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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Voss, Georg: Die deutsche Kunst auf der Weltausstellung zu Antwerpen, [4]
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Die deutsche Kunst auf der Weltausstsllung zu Antwerpen.

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17. Jahrhunderts zu behandeln, der die eigentliche
Poesie scines Bildes in der Harnivnie der Farben sucht,
und auch auf mythologischem Gebiete vvr der Dar-
stellung frischer, fröhlicher Bauerngesichter nicht zurück-
schreckt; ebenso sehr aber auch die unbefangene Auf-
fassung Geigers, welcher in die mit den modernen
Darstellungsmitteln eines Alma Tadema gemalte Mar-
morwelt der Alten die der unmittelbaren Wirklichkeit
abgelauschten Gestalten zweier kaum dem Kindesalter
entwachsenen MLdchen hineinsetzt. Die übrigen Bilder
derselben Gattung bewegen sich durchaus in der bei
uns herkömmlichen idealistischen Auffassung, zugleich aber
auch in dem alten Schlendrian einer nirgends dem
künstlerischen Können der Gegenwart entsprechenden
Darstellungsweise.

Die Landschaften der deutschen Abteilung sind nichi
durchweg bedeutend genug, um von unserer Land-
schastsmalerei eine vollkommen zutreffende Vorstellung
geben zu können. Am stattlichsten Vvn allen deutschen
Kunststädten ist DUsseldorf vertreten. Der Grund da-
sür ist sicher nur zufällig. Der Düsseldvrfer kennt dic
ihm eng benachbarten Niederlande und hat ein anderes
Jnteresse an einer dortigen Ausstellung. Antwerpen
ist von Düsseldorf in fünf Stunden zu erreichen. Zu-
dem war Düsseldorf der diesjährige Sammelplatz der
Deutschen, auf dem die Jury für die Auswahl der nach
Antwerpen zu schickenden Bilder zusammengetreten war
— alles Grund genug, um an Ort und Stelle zu
einer lebhasteren Beteiligung anzuregen. Düsseldorf
ist denn auch mit insgesamt 70 Malern, München
mit 64 und Berlin nur mit 26 Malern in Antwerpen
erschicnen. Unter den Düsseldorfer Landschaftern ragen,
wie fast auf allen unseren Ausstellungen, die beiden
Malerfürsten Andreas uud Oswald Achenbach
mächtig hervor. Beide sind auch hier wiederum mit
ersten Preisen bedacht worden. Oswald scheint noch
jetzt in seinem Alter eine neue Wendung einzuschlagen.
Sein hier ausgestelltes Bild: „DerPosilippo bei Neapel"
ist ein treffliches Beispiel für seine erst in den aller-
letzten Jahren ausgesprocheue Vorliebe für die Wirkung
des grellen weißen Sonnenlichtes. Der Realismus
der Zeit ist auch an diesen Dichter der Farbe mit
seiner gebieterischen Forderung herangetreten. Bon
Gregor von Bochmann hat die Berliner National-
galerie die große holländische Kanallandschaft herge-
schickt. Von Richard Burnier ist eine farbenprächtige
Abendlandschaft aus den Ardennen ausgestellt, welche
davon zeugt, welch reichbegabtes Talent mit seinem
Tode aus der Welt geschieden ist. Georg Oeder
bringt zwei Waldblicke in der von ihm so oft geschil-
derten, düsteren Stimmung eines frostigen Herbst-
abends. Mit einer trefflichen Wnldlandschaft in sonniger
Mittagsschipüle ist auch Heinrich Deiters erschienen.

Von Christian Kröner ist eines seiner besten Bilder,
„Hirsche im Morgennebel auf dem Brocken", ausge-
stellt. — Kurz die alten Talente sind in der Haupt-
sache dieselben geblieben und die neuen sind nicht mit
ihren besten Arbeiten aufgetreten. Alle diese Düffeldorfer
Landschaftsmaler, die alten wie die jungen, gehen
jeder seinen besonderen Weg. Von einheitlichen Zielen,
denen alle oder besondere Künstlergruppen zustrebten,
ist bei ihnen nicht die Rede. Ein gemeinsames Ge-
präge, durch welches sich die Düsseldorfer Landschafts-
malerei als besondere Schule zu erkennen gäbe, giebt
es, wie in Berlin, augenblicklich nicht. Ganz anders
tritt dies in München und Karlsruhe hervor, wobei
allerdings die Karlsruher Landschaftsmaler in der
Hauptsache nur als aus dem Hauptlager versprengte
Münchener aufzufaffen sind. Die Landschafter der
Münchener Schule sind seit den letzten Jahren über-
all sofort herauszukennen. Besonders die große
Schar derjenigen, welche sich an Lier, Diez und
Schleich anschließen. Wohl in keinem Kllnstlerkreise ist
eine so gründliche Vernachlässigung der Komposition an
der Tagesordnung. Jn der Regel zerschneidet die glatte,
kahle Linie des Horizvntes die Bilder in zwei Hälsten.
Die jungen Münchener sind sich der Wirkung ihrer
Farbe so sicher, daß sie es nicht mehr für nötig hal-
ten, der alten Forderung der Landschastsmalerei nach
einem inhaltreichen, linienschönen Aufbau und nach
einer Gliederung des Raumes in verschieden abgestufte
Gründe gerecht zu werden. Jn alle diese Arbeiten
kommt dadurch unleugbar der Eindruck großer Ein-
förmigkeit, der durch die beständige Wiederholung
der speziell der Atmosphäre des Jsarthales eigen-
tümlichen Lichteffekte nur vermehrt wird. Außer
den vorgenannten Diez und Schleich sind nach dieser
Richtung hin hier besonders Josef Wenglein und
Richard von Poschinger mit recht guten Arbeiten
vertreten. >— Der Charakter der braunen, schweren
Farbe der Münchener Landschaftsmaler verleugnet sich
selbst dann nicht, wenn es gilt, einen ganz anderen
Boden unter einem anderen Himmel zu malen. Lud-
wig Willroider hat hier eine Ansicht der Riviera
di Ponente ausgestellt, in der die Landschaft und der
Himmel gemalt sind, als ob es sich um eine Gegend
bei München handelte und als wenn den Fuß dieser
Felsen nicht das blaue Meer, sondern die Fluten
der Jsar bespülten. Nur eine verlorene Kaktusstaude
und die malerische Tracht einer Bäuerin erinnert den
Beschauer daran, daß auch an diesem kalten grauen
Himmel die Sonne Jtaliens scheinen soll. Von den
ganz verwandten Karlsruher Meistern haben Herrmann
Baisch, Gustav Schönleber und Friedrich Kall-
morgen einige recht schöne Landschaften geschickt. Der
letztere tritt hier auch durch seine vortreffliche Stasfage
 
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