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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Heft 8 (3. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0074

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Kunstlitteratur und Kunsthandel.

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den Borstehern und Vorsteherinnen des Oude Mannen-
huis von 1664 smd die wichtigsten Gemälde des
großen Harlemer Meisters vertreten nnd gestatten uns,
dessen Entwickelung von den etwas schweren Anfängen
bis zu dem freien und breiten Bortrage seiner späteren
Jahre zu verfolgen. Außerordentlich erleichtert wird
das Studium, besonders im Hinblick auf die Mal-
weise des Künstlers, durch die Detailaufnahmen ein-
zelner Gruppen und Köpfe aus den großen Schützen-
bildern in vergrößertem Maßstabe. Strebenden Künst-
lern ist noch selten Anregenderes und Lehrreicheres
geboten worden als diese Blätter. Jnteressant ist
auch der Vergleich mit dem prachtvollen Zuge der
S. Adrians-Schützen von der Hand van der Helst's,
welcher ebenfalls in einer prächtigen Reproduktion
vorliegt. FUr die ungemein klaren Photographien der
Gemälde Jan de Bray's und Versproncks wird der
Kunstforscher dankbar seiy, den sie in den Stand setzen,
manche hier und da in den Sammlungen unter den
Namen Hals oder van der Helst Vvrkonimenden Ent-
tvürfe richtiger zu bestimmcn und diesen Nachfolgern
der großen Harlemer Porträtisten zuzuweisen. Mit
einem Wvrte, wir können dieses neue Galeriewerk
Liebhabern, KUnstlern nnd Kunstforschern nur herzlichst
empsehlen.

Kunst und Künstlcr der crsten Hälftc des 19. Iahrhnnderts,
unter Mitnurkung von Fachgenossen hernusgegeben oon
Robert Dohnie. ' 19. biS 26. Lieferung (Schluß). hoch 4.
nrit Jllustrationen. Leipzig, Seemann.

Mit den kürzlich ausgegebenen acht Lieferungen ist das
große kunsthistorisch-biogräphische Untsrnehmen, dessen erste
sechs Bände die Meister der älteren Zeit von Giotto bis
auf Louis David behandeln, zu einem vorläufigen Abschluß
gelangt. Diese Schlußhefte fiihren zunnchst den umfangreich-
sten Abschnitt des Werkes zu Ende, in wslchem die sogen.
„Nazarener" als eins durch gemeinsamen Ursprung und
innere Verwandtschaft zusammsngehörige Gruppe in pragmati-
scher Darstellung bshandelt sind. Die Arbeit läßt auch in ihrem
letzten Drittel dsn ungemeinen Fleiß hervortreten, mit wel-
chem Veit Valentin den Spuren der fiinf Genossen nachge-
gangen ist; besonders verdienstlich ist die Würdigung der
Kunstthätigkeit Jossf Führichs, dessen schöpferische Kraft am
längsten standhielt. Das Gegenbild zu den „farbenscheuen"
Deutschrömern liefert die Itzruppe der französischen Koloristen,
welche dem nüchtsrnen Klassizismus der Davidschen Schule
den Garaus machten. Das Vorspiel der großen Revolution
in der künstlerischsn Gsschmacksrichtung schildert Richard
Graul in der Lebensbsschreibung des „Barons" Gros,ber
widerwillig die Bahnen seines Lehrers verläßt und als Apo-
loget des Napoleonischen Kriegsruhms den ersten Anstoß zur
Entwickelung der modernen Schlachtenmalsrei giebt. Nach
ihm treten die großenRevolutionäre Göricault und Dela-
croix, die gewaltigen Gegner dss akademischen Klassizismus,
auf die Bühne, mit sicherem, den bewandsrten Sachkenner
verratenden Urteil geschildert von Adolf Rofenberg. Den
Nachtrab Lilden die Hauptvsrtreter des malerischen „Oppor-
tunismus", die aus den romantischen Neigungsn und dsm
Erregungsbedürfnis der Leute zur Zeit des Bürgerkönigtums
Kapital zu schlagen wuhten, der schnellfsrtige Jmprovisator
Horace Vernet und der bedächtige, das Grausige mit ge-
fälligem Anstand vortragende Delaroche. Die Charakter-
bildsr diefer beiden von der Mitwelt mehr als von der Nach-
welt anerkannten Gröhen hat ebenfalls Adolf Rosenberg mit
gewandter Feder gezeichnet; ihm danken wir auch das

Schlußkapitel, das dem durch seins herrlichen Schilderungen
des italienischen Landvolks vor der Vergessenheit bewahrten
Schwsizer Leopold Robert gewidmet ist.

x.— Lübkc's Geschichte der Renaiffance in Frankreich ist in
der neuen Auflage soeben vollständig geworden. Das Buch hat
keine innereUmgestaltung,wohlaber ansehnlicheBereicherungen
erfahren, sowohl was Text, als was Jllustrationen anlangt.
Das Studium des Buches ist unseren Künstlern und Kunsthand-
werkern vor allem deshalb zu empfehlen, weil die zierlichere
französische Renaissance einen guten Einfluß auf die Kunst-
anschauungen derjsnigsn ausüben kann, welche in dem Kreise
der modernisirten deutschen Renaissance ganz befangen sind.
Der Kultus der deutschen Renaissance nimmt in unseren Tagen
ein immer manierirteres Geprägs an; da ist es doch gut,
wenn man ihm neue Einflüsse zuführt, die das Formgefühl
zu läutern und zu veredeln geeignet sind. Wir werden auf
das Werk später in eingehender Weise zurückkommen.

« Von dcr I.ililiotiiinsiic; iiitornntiiiiinlo <Io 1'trt,

welche die rührige Verlagshandlung von Rouam in Paris
seit einigen Jahren veröffentlicht, sind soeben zwei neue
Bände erschienen: Lebrun von Gsnevay und Ghiberti
von Perkins. Beide geben umfassende Charakteristiken der
geschilderten Meister und namentlich das erstere Werk zeichnet
zu dem Haupthelden einen weitausgedehnten geschichtlichen
Hintergrund, welchsr von dsr Zeit Franz' 1. bis zu den letz-
ten Ausläufern der Schule Lebruns reicht. An der Jllustra-
tion dieser geschätzten Monographien bemerkt man eine
wesentliche Verschlechterung gegen früher. Verglichen mit den
schönen Abbildungen in Len l'iöonrssnrs von Aiiinh und
dem voriges Jahr von uns besprochenen Werke über die
Robbia ist insbesondere das Buch von Perkins über Ghiberti
sehr ungenügsnd illustrirt.

8eti. v. L. Wcimarischer Nadirvcrein. Als vor einigen
Jahren die beiden niederländischsn Maler Linnig Vater und
Sohn, welch ersterer inzwischen gestorben ist, der großherzogl.
Kunstschule und Weimar den Rücken wandten, glaubte man
annehmen zu dürfen, daß durch ihr Fortgehen der „Weima-
rische Radirverein", den sie hauptsächlich ins Leben gerufen,
nach und nach einschlafen würde. Die neue Edition (Jahr-
gang 1885) des Vereins, im Verlage der Gesellschaft er-
schienen, belehrt uns jedoch eines Besseren und zeigt im großen
und ganzen, daß, wenn auch die Mitwirkung der genannten
trefflichen Radirkünstler fehlt, doch das Unternehinen ein
lebenskräftiges ist. Jn einer diesmal besonders hübsch aus-
gestatteten Mappe werden uns 13 Radirungen gebotcn, die
zum größten Teil als wohlgelungen zu bezeichnen sind. Be-
sonders hervorheben möchten wir eine wirkungsvolle Archi-
tsktur von dem rühmlichst bekannten Landschafter Prof.
Theodor Hagen. Das Motiv dieses Blattes scheint uns
dsr an malerischen Reizen so reichen Stadt Marburg ent-
nommen zu sein. Den unvermsidlichen Kopf eines Alten
bietet uns Prof. Thedy in einer realistisch durchgeführten
ZeAhnung, „Nach Feierabend" betitelt. Dem verwitterten
Alten schmeckt sein Pfeifchen — und damit ist der nicht allzu
interessante und wenig geistreiche Vorwurf erschöpft. Zwei
Bilder aus der Manöverzeit giebt uns Hans W. Schmidt
in seinem „Marsch, marsch!" (eins herantrabende Feldbatterie)
und in „Kurze Rast" (ein flotter Ulan, der sich vom Stern-
wirt in Großobringsn ein Glas Bier aufs Roß reichen ließ,
das er in großen Zügen leert). Ein ziemlich großes Blatt:
8anvs gni psut (flüchtende Wildschweine in einer Schnee-
landschaft), habenK. Ahrsnds und Hossmann von Fallers-
leben zusammen gemacht. Leicht geschieht es bei solchem Zu-
sammenarbeitsn, daß dem Ganzen die Harmonie inangelt.
Dies ist auch hier der Fall. Jn Lie vorzüglich durchgeführte
Landschaft des letzteren wollen die ziemlich roh gezcichneten
Sauen des ersteren nicht recht hineinpassen und wir miissen
gestehen, daß uns die Landschast allein lieber wäre. Weitere
Beiträge der diesjährigen Edition sind Landschaften von dem
bestrenommirten E. Weichberg und von Thomas, ein
hübsches Seestück: „Ostmolo bei Swinemünde" vvn Mäker,
Tierbilder von Lorenz, Lindblom und Brendel und ein
nicht besonders geglücktes Blatt genrehaften Stoffes von
Herger. Die neue Ausgabe des Weimarischen Radir-
 
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