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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Heft 8 (3. Dezember)
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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0072

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131

Vom Christmarkt.

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stäben und den verschnürten Lotvsstengeln seine
Kenntnis altägyptischer Architektur, aber sowohl die
Züge der Kranken als auch die der farbigen Dienerinnen
verleugnen umsonst die deutsche Abstammung. Wäh-
rend der Schöpfer des „Nero beim Brande Roms"
meist leidenschaftlich bewegte Auftritte zum Vorwurf
nimmt, fällt die Wahl E. Teschendvrffs fast stets auf
Scenen „plastischer Ruhe". Jn Uarda und Rameri,
in Klea und Jrene schuf er Gestalten von hellenischer
Jugendschöne, die nicht nur durch ihre schlanken, in
ein helles Himation oder in ein dunkles Ampechonion
gehullte Formen an seine Antigone und Jsmene er-
inuern. „Eine Frage" ist selbstverständlich durch das
Bild des Niederländers L. Alma-Tadema vertreten,
welches dem Schriststeller zu seiner Dichtung den An-
laß bot. Wir bewundern in ihm hier weniger die
hohe Vollendung der modernen Technik des Gemäldes
als die große archäologische Treue des Originales.
Außerdem hat sich Alma-Tadema noch mit einem
Bilde zu Loino suni beteiligt, auf welchem der Dis-
kus werfende Anachoret eine Aktstudie vvn packender
Lebendigkeit darbietet. Hermann Kaulbachs Gemälde
zur „Frau Bürgermeisterin" und „Ein Wort" zeichnen
sich, wie alle seine Werke, vor allem durch treffliche
Behandlung der Details aus. Der Preis gebührt hier
unstreitig seinem „Ulrich mit Ruth während des Ge-
witters im Walde", einem reizvollen Genrebilde, wel-
ches „Paul und Virginie" in deutsche Formen über-
trägt und „Hermaun und Dorothea" ins Kindliche
übersetzt. Nvch erwähnen wir W. Gentz' „Mirfam
mit den Zicgeu an der Quelle" als ein Gemälde,
welches sowohl in der lauschenden Mädchengestalt als
in der landschaftlichen Scenerie hohen Liebreiz in sich
birgt. — Die photographischen Reproduktionen sind
beinahe sehlerfrei, nur wünschten wir, daß sie sich, wie
diejenigen der erstbesprochenen Sammlung, mit weni-
ger „Glanz" bedeckten.

Hieran reihe sich noch die Prachtausgabe einer
Dichtung von älterem Datum: Felix Dahns „Harald
und Theano" ^). Jm Jahre 1854 sandte sie der da-
mals zwanzigjährige Schriftsteller von München aus
an Friedrich Rückert als Geburtstagsgabe und erhielt
darauf vom „Alten in Neuseß" eine eingehende Wür-
digung des Epos, begleitet von anerkennenden und
ermunternden Versen mit der prophetischen Schluß-
wendung:

„Diesmal brachte der Mai mir weniger Blüten
im Garten,

Doch aus der Ferne ein Lied brachte mir reichen
Ersatz, —

1) Harald und Theano, eine Dichtung in fünf Ge-
sängen von Felix Dahn. Jllustrirt von Joh. Gehrts.
Leipzig, Verlag von A. Titze.

Duftige Blumen aus Nord und aus Süd —
Harald und Theano —

Liebliche Blüte, die nvch reichere Früchte verheißt."
Die völlig frei erfundene Handlung spielt auf Cypern zu
Anfang des vierten Jahrhunderts, zur Zeit des verfallen-
den Römerreiches mit seiner großartigen, aber überreifen
Kultur und des aufgehenden Germanentums in seiner
rauhen Heldenkraft und Reinheit, wobei die griechisch-
römische Götterwelt, sowie christliche und altgermanische
Elemente sich kreuzen. Nach dem Verhallen des bac-
chantischen Jubels entarteter Griechen vernehmen wir
des Sängers Worte von der beginnenden Liebe Haralds,
des Sachsenherzvgs, und der Griechenjungfrau Theano,
vom tückischen Verrate ihres Bruders Phalantos und
dem tragischen Geschicke Harald Siegfrieds und hören
am Schlusse, unterbrochen vvn den Schlachtgesängen
der Sachsen und den ernsten Weisen der Christen, seine
Rede in dem hohen Liede der Licbe ausklingcn, welche
über das Grab dauert.

Der etwas frömmelnde Schlußakkord der Dich-
tung wirkt ästhetisch nicht günstig, svnst aber ist dic
Dichtung für einen Zwanzigjährigen eine tüchtige
Leistung. Mit dem Jllustrator Jvh. Gehrts hat die
Verlagshandlung diesmal einen entschiedenen Mißgriff
gethan. Jn seinen Frauengestalten solgt cr den
P. Thumannschen Spuren; er erreicht zwar sein Vor-
bild nicht, und vvn Griechentum gar steckt in der Ver-
körperung der Theano herzlich wenig. Doch ist
I. Gehrts Linienführung nicht ohne Liebreiz und der
modischen Geschmacksrichtung durchans entsprcchend, in-
svfern sie mehr durch naive Anmut als durch energische
Charakteristik wirken möchte. Jnsbesondere weiß er
in den Jnitialen und Vignetten geschmackvolle Ein-
fälle zu verwerten. Allein in der Schilderung der
germanischen Männer erweist sich Gehrts keines-
wegs als Meister. Diese gutmütigen Tölpel mit
den schwülstigen aufgetriebenen Muskelu, diese Kraft-
stoffel, welche dem farnesischen Herkules vergeblich
nachzuäffen versuchen, müssen doch auf Menschen von
einigermaßen durchgebildetem Geschmacke eincn wenig
erfreulichen Eindruck machen. „Phantastisch sind sie
aufgeputzt, doch fratzenhaft, daß jeder stutzt." Die
Vollbilder mögcn zum Teil noch hingehen, z. B. ist
die Scene, wo Theano den deutschen Fürsten aufsucht
und zagend auf der Thürschwelle steht, nicht ohne Ge-
schmack und Glück dargestellt. Allein in den Zinko-
graphien (die man uns doch in der gewöhnlichen
Qualität lieber nicht in Prachtwerke bringen sollte!)
zeigt es sich deutlich, daß die Kunst I. Gehrts' noch
auf recht schwachen Füßen steht und der schattirenden
malerischen Behandlung dringend bedarf, damit die
Schwäche der Konturzeichnung nicht mit all der er-
schreckenden Deutlichkeit hervortrete, wie in dem vor-
 
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