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Künstlerselbsthilfe
Die Künstlerselbsthilfe: Zeitschrift für Kunst und Literatur: Periodica — 1.1927

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Nr. 3
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Honigberger, Ernst: Ein Jan van Eyck oder eine moderne Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.67650#0086

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EIN JAN VAN EYCK ODER EINE MODERNE GALERIE
VON
ERNST HONIGBERGER
In meiner Heimat Siebenbürgen, im deutschen Hermannstadt befindet sich ein ausgezeichnetes Museum
alter Meister. Begründer dieser Galerie war der Sammler Baron von Brückenthal, ein Hermann-
städter, Freund der Kaiserin Maria Theresia von Oesterreich. Nach dem Tode ihres Begründers ging
die Sammlung in den Besitz des siebenbürgisch-sächsischen Volkes über. Geldmittel zu ihrem Weiter-
ausbau konnte dieser kleine, schwer um seine Existenz ringende deutsche Volksstamm nicht aufbringen
und heute noch besteht die Brückenthal-Galerie (sie zählt etwa 1300 Werke und viele der bekanntesten
alten Meister sind darin vertreten) im wesentlichen nur aus der eigentlichen Sammlung Brückenthals.
1912 hörte ich nun eines Tages, daß ein Sammler für den Jan van Eyck dieser Galerie
(„Brustbild eines Unbekannten mit der blauen Lendenbinde“) 900 000 Kronen geboten habe. Sofort
faßte ich den Entschluß, mich für den Verkauf des van Eyck einzusetzen und die hierdurch ermög-
lichte Gründung einer modernen Galerie in Hermannstadt zu befürworten. Es war für mich klar, daß
eine moderne Galerie für die kulturelle Weiterentwicklung der Siebenbürger Sachsen wichtiger sei als
der Besitz des allerdings wundervollen van Eyk.
Auf ein Rundschreiben gingen mir zahlreiche Antworten bekannter deutscher Maler, Kunst-
historiker und Galeriedirektoren zu. Und wenn auch meine von jugendlichem Idealismus geleiteten
Bestrebungen am Widerstande der Leiter der Brückenthalgalerie scheiterten, wenn auch die Ver-
öffentlichung nachfolgender Briefe heute keine praktische Bedeutung mehr haben kann, glaube ich
doch, daß sie eine breitere Oeffentlichkeit interessieren können. Insbesondere, wenn man diese
Meinungsäußerungen nicht nur a’s Stellungnahme zu obigem Sonderfall betrachtet, sondern verall-
gemeinernd die Frage aufwirft: Ist die Erhaltung eines alten Meisterwerkes der Veräußerung zugunsten
der lebenden Kunst immer vorzuziehen? — Aus der Fülle seien hier die Briefe von Hübner, Thoma,
Th. Th. Heine, Carl von Marr, Zumbusch und Zügel herausgegriffen.

Sehr geehrter Herr Kollege!
Unter den von Ihnen geschilderten Umstän-
den könnte man sich wohl für Ihren Plan begeistern,
nur müßte eine absolute Sicherheitvon
Seiten des Staates und der Behörden
gegeben werden, daß dieses Kapital unan-
greifbar liegenbleibt und nur die Zinsen für den
Ankauf moderner deutscher Kunst verwendet wer-
den dürften. Im andern Fall, wenn nämlich der
Staat und die Behörden nicht dafür garantieren,
dann kann jeden Augenblick diese Summe von
900 000 Kr. angegriffen und ein zweifelhaftes
französisches Bild dafür gekauft werden, so daß
dann das Versprechen, die lebende deutsche Kunst
zu fördern, doch zu Essig werden könnte.
Also nur unter der Bedingung, daß ein der-
artiges Manöver ausgeschlossen bleiben muß und
dafür eine absolute Garantie geboten
worden ist, kann man sich mit Ihrem
Plan einverstanden erklären. Wenn also der Staat
oder die Behörden diese Garantie nicht geben
können oder wollen, dann kann man seine Zu-
stimmung für die Veräußerung des Bildes nicht
geben. Hochachtungsvoll
Wilhelm Hübner, Professor.

Hans Thoma:
,,Da ich das Bild von van Eyck nicht kenne, so
muß ich mich jedes Urteils, ob der Umtausch gegen
moderne Bilder, und darum handelt es sich doch,
vorteilhaft ist oder nicht, enthalten. Im Interesse der
modernen Kunst mag es richtig sein, das alte Bild
für eine so hohe Summe herzugeben und dafür zeit-
genössische Bilder zu sammeln und wenn ich nur
als Maler urteilen könnte, so würde ich wohl auch
hierfür stimmen; da ich aber auch Museumsdirek-
tor bin, so kann ich mir sehr wohl denken, daß ein
solcher nicht dafür sein kann, ein so hohes, seltenes,
einziges Kunstwerk zu veräußern. Ich könnte mich
nicht dazu entschließen, auch nicht auf die Gefahr
hin, weniger moderne Bilder für die Galerie kau-
fen zu können. Aber wie gesagt: ich kenne die
Sachlage viel zuwenig, als daß ich mir in der-
selben ein Urteil erlauben dürfte,“
Th. Th, Heine:
,,Oft, wenn ich von den fabelhaft hohen
Summen las, die für einzelne Bilder alter
Meister bezahlt wurden, habe ich mir ge-
dacht: ,,Wieviel Nutzen könnte man mit diesem

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