37i
daß Comanini die Mepnung des Malers nicht wohl
verstanden habe. Die Eintheilung selbst ist folgende:
Von dem Scheitel bis zur Stirn ein Drittel; von der
Stirn bis zum Kinn eine; von dem Kinn bis zur Halü-
grube zwei) Drittel; von da bis zur Brust eine; von der
Brust bis zum Nabel eine ; von dem - Nabel bis zur
Schaam eine; von da bis zum Anfang des Knies zivey;
das Knie selbst eine halbe; unter dem Knie bis unter die
Wade eine; von da bis zum Hacken eine und vom Hacken
bis zur Fußsohle eine halbe, zusammen also zehn Gesichts-
längen. Ueber einen andern Figini (Girolamo) der
zur Zeit des Lomazzo lebte, finden sich einige Notizen in
dem Werke des Venusti i), wo Cap. XCVIII. Maße
und Proportionen unserer Körper, folgendes
zu lesen ist: Hier glaube ich auch einige sehr schone Ge-
heimnisse über die Maße und die Proportion des mensch-
lichen Körpers nicht verschweigen zu müssen, welche in
diesen lezten Monaten mir sehr zuvorkommend von dem
Herrn Girolamo Figino gelehrt wurden, einem ge-
schickten Anatomen, höchst fleißigen Miniaturmaler, über-
haupt einem der trefflichsten und vorzüglichsten Maler un-
serer Zeiten, sowohl durch die Trefflichkeit seiner Sitten-
und seine Geistesgröße, als durch den Glanz seines alten
Bluts, nicht zu erwähnen der von ihm verfertigten der
Natur so ähnlichen Kupferstiche und Gypsabgüsse der
geistvollsten Versen und vieler andern ihm von dem
Himmel -verliehenen großen Gaben. Dieser Figino al-
lein, sage ich, beschrieb mir so den menschlichen Körper:
Von dem Anfänge des Haupthaars bis unter das Kinn
ist der zehnte Theil der Lange des Menschen, von da an
bis zum Scheitel der achte, von der Spitze der Brust bis
zum Scheitel ist der sechste, von der Spitze der Brust bis
zum Anfänge der Haare ist der siebente, von den Brust-
warzen bis zum Scheitel der vierte Theil. Die größte
Lange der Schultern ist der vierte, von dem Ellbogen bis
zur SpitzL der Hand der vierte, von dem Ellbogen bis
zum Anfänge der Schultern der achte, die ganze Hand
der zehnte, der Fuß der siebente, von dem Fuße bis zum
Knie der vierte, von dem Knie bis zu Anfang der
Schaam der vierte Theil. Die Länge von jedem Fnße bis
zum Scheitel ist gleich der Entfernung von der Spitze
der längsten Finger der einen Hand bis zur Spitze der-
selben an der andern Hand, wenn man die Arme ausge-
breitet hält; von dem Kinne bis zur Nase, von der Nase
zu den Augenbraunen, von den Augenbraunen bis zu An-
fang der Haare und von dem Auge bis zum Ohre sind
gleiche Entfernungen so groß als das Ohr lang ist, und
i) Oiscorso generale di M. Antonio Maria Venusti,
intorno all« generatone , al nascimcnto dcgli Uo-
mini, al breve corso dclla vita humana et al tempo.
in Milano, iööa und 1614 in 16.
jede dieser angegebenen Entfernungen beträgt den dritten
Theil des Gesichtes. Der Durchmesser des Gürtels, die
Entfernung von den Brustwarzen bis zur Hüfte, von dem
Gelenk der Hand bis zu dem Gelenke des Arms, von
den Brustwarzen bis zum Nabel, von beyden Spitzen des
äußersten Brustknochens, der den Hals einfchließt, von der
Spitze der Brust bis zu Anfang der Haare ist der siebente
Theil der ganzen Länge des Menschen; nnd jedes dieser
angegebenen Maße beträgt die Hälfte des Raums von
der Mitte der Kniescheibe bis zu Ende des Hackens, der
vielen andern Maße und Proportionen im Innern des
menschlichen Körpers nicht zu erwähnen.
Wenn aber hier gleich in der Art der Auseinander-
setzung eine gewisse Aehnlichkeit herrscht, die an das Ver-
fahren von Leonardo da Vinci erinnert, so findet sich je-
doch nichts desto weniger im Ganzen durchaus keine Klar-
heit. Alerander Lamo 1) in seinem Werke macht
uns mit der Methode der Proportion des Bernardino
Campi bekannt, der dem Maße des Barbaro noch ein
Drittel Gesichtslänge hinzusezte und seine Proportion Fol-
gendermaßen vertheilte: von der Spitze des Kopfes bis
zur Spitze der Stirn ein Drittel; das Gesicht eine; von
dem Kinn bis an die Halsgrube ein Drittel; von der
Kehle bis an die Brustwarzen eine; von dort bis an den
Nabel (jedoch noch etwas über ihn) eine; von da bis
an die Schaam eine; bis zur Mitte der Schenkel eine;
bis über dem Knie eine; das Knie selbst zwei) Drittel;
unter dem Knie bis zu den Zwillingen eine; von da bis
zu Ende des Beines eine, bis zur Sohle ein Drittel, zu-
sammen also nenn nnd zwe» Drittel Gesichtslängen.. Diese
Proportion stimmt durchaus mit der des Varro überein,
der einzige Unterschied ist der, daß die Knie, statt eines,
zwey Drittel der Gesichtslängen enthalten. Die vornehm-
sten Mängel derselben sind, daß darin die Beine zu klein,
die Schenkel schwer, der Hals kurz, der Rumpf schwach
und das Ganze nicht harmonisch erscheint.
Ein Künstler von ausgezeichnetem Verdienste war
Aeneas Salmcggia von Bergamo, der mehrere Ge-
mälde von reinem Style verfertigte. Im Jahre 1607
schrieb er ein Buch über die menschliche Proportion, wie
aus einem von T assi 2) bekannt gemachten Fragmente
desselben erhellt. Daraus ergibt sich klar, daß er leichte
und den gewöhnlichen vorzuziehende Methoden erfunden
hatte. Für die beste Proportion erklärt er die von zehn
Gesichtslängen, die nach einer gleichmäßigen Methode die
Maße jedes Alters angibt; allein die weiteren Auseinan-
1) Discorso d’Alessandro Lamo intorno all*
Scultura e Pittura dove si ragiono dclla Vita ed
opcre di Bernardino Campi, Pittore Cremonese.
Crcmona 1584. 4.
2) Vita de’ Pittori Bcrgamaschi etc.
daß Comanini die Mepnung des Malers nicht wohl
verstanden habe. Die Eintheilung selbst ist folgende:
Von dem Scheitel bis zur Stirn ein Drittel; von der
Stirn bis zum Kinn eine; von dem Kinn bis zur Halü-
grube zwei) Drittel; von da bis zur Brust eine; von der
Brust bis zum Nabel eine ; von dem - Nabel bis zur
Schaam eine; von da bis zum Anfang des Knies zivey;
das Knie selbst eine halbe; unter dem Knie bis unter die
Wade eine; von da bis zum Hacken eine und vom Hacken
bis zur Fußsohle eine halbe, zusammen also zehn Gesichts-
längen. Ueber einen andern Figini (Girolamo) der
zur Zeit des Lomazzo lebte, finden sich einige Notizen in
dem Werke des Venusti i), wo Cap. XCVIII. Maße
und Proportionen unserer Körper, folgendes
zu lesen ist: Hier glaube ich auch einige sehr schone Ge-
heimnisse über die Maße und die Proportion des mensch-
lichen Körpers nicht verschweigen zu müssen, welche in
diesen lezten Monaten mir sehr zuvorkommend von dem
Herrn Girolamo Figino gelehrt wurden, einem ge-
schickten Anatomen, höchst fleißigen Miniaturmaler, über-
haupt einem der trefflichsten und vorzüglichsten Maler un-
serer Zeiten, sowohl durch die Trefflichkeit seiner Sitten-
und seine Geistesgröße, als durch den Glanz seines alten
Bluts, nicht zu erwähnen der von ihm verfertigten der
Natur so ähnlichen Kupferstiche und Gypsabgüsse der
geistvollsten Versen und vieler andern ihm von dem
Himmel -verliehenen großen Gaben. Dieser Figino al-
lein, sage ich, beschrieb mir so den menschlichen Körper:
Von dem Anfänge des Haupthaars bis unter das Kinn
ist der zehnte Theil der Lange des Menschen, von da an
bis zum Scheitel der achte, von der Spitze der Brust bis
zum Scheitel ist der sechste, von der Spitze der Brust bis
zum Anfänge der Haare ist der siebente, von den Brust-
warzen bis zum Scheitel der vierte Theil. Die größte
Lange der Schultern ist der vierte, von dem Ellbogen bis
zur SpitzL der Hand der vierte, von dem Ellbogen bis
zum Anfänge der Schultern der achte, die ganze Hand
der zehnte, der Fuß der siebente, von dem Fuße bis zum
Knie der vierte, von dem Knie bis zu Anfang der
Schaam der vierte Theil. Die Länge von jedem Fnße bis
zum Scheitel ist gleich der Entfernung von der Spitze
der längsten Finger der einen Hand bis zur Spitze der-
selben an der andern Hand, wenn man die Arme ausge-
breitet hält; von dem Kinne bis zur Nase, von der Nase
zu den Augenbraunen, von den Augenbraunen bis zu An-
fang der Haare und von dem Auge bis zum Ohre sind
gleiche Entfernungen so groß als das Ohr lang ist, und
i) Oiscorso generale di M. Antonio Maria Venusti,
intorno all« generatone , al nascimcnto dcgli Uo-
mini, al breve corso dclla vita humana et al tempo.
in Milano, iööa und 1614 in 16.
jede dieser angegebenen Entfernungen beträgt den dritten
Theil des Gesichtes. Der Durchmesser des Gürtels, die
Entfernung von den Brustwarzen bis zur Hüfte, von dem
Gelenk der Hand bis zu dem Gelenke des Arms, von
den Brustwarzen bis zum Nabel, von beyden Spitzen des
äußersten Brustknochens, der den Hals einfchließt, von der
Spitze der Brust bis zu Anfang der Haare ist der siebente
Theil der ganzen Länge des Menschen; nnd jedes dieser
angegebenen Maße beträgt die Hälfte des Raums von
der Mitte der Kniescheibe bis zu Ende des Hackens, der
vielen andern Maße und Proportionen im Innern des
menschlichen Körpers nicht zu erwähnen.
Wenn aber hier gleich in der Art der Auseinander-
setzung eine gewisse Aehnlichkeit herrscht, die an das Ver-
fahren von Leonardo da Vinci erinnert, so findet sich je-
doch nichts desto weniger im Ganzen durchaus keine Klar-
heit. Alerander Lamo 1) in seinem Werke macht
uns mit der Methode der Proportion des Bernardino
Campi bekannt, der dem Maße des Barbaro noch ein
Drittel Gesichtslänge hinzusezte und seine Proportion Fol-
gendermaßen vertheilte: von der Spitze des Kopfes bis
zur Spitze der Stirn ein Drittel; das Gesicht eine; von
dem Kinn bis an die Halsgrube ein Drittel; von der
Kehle bis an die Brustwarzen eine; von dort bis an den
Nabel (jedoch noch etwas über ihn) eine; von da bis
an die Schaam eine; bis zur Mitte der Schenkel eine;
bis über dem Knie eine; das Knie selbst zwei) Drittel;
unter dem Knie bis zu den Zwillingen eine; von da bis
zu Ende des Beines eine, bis zur Sohle ein Drittel, zu-
sammen also nenn nnd zwe» Drittel Gesichtslängen.. Diese
Proportion stimmt durchaus mit der des Varro überein,
der einzige Unterschied ist der, daß die Knie, statt eines,
zwey Drittel der Gesichtslängen enthalten. Die vornehm-
sten Mängel derselben sind, daß darin die Beine zu klein,
die Schenkel schwer, der Hals kurz, der Rumpf schwach
und das Ganze nicht harmonisch erscheint.
Ein Künstler von ausgezeichnetem Verdienste war
Aeneas Salmcggia von Bergamo, der mehrere Ge-
mälde von reinem Style verfertigte. Im Jahre 1607
schrieb er ein Buch über die menschliche Proportion, wie
aus einem von T assi 2) bekannt gemachten Fragmente
desselben erhellt. Daraus ergibt sich klar, daß er leichte
und den gewöhnlichen vorzuziehende Methoden erfunden
hatte. Für die beste Proportion erklärt er die von zehn
Gesichtslängen, die nach einer gleichmäßigen Methode die
Maße jedes Alters angibt; allein die weiteren Auseinan-
1) Discorso d’Alessandro Lamo intorno all*
Scultura e Pittura dove si ragiono dclla Vita ed
opcre di Bernardino Campi, Pittore Cremonese.
Crcmona 1584. 4.
2) Vita de’ Pittori Bcrgamaschi etc.