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230 DIE KELTISCH-RÖMISCHE SIEDLUNG VON WALLENDORF: ENTWICKLUNG UND FUNKTION DER SIEDLUNG

Wir dürfen die römerzeitliche Siedlung von Wallendorf
somit der Gruppe der vicusartigen Kleinsiedlungen bzw. ag-
glomerations seconclaires zuweisen1084. Die Ausgrabungser-
gebnisse liefern das Bild einer bescheidenen, ca. 3 ha gro-
ßen Ansiedlung. Sie ist deutlich kleiner als ihre früh- und
spätlatenezeitlichen Vorgängersiedlungen und wird, wie das
zugehörige Heiligtum, nur lokale oder kleinregionale Be-
deutung besessen haben. Anders als in klassischen gallo-rö-
mischen Pilgerheiligtümern des Untersuchungsgebietes1085
fehlen in Wallendorf - wie dargelegt - größere, außerhalb
der Tempeleinfriedung liegende Gebäude, wie repräsentative
Herbergen mit Innenhöfen oder Bäder, die einen unmittelba-
ren funktionalen Bezug zum Kultbetrieb erkennen lassen. Es
stellt sich somit die Frage, welchem genius loci die Existenz
eines relativ großen gallo-römischen Heiligtums auf dem Cas-
tellberg zu verdanken ist. Antworten, die gleichsam induktiv
von der individuellen Entwicklung der Siedlung ausgehen,
werden auf die zentrale fortifikatorische und ökonomische
Bedeutung des Platzes in vorrömischer Zeit verweisen. Diese
im Laufe der Romanisierung verlorene Bedeutung, also die
vergangene Größe, zeichnet den Castellberg vor allen ande-
ren aus, und nur sie bieten eine plausible Erklärung für die
Entwicklung in römischer Zeit. Doch für eine weiterreichen-
de Interpretation ist es unabdingbar, diese auf lokaler Ebene
entwickelten Hypothesen vor dem Hintergrund der regiona-
len Kultur- und Siedlungsgeschichte zu überprüfen.

1084 So bereits Gilles 1994a, 141 Tab. 1 Nr. 393.
1085 z. B. Heckenmünster (Binsfeld 1969), Martberg oder Hochscheid
(Weisgerber 1975).
 
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