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N°. 15.

Kunst-

Donnerstag, den

Kunstausstellung l n P a r i s
im Jahre 1827.

Paris, dm i<5 Jan. 1828.

(Fortsetzung.)

Noch bemerke ich, daß diesmal die Ausstellung nicht
so sehr mir Landschaften überschwemmt ist, als vor drey
Jahren, welches wohl zum Theil daher rühren mag, daß
viele schlechte Arbeiten vom Prüfungsausschuß abgewiesen
worden sind. Auch an Bildnissen ist dieß Jahr keine solche
Unzahl vorhanden, obgleich sie, wenn ich nicht irre , die
größere Halste der ausgestellten Bilder ausmachen. Ich
werde nur die besten darunter erwähnen, denn von den
Meisten ist nichts zu sagen, als daß sie leider den andern
oft Licht und Platz wegnehmen. Was in den übrigen Gat-
tungen der Malerey sich durch besonders Verdienst hervor-
thut, werde ich in einem späteren Berichte bemerken und
an die Beschreibung der einzelnen Gemälde die allgemeinen
Betrachtungen anknüpfen, zu welchen sie mich etwa veran-
lassen könnten. Den Schluß sollen die Bildwerke, die Ar-
beiten der Kupferstecher und Lithographen machen, welche
in dieser Ausstellung eine nicht unbedeutende Stelle be-
haupten.

Nach dieser, vielleicht zu langen Einleitung ist es Zeit,
uns mit den vorzüglichsten Werken der Künstler genauer
bekannt zu machen. Ich will cs versuchen meine Leser von
Saal zu Saal zu begleiten und sie auf diejenigen Werke
aufmerksam zu machen, die durch ihren inner» Gehalt,
das Aussehen, das sie erregt haben, durch vorzügliche Ei-
genschaften oder auffallende Abweichungen von dem Weg,
der mir der richtige scheint, ihre Thcilnahme verdienen.

Wir verweilen nur einen Augenblick in dem Vorzim-
» mcr, das in den großen, schön öfter erwähnten viereckigen
Saal führt, bey zwei) Bildern, zu welchen sich das Publikum
hindrängt. Ein junges Mädchen liegt im leichtesten Nacht-
gewand auf einem Ruhebett und betrachtet mit Wohlgefal-
len das Bildniß ihres Geliebten, das an einem goldenen
Kettchen befestigt ist. In dem zweyten Rahmen sehen wir

Blatt.

21. F e b r u a r 1828.

dasselbe schone Kind, den Kopf weinend auf die linke Hand
gestüzt, und mit der andern das zerbrochene Kettchen hal-
tend, von welchem das Bildniß des Geliebten getrennt ist.
Beyde Gemälde sind von

D n b u f e,

von dem wir vor drep Jahren eine Geburt des Herzogs
von Bordeaur bemerkten. Eine richtige Zeichnung und
Anmuth in den Köpfen läßt sich diesen beyden Bildern
nicht absprechen, auch thut der braunrothe Vorhang, auf
welchen sich die jugendliä)en Formen und Farben der Schul-
tern abzeichnen, eine sehr angenehme Wirkung. Die Ei-
genschaft aber, welche den großen Haufen der Bewunderer
am meisten anlockt, den Kenner aber schnell erkaltet und
verscheucht,'ist ein absichtlicher Ausdruck von Sinnlichkeit
und Wollust, der das dargestellte Gefühl der hoffenden
und unglücklichen Liebe entadelt, und die Scene, wie einer
unserer besten Kunstrichter sehr wahr bemerkte, in die
Sphäre der Zofen und Kammermädchen verweist. Ich
bemerke jedoch im Vorbepgehen, daß D u b u fe ein wirk-
liches Talent besizt, jugendliche weibliche Gestalten darzu-
stellen, und seit einigen Jahren in .einer Anzahl lithogra-
phirter Blätter Beweise seiner zunehmenden Geschicklichkeit
gegeben hat. Wenn es ihm gelänge, die lieblichen Formen,
die er der Natur ablauscht, mit einem höher« Geiste zu
beseelen, so würde er gewiß sehr anziehende Gemälde
liefern.

In demselben Vorzimmer verdient noch ein kleines,
aber wackeres Bild von

D e c a i s n e

einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit. Es stellt den
blinden Dichter Milton dar, der in seinem Garten, auf
einem Lehnstuhl sitzend, seinen Töchtern einen Gesang sei-
nes Gedichtes diktirt. Die Aelteste von den Dreyen halt
die Feder in der Hand; ihre Augen hangen mit Ernst und
gespannter Aufmerksamkeit an den Lippen ihres begeisterten
Vaters , und sie scheint am tiefsten in den Geist seiner
Dichtung eingedrungen zu seyn. Neben ihr sizt die jüngste
Tochter mit einem Eugelsgefichtchen und gefalteten Hän-
den die Kläilge vernehmelid, die ihre noch kindliche Seele
! zum Preiß der Gottheit erheben. Neben ihr mit einer
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