anwendbaren Ausspruch Vitruvs i), möchte ich behaupten,
daß die Symmetrie aus der Proportion entsteht, die die
Griechen dvxXoyix nennen und welche eine Uebereinstim-
mnng des Maßes zwischen den verschiedenen Theilen ei-
nes Werks und dem gestimmten Werke ist, wovon als-
dann die Symmetrie abhängt. Die Griechen brauchten
daher auch das Wort Proportion (Analogie) für Symme-
trie, wofür aber nach Plinius 2) die lateinische Sprache
kein entsprechendes Wort hatte, weswegen dasselbe dann
auch von den verschiedenen Schriftstellern auf verschiedene
Weise bezeichnet wird. So nennt sie Philostratus
der jüngere Analogie 5); Sueton ein bequemes
Verhältnis und Gleichheit der Glieder 4); V itrnv
Gleichmäßigkeit 5); Plinius der jüngere Gleichheit
und Uebercinstimmung 6); Cicero Verhältnis derTheile
und geschickte Zusammenstellung der Glieder 7); A u l u s
Gel lins wechselseitige Uebereinstimmung der Glieder»);
alle aber stimmen darin überein, mehr oder weniger die
Proportion zu bezeichnen, aus welcher die Symmetrie der
Theile oder ein harmonisches Verhaltniß der Theile unter
sich mit dem Ganzen entsteht, was unter dem Worte Pro-
portion verstanden wird, wiewohl dasselbe nicht ganz ge-
nau dem Griechischen ccvxXoyt'tx entspricht. Unstreitig be-
saßen auch die Alton 9) nach dem, was wir an einigen
i) Lib. III. cap. I. a autem paritur a propor.
tione, quac graece CCyaXoyta dicitur. Proportio est
ratae partis membrorum in omni opere totiusque
commodulatio, ex qua ratio efücitur symmetriarum :
namque non polest aedes uila sine symmetria ntque
proportione rationcm habere compositionis, nisi uti
ad hominis bene ligurali membrorum habuerit exac-
tara rationem. vergl. Varro Lib. 8. de L. L. c. 4.
der ftc als eine Gleichheit oder ein Verhältniß der Theile
unter einander befinirt.
r) Non liabet lalinnin Nomen symmelria eie. S. Pli-
UiUs L. XXXIV. c. 8.
3) avxXoyCx. _ .
4) S. Sueton ed. S. Pitisci, Leovardiae 17x4 In Aug,
cap. 79 5. *ed quae commoditate et aequitale mem-
brorum occuleretur etc. und in Tiber, cap. 68., wo
er seine Gestalt beschreibt, sagt er: caeteris quoque mem-
bris usque ad imos pedes aequalis et congruens.
5) Lib. 3. cap. 1. bedient er sich des Ausdrucks c 0 m-
mensus.
G) Congruentiam et acqualitatem. Plin. epist. II. 5, 11.
7) Cicero de Off. 1, 23. Convenientiam partium et
aptam compositionem membrorum.
8) Auli Gellii noctium Atticarum etc. ed. J. Gronovii
Lugd. Bat.- 1706. Lib. II. cap. XXV. Membro-
rum competentiam.
9) Daß die Alten gewisse Regeln in Beziehung auf die
Proportion besaßen, und zwar sehr strenge Regeln,
vorzüglich be» der Ausführung ihrer Colossen, ergibt sich
zur Genüge aus einer Stelle in, Diobor von ©teilten zu
Ende des ersten Buchs. Die von Denen in seine
Voyage dans la hasse et haute Kgypte
ihrer Statuen wahrnehmen, da die Meisterwerke ihrer
Malere» nicht bis ans uns gekommen sind, gewisse Re-
geln, welche jedoch zugleich mit ihren Schriften verloren
gegangen sind; Vitruv, Plinius, Philostratus der jüngere
und andere bezeugen dies. Nach Plinius i) scheint cs,
hnß Parrhasius der erste gewesen, der die Symmetrie zu
einer eigenen, auf die Malere» anwendbaren Wissenschaft
erhob und selbst schon ein besonderes Werk darüber
schrieb, welches Asclepiodor vervollständigte und sich da-
durch sogar die Bewunderung des Apollos erwarb, ohne
daß man mit einigen Commentatoren anzunehmen braucht,
daß hier von der Perspective die Rede sey, wiewohl diese
Wissenschaft ebenfalls zu diesem Behuf studiert werden
muß; cs muß vielmehr von der eigentlichen Symmetrie
oder der Proportion verstanden werden. Myron und
Lysipp machten davon offenbar bcy ihren Werken Ge-
brauch, und Euphranor, wie man schon aus Plinius er-
stehet, scheint durch den Gebrauch derselben selbst dem
Parrhasius den Ruhm der Erfindung geraubt und dar-
über eine weitläuftige Abhandlung geschrieben zu haben,
die noch zu Plinius Zeiten vorhanden war. Antigo n us
und Lenocrates waren Lobredner des Parrhasius, und
in ihren Schriften 2) so wie auch in den von Diogenes
Lacrtius angeführtenz) Schriftendes Melanthius war
unstreitig von diesen Regeln die Rede, ohne so vieler an-
p). CXXIV. No. I. so wie auch in sein großes Werk:
Description de I’Egypte etc. bey den, großen
Tempel von Onibos pl. 44. No. 3. aufgenomincne Fi-
gur ist nur ein Rost von rother Farbe zu», Behuf dev
llebertragnng ans den, Kleinen ins Große, »ut eine»,
gewisse» Grade der Genauigkeit der Zeichnung, gibt aber
durchaus keine Regeln der Proportion. Auch Schneider
hat sich von Denon verführen lassen, indem er jene
Stelle in feinen berühmten Sommcntar zum Vitruv
Tb. 2. S. 162 anführt. Allein in der eben genannten
Description de l’Egypte T. 4. 1. Section de la
3. Livraison pl. 62 , wo man dreh mit rother Farbe
ins Große gezeichnete.Capitaler erblickt. fügen die Ver-
fasser selbst die Bcmcrkting hinzu: „on ne connait rien
de scmblable ni memc d’aussi curieux dans auenn autre
endroit de 1’Kgvpte etc.“ Darauf folgt die Beschrei-
bung. ans der "deutlich zu ersehen ist, daß das Ganze
11 aw systematischen Regeln mit geraden und krummen, mit
de», Zirkel gebildeten Linien gezeichnet ist,
1) Lib- XXXV. Cap.'To. „Parrhasius . . . primus sym-
metriam picturae dedit elc.“ In demselben Buche
Cap. 11. scheint er jedoch dem Euphranor dies Verdienst
znznsprcchcn: hie primus videtur expressisso dignitates
Ilcroum et usurpasse symmetriam.
2) Plin. Lib. XXXV. cap. IO. „Ilanc ei gloriam con-
cesscre Antigonus et Xenocratcs, qui de
pictura scripsere : praedicanles quoque , non solum
confidentes.“
3) Melanthius pictor in suis- de pictura liieris ait etc.
„S. Lacrtius Lib. IV. de vitis pliilosophorum in
Polemone.
daß die Symmetrie aus der Proportion entsteht, die die
Griechen dvxXoyix nennen und welche eine Uebereinstim-
mnng des Maßes zwischen den verschiedenen Theilen ei-
nes Werks und dem gestimmten Werke ist, wovon als-
dann die Symmetrie abhängt. Die Griechen brauchten
daher auch das Wort Proportion (Analogie) für Symme-
trie, wofür aber nach Plinius 2) die lateinische Sprache
kein entsprechendes Wort hatte, weswegen dasselbe dann
auch von den verschiedenen Schriftstellern auf verschiedene
Weise bezeichnet wird. So nennt sie Philostratus
der jüngere Analogie 5); Sueton ein bequemes
Verhältnis und Gleichheit der Glieder 4); V itrnv
Gleichmäßigkeit 5); Plinius der jüngere Gleichheit
und Uebercinstimmung 6); Cicero Verhältnis derTheile
und geschickte Zusammenstellung der Glieder 7); A u l u s
Gel lins wechselseitige Uebereinstimmung der Glieder»);
alle aber stimmen darin überein, mehr oder weniger die
Proportion zu bezeichnen, aus welcher die Symmetrie der
Theile oder ein harmonisches Verhaltniß der Theile unter
sich mit dem Ganzen entsteht, was unter dem Worte Pro-
portion verstanden wird, wiewohl dasselbe nicht ganz ge-
nau dem Griechischen ccvxXoyt'tx entspricht. Unstreitig be-
saßen auch die Alton 9) nach dem, was wir an einigen
i) Lib. III. cap. I. a autem paritur a propor.
tione, quac graece CCyaXoyta dicitur. Proportio est
ratae partis membrorum in omni opere totiusque
commodulatio, ex qua ratio efücitur symmetriarum :
namque non polest aedes uila sine symmetria ntque
proportione rationcm habere compositionis, nisi uti
ad hominis bene ligurali membrorum habuerit exac-
tara rationem. vergl. Varro Lib. 8. de L. L. c. 4.
der ftc als eine Gleichheit oder ein Verhältniß der Theile
unter einander befinirt.
r) Non liabet lalinnin Nomen symmelria eie. S. Pli-
UiUs L. XXXIV. c. 8.
3) avxXoyCx. _ .
4) S. Sueton ed. S. Pitisci, Leovardiae 17x4 In Aug,
cap. 79 5. *ed quae commoditate et aequitale mem-
brorum occuleretur etc. und in Tiber, cap. 68., wo
er seine Gestalt beschreibt, sagt er: caeteris quoque mem-
bris usque ad imos pedes aequalis et congruens.
5) Lib. 3. cap. 1. bedient er sich des Ausdrucks c 0 m-
mensus.
G) Congruentiam et acqualitatem. Plin. epist. II. 5, 11.
7) Cicero de Off. 1, 23. Convenientiam partium et
aptam compositionem membrorum.
8) Auli Gellii noctium Atticarum etc. ed. J. Gronovii
Lugd. Bat.- 1706. Lib. II. cap. XXV. Membro-
rum competentiam.
9) Daß die Alten gewisse Regeln in Beziehung auf die
Proportion besaßen, und zwar sehr strenge Regeln,
vorzüglich be» der Ausführung ihrer Colossen, ergibt sich
zur Genüge aus einer Stelle in, Diobor von ©teilten zu
Ende des ersten Buchs. Die von Denen in seine
Voyage dans la hasse et haute Kgypte
ihrer Statuen wahrnehmen, da die Meisterwerke ihrer
Malere» nicht bis ans uns gekommen sind, gewisse Re-
geln, welche jedoch zugleich mit ihren Schriften verloren
gegangen sind; Vitruv, Plinius, Philostratus der jüngere
und andere bezeugen dies. Nach Plinius i) scheint cs,
hnß Parrhasius der erste gewesen, der die Symmetrie zu
einer eigenen, auf die Malere» anwendbaren Wissenschaft
erhob und selbst schon ein besonderes Werk darüber
schrieb, welches Asclepiodor vervollständigte und sich da-
durch sogar die Bewunderung des Apollos erwarb, ohne
daß man mit einigen Commentatoren anzunehmen braucht,
daß hier von der Perspective die Rede sey, wiewohl diese
Wissenschaft ebenfalls zu diesem Behuf studiert werden
muß; cs muß vielmehr von der eigentlichen Symmetrie
oder der Proportion verstanden werden. Myron und
Lysipp machten davon offenbar bcy ihren Werken Ge-
brauch, und Euphranor, wie man schon aus Plinius er-
stehet, scheint durch den Gebrauch derselben selbst dem
Parrhasius den Ruhm der Erfindung geraubt und dar-
über eine weitläuftige Abhandlung geschrieben zu haben,
die noch zu Plinius Zeiten vorhanden war. Antigo n us
und Lenocrates waren Lobredner des Parrhasius, und
in ihren Schriften 2) so wie auch in den von Diogenes
Lacrtius angeführtenz) Schriftendes Melanthius war
unstreitig von diesen Regeln die Rede, ohne so vieler an-
p). CXXIV. No. I. so wie auch in sein großes Werk:
Description de I’Egypte etc. bey den, großen
Tempel von Onibos pl. 44. No. 3. aufgenomincne Fi-
gur ist nur ein Rost von rother Farbe zu», Behuf dev
llebertragnng ans den, Kleinen ins Große, »ut eine»,
gewisse» Grade der Genauigkeit der Zeichnung, gibt aber
durchaus keine Regeln der Proportion. Auch Schneider
hat sich von Denon verführen lassen, indem er jene
Stelle in feinen berühmten Sommcntar zum Vitruv
Tb. 2. S. 162 anführt. Allein in der eben genannten
Description de l’Egypte T. 4. 1. Section de la
3. Livraison pl. 62 , wo man dreh mit rother Farbe
ins Große gezeichnete.Capitaler erblickt. fügen die Ver-
fasser selbst die Bcmcrkting hinzu: „on ne connait rien
de scmblable ni memc d’aussi curieux dans auenn autre
endroit de 1’Kgvpte etc.“ Darauf folgt die Beschrei-
bung. ans der "deutlich zu ersehen ist, daß das Ganze
11 aw systematischen Regeln mit geraden und krummen, mit
de», Zirkel gebildeten Linien gezeichnet ist,
1) Lib- XXXV. Cap.'To. „Parrhasius . . . primus sym-
metriam picturae dedit elc.“ In demselben Buche
Cap. 11. scheint er jedoch dem Euphranor dies Verdienst
znznsprcchcn: hie primus videtur expressisso dignitates
Ilcroum et usurpasse symmetriam.
2) Plin. Lib. XXXV. cap. IO. „Ilanc ei gloriam con-
cesscre Antigonus et Xenocratcs, qui de
pictura scripsere : praedicanles quoque , non solum
confidentes.“
3) Melanthius pictor in suis- de pictura liieris ait etc.
„S. Lacrtius Lib. IV. de vitis pliilosophorum in
Polemone.