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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Levin, Th.: Die Porträtgalerie in Herrenhausen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0063

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Die Porträtgalerie in Herrenhausen.

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in diesem sprungweisen Wechsel Vvn strichelnder Zeich-
nnng und brcil ausfließender Malerei steht eine künst-
lerische Jndividualität stärkster AnziehungSkraft, cin
künstlerisches Originaltalcnt allercrsten RangeS Vvr
nnS. Die duftige Erscheinung der zarten Frau, der
uian die Fähigkeit, dcm hamwverschen Hause fünfzehn
Sprossen von mehr oder weniger hünenhafter Gestalt
zu geben, nicht ansieht, tritt uns in cinem mit wcißcr
Seide unterzogenen Kleide von klarem weißen Stvff
entgegen, iiber das ein schwarzcs Spitzentuch nachlässig
geworfen ist. Hinter ihr ein violett-roter Vorhang,
ü ks, Loräons, links Ausblick ins Freie mit Gebüsch
vvn abgetöntem Grün. Hände flüchtig wie die meisten
des Belazguez, aber nicht weniger stark gefllhlt. Tritt
man in das Nebenzimmer zuriick, so rundet sich die
kolvristische Wirknng zu ungcahntem Rciz ab; es ist
schwer, davvn lvszukvmmen. -—Der Gemahl, Gevrg III.,
scheint deni Kiinstler weniger beguem gelegen zu haben.
Dvch verliert man neben cinem so ganz genial aus der
Art schlagenden Werk die gerechte Schätzung.

Geradezu abkühlend wirkt danach das Bildnis
dessclben Königs im Krönungsornat von Bcnjamin
West. Er hat gclerut, was zn lcrnen möglich war.
Akademische Korrektheit, die mit dem trefflich modellirten
Kvpf uns die höchste Achtung abnvtigt, ncben jeglichem
Mangel an individuell künstlerischem Seelenleben, an
Mitteln sclbständiger Aussprache. Die kvlvristische
Wirknng ist trocken und trübe. Glcichwohl findet man
bcim Anblick dcr Kopie, welche als Pendant dient,
das richtige Maß der Schätzung für das künstlerische
Vcrdienst des durch seinc Lehrthätigkcit bcdentenden
Meisters.

Zwei Emailpvrträts von dem geseierten Henry
Bone (Georg II. in englischer Generalsuniform zu
Pfcrde und der Erzbischof zu Canterbury), eine große
Anzahl englischer Miniaturen, unter welchen fast
nichts der Betrachtung Unwertes, vervollständigen das
glänzende Bild der englischen Porträtkunst an der
Wcnde des Jahrhunderts.

Da gewährt es denn eine ganz besondere Genug-
thuung, zwei deutsche neuere Meister zu finden, welche
in ihrer Eigenart neben den Engländern durchaus stand-
halten, Franz Krüger und Friedrich Kaulbach.
Ersterer ist durch eine größere Anzahl Porträts von
Mitgliedern des hohenzollernschen und hannoverschen
Hauscs vertreten; durch keines aber sv glänzcnd, wie
dnrch das Reiterporträt des Königs Ernst August in
dcr Umgebung scines SvhneS Gcvrg, des Adjutanten
vvn Steinberg, des Oberstallmeifters von Spörken und
des Generals Grasen von Linsingcn, Ivclcher die Parade
auf dem Waterlooplatz kommandirt. Der Schimmel,
den der König reitet, hat wohl in der deutschen Kunst
an Energie der Plastik keinen Rivaleu. Bleibt bei

Krüger immer ein Beigeschmack von militärischer
Steifigkeit, von der man nicht recht weiß, vb die Er-
scheinung sie dem Künstler aufzwang, oder ob sie die
Grenze seines AuffassungsvermLgens bezeichnet — viel-
leicht traf beides zu, — so finden wir in dem kolossalen
Gruppcnbilde Georgs V. und sciner Familie von
Friedrich Kaulbach die schwierige Aufgabe glänzend
gelöst, an der sich gerade in jüngster Zeit cine Reihe
nicht nnbegabtcr KUnstler vergeblich abgenutzt hat.
Das ist königlich und echt künstlerisch zugleich.—-Es
sei hier auch erwähnt, daß das Jnteresse noch durch
eine große Anzahl Vvn Arbeiten anderer deutscher
Künstler in Anspruch genommen wird, von denen ich
nur L. Ammy Blane und Oesterley namhast machen
will. Von der Hand des letzteren sah ich ein außer-
ordentlich anziehendes Pvrträt der Gemahlin des
Großfürsten Konstantiu, Alexandra, in Anffassung und
rcizvollcm Arraugement an Karl Sohn crinnernd.

Der modcrnen Kunst steht die ältere nicht min-
der wohlgerüstet gegenüber. Wer sich davvn überzeugen
will, daß Miereveld Anspruchauf einen weit besseren
Ehreuplatz hat, als ihm dic große Masse seiner schnell-
sertigen Prvdnkte anwcist, der studire ihn zunächst iu
Hannover. Das Bildnis Friedrichs V. von der Pfalz,
1623, also zwei Jahre nach dem jähcn Vcrbleichcn
seines kurzen Glanzes gemalt und niit dem vollen
Namen des Meisters bezeichnet, wllrde der Stvlz jeder
noch so wohl versorgten Sammlung sein. Melancho-
lisch wie der Mond aus trübem Gewölk leuchtct das
synipathische Antlitz des Dulders aus dem Dunkel des
Hintergrundes, der mit dem umrahmenden Haarwuchs
und Bart in einander geht. Auch das 1626 gemalte
Bildnis seiner Gemahlin Elisabeth Stuart, gleichfalls
mitMierevelds vollem Namen gezeichnet, ist ein Meister-
werk und büßt nur neben einem solchen Nachbar seine
volle Wirkung ein. Jn der Sammlung des Königs
Georg zeigt das Bildnis einer alten Frau von rück-
sichtslosestem Realismus dcn Meister auf der Höhe seineS
Schaffens.

Auch den jüngeren Hvnthorst kann nian nirgend
besser kennen lernen als in Hannover und besonders
iu Herreuhausen. Man rcchnet dic hier vertrctcnen
Bildnisse seinem Bruder Gerard zu, doch besteht über
die Autvrschaft kein Zweifel. -DaS O vor dcm Namen be-
zeichnet d en Vornamen Guilliam — Willem. — Adriaen
Hannemann ist namcntlich durch das Bildnis dcr
Louise Hollandine gut vcrtreten, aber noch eine An-
zahl anderer verdienstlicher Arbeiten wird ihm init
Recht zugeschrieben. — Zwei treffliche, leider hart mit-
genommene Pvrträts von N. Maas, Christian Lud-
wig und Ernst August, von der späteren Gattung im
Maßstab unter Lebensgrvße. — Die Autorschast
Pompeo Batoni's konnte ich aus einer Signatur an
 
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