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140

SCHRIFTLICHE ÜBERLIEFERUNG


Abb. 64. Völker und Stämme in Nordgallien und am rechten Mittel- und Niederrhein zur Zeit Caesars (aus: „Caesar,
Gallischer Krieg“. Sammlung Tusculum [München u. Zürich 1990]).

durch Vogelflug einerseits Italien, andererseits die Richtung
der Hercynischen Wälder, also der Balkan, bestimmt wurde.
Erstere, so Livius, zögerten, die Alpen zu überqueren und sei-
en zunächst ins ligurische Gebiet gezogen, wo sie anderen
Migranten, nämlich den phokäischen Kolonisten, bei der An-
siedlung und der Gründung Massalias geholfen hätten (Liv.
V,34,7)879.
Es ist offensichtlich, daß es sich bei dieser Schilderung um
eine Verknüpfung unterschiedlicher Ereignisse handelt880.
Trotz dieser eingeschränkten Authentizität übermittelt die Li-
viusstelle zwei folgenreiche historische Ereignisse, nämlich
die Gründung Massalias und die damit massiv einsetzende
Mediterranisierung der nordwestalpinen Späthallstattkultur
im 6. Jahrhundert v. Chr. sowie ferner die nach Süden und
Südosten gerichteten Expansionen keltischer Gruppen seit
dem Ende der Hallstattzeit. Der Hauptschub der keltischen
Einwanderung nach Italien dürfte aber erst um 400 v. Chr.
erfolgt sein und führte bekanntlich u. a. zur Eroberung Roms
im Jahre 387 v. Chr. (Livius V,48)881. Die bei Livius und Pom-
peius Trogus882 genannten Motive (Überbevölkerung und in-
nere Zwietracht) für die Auswanderung der Kelten erschei-
nen durchaus glaubwürdig883. Auch die von Pompeius Trogus
(lust. 24,4)884 angegebene Zahl von 300 000 Menschen mutet
angesichts des kontinentalen Ausmaßes der keltischen Wan-
derungsbewegungen nicht unbedingt zu hoch gegriffen an.
Ein zweiter antik überlieferter Prozeß, der sich nördlich

der Alpen ausgewirkt haben muß, ist die sukzessive Erobe-
rung der gallischen Siedlungsgebiete in Italien seit dem 3.
Jahrhundert v. Chr. durch Rom. Polybios (11,35) erwähnt
ausdrücklich, daß die Gallier aus der Poebene im Zuge der
römischen Expansion verjagt wurden. Nach Strabon (V,l,6)
sollen sich die Boier in ihre ursprünglichen Siedlungsgebie-

878 „De transitu in Italiam Gallorum haec accepimus: Prisco Tarquinio
Romae regnate Celtarum, quae pars Galliae tertia est penes Bituriges sum-
ma imperii fuit; ii regem Celtico dabant. Ambigatus is fuit, virtute fortu-
naque cum sua tum publica praepollens, quod in imperio eius Gallia adeo
frugum hominumque fertilis fuit, ut abundans multitudo vix regi videretur
posse. Hic magno natu ipse iam exonerare praegravante turba regnum cup-
iens Bellovesum ac Segovesum, soronis filios, inpigros iuvenes, missurum
se esse in quas dii dedissent auguriis sedes ostendit: quantum ipsi vellent
numerum hominum excirent, ne qua gens arcere advenientes posset. Tum
Segoveso sortibus dati Hercynii saltus; Belloveso haud paulo laetiorem
in Italiam viam di dabant. Is, quod eius ex populis abundabat, Bituriges,
Senones, Haeduos, Ambarros, Camutes, Aulercos excivit...“ (zitiert nach
Herrmann 1988 Bd. I, 202).
879 Vgl. Birkhan 1997, 88 Anm. 1.
880 Ebd. 88 ff.; Dobesch 1992.
881 Wernicke 1991.
882 Bei lust. XX,5 u. 7f.
883 Systematische Zusammenstellung aller in den Schriftquellen genann-
ten Ursachen und Motive der keltischen Einwanderung in Italien bei Wer-
nicke 1991, 84 f. Tab. 4.
884 Ebd. (mit weiterführender Lit.).
 
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