker zur keltischen Wanderung
oder Caesars ethnographischen und ereignishistorischen An-
gaben zum Gallischen Krieg, zu verknüpfen, sind a priori an
eine hochauflösende und unabhängige archäologische Abso-
lutchronologie gebunden. Andernfalls besteht die Gefahr von
Zirkelschlüssen (vgl. S. 97 ff.).
Die folgenden Erörterungen zur Chronologie mögen an-
gesichts der eigentlichen Thematik der vorliegenden Arbeit

unverhältnismäßig ausführlich und umfangreich erscheinen.
Mancher Leser mag sich fragen, ob es nicht ausreichend
wäre, die bestehenden chronologischen Systeme und Daten
einfach zu übernehmen. In Anbetracht der in den letzten Jah-
ren sehr scharf und kontrovers geführten Diskussion um die
relative und absolute Chronologie der Eisenzeit, die gut 80 %
des hier zu untersuchenden Zeitraums ausmacht, ist dies aber
unmöglich.
Sehr unterschiedliche Ansichten werden in der Forschung
seit den 1960er Jahren zur absoluten und relativen Chronolo-
gie der Stufen Ha D und Lt A vertreten. Obwohl sich die ins-
besondere von F. Fischer352 und Haffner353 vertretene These
einer „langen Chronologie“ für Ha D und eines Nacheinander
der Stufen Ha D3 und Lt A auch auf dem internationalen Par-
kett in den 1980er Jahren weitgehend durchsetzen konnte354,
wird das von H. Zürn355, H.-P. Uenze356 und L. Pauli357 ent-
wickelte Modell eines Synchronismus von Ha D3 und Lt A
von Teilen der Forschung nach wie vor vertreten358. Nachdem
sich die z. T. emotional geführte Kontroverse in den 1980er
Jahren festgefahren hatte, und man sich resignierend an den
Zustand zu gewöhnen begann, daß etwa die Lehrmeinungen
zur Datierung des Endes der Heuneburg zwischen ca. 450 v.
Chr.359 und 400 v. Chr.360 schwankten, hat sich die Chronolo-
giediskussion in jüngster Zeit erneut entfacht. Während die
Verfechter der Synchronismus-These unverändert an ihren
niedrigen Zeitansätzen festhalten, propagiert die Gegenpo-
sition, gestützt auf neue dendrochronologische und archäo-
logisch-historische Daten, inzwischen einen noch höheren
Zeitansatz für das überregionale Ende der Späthallstattzeit
um 500 v. Chr.361.

352 Fischer 1984.
353 Haffner 1972.
354 Vgl. zusammenfassend: Kaenel 1990, 209 ff.
355 H. Zürn, Germania 30, 1952, 38 ff.
356 Uenze 1972.
357 Pauli 1972; ders. 1978, 413 ff.
358 z.B. Gersbach 1996, 135ff.; Hopert 1996, 162 f.; Pauli 1993, 155ff.
359 z. B. Fischer 1982, Abb. 3.
360 Gersbach 1981.
361 Friedrich/Hennig 1995; Möller 2000; Vorlauf 1997.
 
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