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RELATIVCHRONOLOGISCHE GLIEDERUNG DER SPÄTHALLSTATT- UND FRÜHLATENEZEIT

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Späthallstatt II“ bzw. seines überregionalen Horizonts 7a des
nordwestalpinen Hallstattkreises an. Es ist jedoch zu berück-
sichtigen, daß der frühe „Paukenfibelhorizont“ in einigen Re-
gionen des nordwestalpinen Kreises kaum ausgeprägt ist403.
Sievers setzt auch die gegossenen Paukenfibeln mit ge-
radem Fuß in die Stufe Ha D2, wobei sie aber auf den ge-
genüber den getriebenen Varianten späteren Schwerpunkt in
Heuneburg-Periode Illa hinweist404. Parzinger konnte eine
entsprechende zeitliche Abfolge an den Grabfunden Nord-
württembergs mit Hilfe kombinationsstatistischer Verfahren
nachweisen405.
Gegossene Paukenfibeln bleiben auch noch in der nachfol-
genden Stufe Ha D3 (entspricht etwa Heuneburg-Perioden
II und I) in Benutzung. Entscheidend für den Beginn dieser
Stufe ist nach Sievers das Aufkommen von Fibeln mit ein-
gestifteter Fußzier406. Anhand der Grabfunde Nordwürttem-
bergs konnte Parzinger eine Zweiteilung des Horizontes der
Fußzierfibeln vornehmen (Abb. 28)407.
Wie oben bereits erwähnt, herrscht in der Forschung heute
die Ansicht vor, daß die Stufe Ha D3 als überregionale Er-
scheinung der Frühlatenezeit vorausging. Somit kann zwar
die These einer sich über mehrere Generationen erstrecken-
den Koexistenz von späthallstättischer Kultur in Baden-
Württemberg und Frühlatenekultur zwischen Mittelrhein und
Champagne als widerlegt gelten, die Annahme einer schar-
fen, überregional synchronen Zäsur zwischen Ha D3 und Et
A erscheint aber ebenso unberechtigt.
Der Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatenezeit im
Raum zwischen Mittelrhein und Champagne darf als allmähli-
cher Wandel interpretiert werden, wobei es keineswegs wahr-
scheinlich ist, daß alle Elemente, die wir als besonders cha-
rakteristisch für die früheste Latenezeit ansehen, gleichzeitig
aufgetreten sind408. Die Genese der Frühlatenekultur hat sich
offensichtlich auch in vielen Regionen südlich und südöstlich
von HEK und Aisne-Marne-Kultur kontinuierlicher vollzo-
gen als lange Zeit angenommen. In diesem Zusammenhang
sei lediglich auf den Fundkomplex von Eberdingen-Hoch-
dorf409 und auf die Nekropole von Ihringen-Gündlingen hin-
gewiesen410.
Obwohl es inzwischen nicht nur in der HEK, sondern auch
in Rheinhessen, der Pfalz und Lothringen411, der Aisne-Mar-
ne-Kultur412, der Schweiz413 und Böhmen414 gelungen ist, die
Stufe Lt A in zwei oder drei Phasen zu gliedern, ist ihre Un-
terteilung auf überregionaler Ebene nach wie vor problema-
tisch.
Eine Dreiteilung der Stufe Lt A hat Parzinger vorgeschla-
gen (Abb. 26; 28): Erste Frühlateneelemente415 sollen im Mit-
telrhein- und Hunsrück-Eifel-Raum bereits in Horizont 8b
auftreten. Überregional falle der Beginn der Frühlatenekultur
aber erst in Horizont 94'6. Lt A-zeitliches Formengut soll sich
dann im gesamten nordwestalpinen Kreis bis in Horizont 10
gehalten haben417.
Parzinger postuliert somit einen kulturellen Vorsprung der

403Für Burgund: Chaume 1997, 191 f.
404 Sievers 1984, 24 ff.
405 Parzinger 1989, 53 ff. - Er unterteilte den Paukenfibelhorizont in
Nord Württemberg deshalb in die ältere Stufe SHa II und die jüngere Stufe
SHa III (= Zeithorizont 7b des nordwestalpinen Kreises), wobei letztere
durch gegossene Paukenfibeln mit Armbrustkonstruktion und beidseitig
kurzer Spirale sowie durch Kniefibeln gekennzeichnet sei.
406Sievers 1984, 30. - Als Leitformen für Ha D3 dürfen Doppelpauken-
fibeln (bzw. Paukenfibeln mit Fußzier), Fibeln mit Fußpauke und Fußzier-
fibeln, Tierkopffibeln und andere Formen mit auf- oder zurückgebogenem
Fußende gelten.
407 Parzinger 1989, 85 ff. - Regionalstufen Nordwürttemberg IV (= Zeit-
horizont 7c des nordwestalpinen Kreises) und V (= Zeithorizont 8a des
nordwestalpinen Kreises). Als Leitformen der Stufe V führt er Spitzpau-
kenfibeln sowie späte Fußzierfibeln mit beidseitig langer Spirale und teller-
öder schälchenförmigen Fußzier an.
408 Das Wagengrab 3 von Mülheim-Kärlich (Joachim 1979, 516 ff.)
führt eindringlich vor Augen, daß zum Zeitpunkt der Bestattung bereits
Frühlateneschwerter mit umgekehrt-omegaförmigem Ortband in Gebrauch
waren, gleichzeitig aber noch späthallstättische Fibeln getragen wurden.
Das bekannte Reiterblech (ebd. Abb. 10) aus diesem Grab ist sehr natura-
listisch gestaltet und zeigt keine für die Latenekunst typischen Merkmale.
Wahrscheinlich entstand es noch vor dem Aufkommen des Early Style und
darf somit als Zeugnis des Proto-Latene aus dem mittelrheinischen Raum
angesehen werden.
409 Die Siedlung (Biel 1997) hat Funde der Stufen Ha D2 und Lt A ge-
liefert. Das benachbarte Gräberfeld im „Pfaffenwäldle“ (Zürn 1987, 95 f.)
belegt aber eine Besiedlung auch während Ha D3.
410 Das reich ausgestattete Zentralgrab unter Hügel 1 der Nekropole
„Nachtwaid-Ried“, das neben einer etruskischen Bronzeschnabelkanne und
zwei Bronzebecken auch eine vorderasiatische Glasschale enthielt, muß
aufgrund der kleinen Doppelpaukenfibel mit langer Armbrustkonstruktion
ganz ans Ende der Späthallstattzeit datiert werden (Dehn 1996a). Die Zen-
tralbestattung unter dem benachbarten Hügel 3 ist bereits frühlatenezeitlich.
Dieses außergewöhnliche Frauengrab enthielt neben zwei drahtförmigen Lt
A-Fibeln einen Zweiknoten-Armring aus Bronze, der eine Maskenzier im
Early Style besitzt (ders. 1996b; ders. 1997). Der zeitliche Abstand zwi-
schen den beiden Zentralbestattungen dürfte kaum mehr als eine Genera-
tion betragen. Auf diese Beobachtungen wird bei der Synchronisation der
Chronologiesysteme und der absoluten Chronologie (vgl. S. 78 ff. und 88 ff.)
zurückzukommen sein.
411 Schaaff 1968.
412 Demoule 1999.
413 Hodson 1968; Kaenel 1990.
414 Waldhauser 1987.
415 Parzinger 1989, 86 [vgl. unsere Abb. 30 „HN IIA1“] u. a. Arm- und
Fußringe aus dünnem Bronze- oder Golddraht, erste Koppelringe, frühe
durchbrochene Gürtelhaken oder erste Ziermuster im Latenestil (Armringe
von Wallerfangen, Schnabelkanne von Hillesheim, Schwertdarstellung von
Kärlich Wagengrab 3).
416 Ebd. 86 f. [vgl. unsere Abb. 30 „HN IIA2a“] u. a. Vogelkopffibeln,
Doppelvogelkopffibeln, Maskenfibeln, frühe drahtförmige Fibeln mit sti-
lisiertem Vogelkopf, Dreiknotenarmringe mit rundem Querschnitt und un-
verzierten Zwischenstücken und Ringe mit Stempelenden. Diese Formen
laufen z.T. auch noch bis in Horizont 10 weiter, für den aber drahtförmige
Fibeln vom Marzabotto-Schema, verzierte Hals-, Arm- und Fußringe mit
Stempelenden oder geknoteten Endstücken und verzierte Dreiknotenringe
mit rundem oder ellipsoidem Querschnitt charakteristisch sind.
417 Ebd. 87 [vgl. unsere Abb. 30 „HN II A2b“]: Als charakteristische Leit-
formen werden drahtförmige Fibeln vom Marzabotto-Schema, verzierte
Hals-, Arm- und Fußringe mit Stempelenden oder geknoteten Endstücken
sowie verzierte Dreiknotenringe mit rundem oder ellipsoidem Querschnitt
angeführt.
418 An dieser Stelle sei bereits auf die These J.-P Demoules (1999, 158
ff. Tab. 9,7.) hingewiesen, daß die Frühlatenekultur in der Champagne wie-
derum früher als in der Hunsrück-Eifel-Kultur ausgeprägt gewesen sei. An
Demoules Synchronisation der verschiedenen Regionalchronologien sind
jedoch Zweifel angebracht. So läßt seine Tabelle Tab. 9,4. (ebd. 147) die
 
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