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Küster, Jürgen
Spectaculum vitiorum: Studien zur Intentionalität und Geschichte des Nürnberger Schembartlaufes — Remscheid: Kierdorf-Verl., 1983

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73509#0189
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stechen und ähnliche Kampfspiele im Zusammenhang mit der Errich-
tung von Narrenreichen, die offenbar darauf abzielten, die Unei-
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nigkeit der zeitlichen Reiche zu demonstrieren -Die theologische
Dimension dieser Vorhaben beruhte auf der Umsetzung des Zwei-
staatenmodells des hl. Augustin.

Die Termine der Turniere und ihre Existenz im Kontext vergänglicher
Narrenreiche provozieren d&iVersuch, diesen Sachverhalt in Beziehung
zur oben dargelegten Position der Kirche im 13. und 14. Jahrhundert
zu setzen. Es ist theologisch begründet und durchaus naheliegend,
das negativ bewertete Treiben der Turnierspiele einerseits in den
Dienst der Kirche zu stellen, andererseits aber die freie Entfal-
tung des Adelsprivileges hinfort zu gewährleisten. Die Integration
des Turniers in den christlichen Kalender, in die Zeit, die der
Darstellung der lasterhafen Welt vorbehalten war, könnte somit als
geschickter Versuch der Geistlichkeit gewertet werden, ihre Mög-
lichkeiten im Rahmen der "Fastnachtsmission" zu bereichern und gleich-
zeitig ihren Führungsanspruch auch gegenüber der weltlichen Macht
geltend zu machen.
Das Nürnberger Stadtregiment, das rechtlich für die Ordnung der
Spiele zuständig war, konnte als geeignete Instanz auch die Aktionen
der weltlichen Obrigkeit zeitlich beschränken und scheint in der
Praxis dem möglichen Wunsch der Geistlichkeit entsprochen zu haben.

Die genaue Auflistung der Termine, an denen in der abendländisch-
mittelalterlichen Tradition Ritterstechen und ähnliche Kampfspiele
stattgefunden haben, könnte in diesem Zusammenhang wertvolle Ein-
blicke in die Bedeutung solcher Fastnachtsveranstaltungen gegen-
über der höfischen Turnierkultur geben.

Die Reaktion der weltlichen Führungsschicht, der gänzliche Verzicht
auf Turnierspiele, mag sich zum Teil auch aus der Rivalität mit der
Kirche erklären. 1452 wird in Landshut eines der letzten Ritter-
spiele inszeniert. Der Abbruch der Tradition ist verständlich.
Sollte zu diesem Zeitpunkt der Charakter derartiger Veranstaltungen
 
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