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Vielen Schriftstellern, vorzüglich aber Engländern
und Deutschen, hat die Kunst mit dem Grabstichel zu ar-
beiten, deren Ursprung bisher immer zwischen deutscher
Emsigkeit und italienischem Scharfsinne gesucht zu werden
schien, ein fruchtbares Feld der Forschung geboten. Indem
nun auch ich den ältesten Arbeiten dieser Kunst, und zu-
gleich den gefälligen Abdrücken des Finiguerra, nachforsch-,
te, chatte ich Gelegenheit, jeden Zweifel der Art dadurch
zu lösen, daß ich Italien den entschiedenen Vorrang in Be-
treff des Gravirens mit dem Grabstichel sicherte; denn
schow vor zivanzig Jahrhunderten wurden hier Opserschaalen
auf die Weise gefurcht, häufiger noch die Kehrseite der po-
lirten Metallspiegel, aus welchen die italienischen Damen,
schon vor der römischen Herrschaft, gleich den griechischen
ihre Reize und Gesichtszüge widerstrahlen sahen. Die Un-
tersuchungen und Forschungen über diese Arbeiten waren
meist um so mehr verwirrt, als man das Alter der ersten
Versuche, mit dem Grabstichel auf Platten zu arbeiten, mit
jenen der erster: Abdrücke auf Papier, die von diesen Ein-
grabungen gemacht wurden, und so der Kupferstichkunst
ihr Entstehen gaben, gewöhnlich verwechselte. Die Geschicht-
schreiber der Kunst haben sich jedoch hierüber bereits mit
aller Klarheit ausgesprochen, und man kann mit Bestimmt-
heit keinen Abdruck Nachweisen, der älter als von 1452
wäre, in welchem Jahre Finiguerra seine Niellen abdrucken
ließ; obgleich es gar nicht unwahrscheinlich ist, daß ähn-
liche Arbeiten durch ihn selbst auch schon vor dieser Epoche
ausgeführt wurden.

Die Untersuchungen über den Ursprung und die Be-
deutung des Wortes Nie llo, mit welchen der französische
Schriftsteller Duchesne, um die von Bartsch in der Wis-
senschaft der Gravirkunst gelassene Lücke auszufüllen, sein
mit,vielen Zugaben bereichertes Werk begann, lassen hin-
länglich erkennen, daß ihm das Vorhandenscyn eines alten,
ebenso schätzenswerthen als klaren Schriftstellers aus dem
Ilten Jahrhunderte gar nicht bekannt war, in welchem
über die Weise, wie sonst diese Kunst gehandhabt wurde,
so wichtige Aufschlüsse enthalten find, daß wohl auch für
die Künstler unserer Zeit in dieser Beziehung kaum eine
bessere Anleitung gefunden werden dürfte. Nicht allein
wird in mehreren berühmten Bibliotheken der Coder die-
ses Schriftstellers aufbewahnt, er wurde auch in einer im
Jahre 1774 gedruckten Abhandlung von Lessing erläutert,
ferner von Morelli 1779 in dem Verzeichnisse der ma-
nianischen Manuscripte erwähnt, und endlich 1787 in ei-
ner von Lessing begonnenen und von Christian Leist fort-
geführten Sammlung gelehrter Aufsätze in der Ursprache,
so wie er sich in dem Wolfenbüttler Coder fand, unter dem

Titel : „Theophili prcsbiteri diversarum arlium sch'edula“

abgedruckt. In dem Codex. Cantabrigiensis erscheint der-

selbe unter dem andern Namen: Thcophiius Monacus qui

et Rugerius , de omni scientia artis pingendi. lncipit
tractatus Lumbardicus, cjualiter temperantur colores, Die-
ser Theophilns sagt nun ganz bescheiden in der Vorrede
zu dem ersten Buche seines Werkes über die Niellen:

Quam si diligentius porscruteris , illic invenies quidquid
diversorum colorum generibus et mixturis habet Grecia,
quidquid in electrorum operositati seu Nigelli varietate
novit Ruscia, quicquid ductili vel fusili seu interrasili
opere distinguit Arabia, quicquid in vasorum diyersitate
seu gemmarum ossuumve sculptura auro decolorat in Ita-
lia, quicquid in fencstrarum pretiosa varietate deligit
Francia, quicquid in auri, argenti, cupri, ctferri, lig-
norum, lapidumque subtilitate solers laudat Germania
etc. ctc.

Rußlands älteste Künstler hatten sich schon in den
frühesten Zeiten von den Griechen selbst, nicht erst von
Italien aus, die größten Fertigkeiten in dieser Kunst erwor-
ben. In Kiew und Novogorod, deren Gründung in die
frühesten Zeiten fällt, finden sich Ueberreste der alten
Denkwürdigkeiten dieser einst blühenden Hauptstädte, wor-
unter Arbeiten von Bernstein, Gold, Silber und Niel-
len, die den Flor dieser Kunst weit über jenes Zeitalter
hinaus bewähren, in welchem in Italien die Künste wieder
aufzublühen anfingen. Die Wladimirs waren mit den
orientalischen Kaisern verschwägert, und in den Samm-
lungen von Alterthümern findet man russische, mit Edel-
steinen eingelegte Reliquien von der ausgezeichnetsten Ar-
beit, welche nur zu oft mit der byzantinischen verwechselt
wird, von der sie freylich ihren Ursprung nahm, indem
sie ihr nachgeahmt hatte; nach dem Muster der Sophien-
kirche in Bpzanz wurden auch zu Kiew und Nowogorod
Kuppeln und Bilder ein Schmuck der Kirchen, die Heiligen
Väter übersezte man in die illprische Sprache, und achtete
überhaupt jene Völker den aufgeklärtesten damaliger Zeit
gleich. Fiel auch Rußland nach dem Jahre 1240 in jene
Barbarei), aus tvelcher es erst unter den Regierungen eines
Peter .und einer Katharina erwachte, so verlor sich doch
die Kunst des Nicllirens nie gänzlich, und hat sich, wie
die neuesten Arbeiten beweisen , bis in unsere Tage er-
halten.

Ohne sich .erst in weitläufige Untersuchungen über das
Wort Niello einzulassen, welches doch wohl von dem la-
teinischen Worte nigcilus abgeleitet werden muß, würde
Duchesne gewiß nicht minder deutlich, wie in der um
fünf Jahrhunderte später von Cellini bekanntgemachten Ab-
handlung über die Goldschmiedekunst, in dem Coder des
Theophilns ans dem Ilten Jahrhunderte in verschiedenen
Kapiteln die in den ältesten Zeiten gekannte Art und
Weise gefunden haben, wie man die Niellen verfertigte.
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