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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 5.1870

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Obermayer, Eugen: Der "Salon" von 1870, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4918#0161

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seme „Salome" der Held des Tages geworden. Kolorist
bis in die Fingerspitzen, tritt er nnt überwältigender
Kühnheit auf. Wir haben nicht den Muth, ihm darüber
zu grollen, daß er das Bildniß einer spanischen Zigeu-
nerin, daß er erst später als ganze Fignr ansgeführt, (die
Leinwand ilt angestückelt) „Salome" tanfte; denn dieses
siegesstolze, herzlose Wesen, in dessen Augen ein unheim-
liches Feuer lodert, das, gräßlich lachend, die ZLHne fast
wie ein Naubthier fletscht, verwirrt, erschreckt uus bei dem
ersten Anblick nicht minder als alle arglosen Beschauer.
Ja, diese lüsterne TLuzerin wLre noch heutigen Tages im
Stande, irgend einen Herodes Antipas zu eiuer Schand-
that zu versühren! Sie ist eine „Teufelinne" vom
rabenlockigen Scheitel bis zur schneeweißen Zehe. Die
müde, blaße Salome sitzt iu voller Beleuchtung vor uns
und erwartet, daß ihr bethörter Oheim nun auch sein
Wort halte; das Becken, das ihr im Schooß ruht, das
Messer, das dariuueu liegt, sie lauern auf das Haupt des
heil. Johannes des Täufers. Und ihr Buseu, den die
dünuen Hülleu mehr als erratheu lassen, hebt sich erwar-
tungsvoll, während sie ihre Rechte trotzig in die Seite
stemmt. Der Hintergrund des Bildes ist ein citronen-
gelber, fein geblümter Vorhang von solcher SchLrfe des
Tones, daß er allein hinreichend wLre, jeden Fleischton
schwLrzlich und schwer erscheinen zu lassen, und doch
leuchten und sprühen diese, als ob sie sich von dem dunkelsten
Grunde abhöben. Diese flüssige Behandlung des Fleisch-
tons ist außerordcntlich scköu, wie auch die breit und leicht
ausgeführten, goldfLdendurchwirkten GewLnder unüber-
trcfslick sind. Regnault ist uuleugbar einerderWenigen,
die aus dem Vollen schafseu, ein AuserwLhlter.

Carolus Durand, ein eben so junger Mann wie
Negnault, hat mit seinem lebeusgroßen Bildniß der Ge-
mahlin des Hrn. E. Fchdeau eineu gewaltigen LLrm ge-
schlagen. Die Lußerst geschmackvolle Toilette der Dame
hat dazu namentlich beim großen Publikum gewiß vielbei-
getrageu, doch freuten sich auch feiuere Augen an diesem
harmonischeu Bilde, in dem die pomphafte Manier der
besten französischen Portraitmaler, Rigaud und Largil-
lmre, wieder aufzulebeu scheint. C. Durand leitet sein
Farbenorchester mit seltener Sicherheit: ein lichtgrüner
Teppich, ein dunkler Vorhang von derselben Farbe, ein
blaues Unter-, ein Lilla-Oberkleid, die blauen Bänder im
schwarzen Haar, die schwLrzlichen Straußfedern, die das
Ueberkleid einsLumen, die rothe Rose am Busen, alle diese
voll uud laut angeschlagenen Töne singen und klingen
zusammen, daß es eine freudige Ueberraschung hervor-
bringt. Und so muß denn auch die lautere Vollenduug
der Ausführung, die nichts Aengstliches keunt, diese er-
freulich breite Behandlung gelobt werden, weun wir auch
nicht verschweigen, daß die Fleischtöne, wie das bei in
voller Beleuchtung gemalten Bildnisseu so oft der Fall,
etwas bleich nnd grau zurücktreteu.

Das größte Genrebild desSalons ist von V. Giraud
gezeichnet und „le ollurmsur" benanut. Ein Lgyptischer
VogelzLhmer zeigt eiuer Gesellschaft reichgekleideter Römer
und Römerinnen die Künste seiner klugen Zöglinge. Die
Szene spieltin einem Raume, desseu eine Wand ein langer
Vorhang, dessen Decke ein Glasdach; lebensgroße, sitzende
Figuren von sprechendem Ausdruck und Geberdenspiel,
welche der stehende Jüngling sichtlich ergötzt. Es springt
in die Augen, daß dieser Vorwurf nicht so groß ausge-
führt zu werden brauchte. Allein es scheint dem jungen
Künstler auf einen Versuch angekommen zu sein, den er
in großem Maßstabe unternehmen wollte. Wie dem auch
sei, das tief nnd saftig gehalteue Bild strahlt eine Leucht-
kraft aus, wie sie nur die besteu venezianischen Koloristen
besitzen. Bei näherem Eingehen entdeckt man, daß V. Gi-
rand diese energische Wirkung dadurch erzielt, daß ertiefe,
hart gegen einander stehende Lokalfarben, ohne sie
durch feine Halbtöne malerisch abzustufen, schrosf neben-
einander stellt. Diese Kraft der Färbung verleiht den
sehr scharf gezeichneteu Gestalteu eiue seltene Körperlichkeit,
die selbst durch die bedeutende Höhe, auf welcher das Bild
hiug, nur wenig von ihrer überraschenden Wirkung ein-
büßt. Die künstliche, zu grelle Beleuchtung erklärt uus
diescn Efsekt nur einigermaßen; jedeufalls möchten wir
ihn für ein gefährliches Spiel halten; denn eine Leiu-
wand, aufder alle lichten, vermittelnden FarbenübergLnge
fehlen, die nur mit — gewiß sehr dick aufgetragenen —
ganzen, vollen Farben bcmalt ist, muß binnen kurzem
schwer, schmutzig, völlig glanzlos erscheinen.

Wir haben oben angedeutet, daß Regnault bei
aller Freiheit der Behandlung seinen Stoff geistvoll er-
faßt uud durchgeführt hat. Die anderen Maler, die sich
auf das Gebiet der Bibel wagteu, habeu sie uicht so glück-
lich umzudichteu verstanden. Der sonst so wählerischc,
fast nur zu sorgfältige Delaunah fand sich diesmal mit
einer KreuzstLtte ab, die an nichts Bcsseres mahnt, als
au eines der viclen figureureichen kleinen Bilder der
Küustlerfamilie Frauck. Czazal sucht, wie fast dic
ganze junge Zunft der Frominen, durch landschaftlichc
Treue, geschichtliche Kostüme, lebendige Bewcguug und
kräftige FLrbung zu wirken, verfällt aber dabei inö
Melodromatische, Gemeine. Sein „Kreuzweg" siukt zum
bloßen Schauspiel herab; die vom Treppenabsatze vor
dem Thore ihrer Wohnung stehende, bei dem Anblick
ihres göttlichen Sohnes, der mühsam unter dcr Kreuzes-
last daher kömmt, laut aufschreieude Maria, könnte allcr-
diugs als eiue gut aufgcfaßte Niobc gelten.

Auf dieseni realistischen Wcge wird die moderne
religiöse Kunst gewiß nicht zum Heile gelangen. Sollte ihr
es etwa der sich so einfältigstellendePuvis deChavan-
nes verschafsen? Das wäre sonderbar, aber auch nur
dann möglich, weun der Weg von eincni Heiligenbilde
biS zur Erhebung des Gemüthcs nicht durch die Augen
 
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