Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

DOI Artikel:
J. Scheurenbergs Wandgemälde im Justizpalaste zu Kassel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3s. Iahrgang.

Nr. s7.

Aunstchronik

1885/86. > ^ 4;. Februar.

Mochenschrift für Aunst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine.

k)erausgeber:

Larl v. Lützow und Arthur j)abst

wien Berlin,

Lxxedition:

Leipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. ;5. Berlin: w. Is. Kühl, Iägerstr. 72.


Z. chcheurenbergs Wandgemälde im Iustizpalaste
zu Rassel.

0. bl. An den beiden Hauptwänden des Treppen-
hauses im obengenannten Gebäude hat Professor
Scheurenberg aus Berlin, der leider nur vorüber-
gehend — vom Jahre 1879 bis 1881 — der Akademie
der bildenden Künste zu Kassel als Lehrer angehörte, kürz-
lich die Darstellung der vier weltlichen Kardinaltugenden
vollendet. Die zwei ersten, Tapferkeit nnd Mäßigung,
waren schon Herbst 1882 vollendet, die Weisheit
als dritte Sommer 1883. Der Abschluß des Cyklus
wurde durch eine Reihe dazwischen liegender Arbeiten
des trefflichen Künstlers bis zum Herbst letzten Jahres
hinausgeschoben. Jm Hinblick auf die große und wich-
tige Arbeit selbst dürfen wir diese Verzögerung nicht
bedauern. Denn wie seder echte Künstler hat sich
Scheurenberg an der monumentalen Aufgabe entwickelt,
seine Kräfte haben sich ersichtlich im Fortschritt der
Arbeit ausgestaltet, sie sind gewachsen und gereift.
Hervorragend und originell sind die vier Gemälde
durchweg, die letzte aber ist nach unserer Ansicht ent-
schieden die beste.

Wenn man die Treppe innerhalb des Gebäudes
hinaufsteigt, befindet sich links zunächst das Bild der
„Tapserkeit". Es zeigt eine hoheitsvolle Frau in
Riistung, gekröntem Helm und wallendem Mantel, wie
sie eben mit einem Schwert in der erhobenen Rechten
einen tückisch heranschleichendcn Bösewicht zurückscheucht,
während dessen erkorenes Opfer, ein Mädchen in weißem
Gewande, das unschuldsvolle Haupt mit einem Kränz-
lein geschmiickt, sich Hilfe flehend unter den schirmenden

Mantel geschmiegt hat. Mit ernstem, entschlossenem
Antlitz waltet die Gerechtigkeit — hier die Kraft und
und Macht des Gesetzes verkörpernd — ihres Amtes,
die Verfolgten und unschuldig Unterdriickten zu schützen,
die Verbrecher zu schrecken und zu strafen. Den Hinter-
grund bildet Säulenarchitektur mit Durchblick auf ein
Schlachtfeld, wo zwei gepanzerte Reiterscharen sich
bekämpfen — als Parallele der nioralischen zu der
körperlichen Tapferkeit.

Das Bild ist ebenso eigenartig in der Jdee wie
schön in der Ausführung, klar in der Komposition,
bewegt, ohne unruhig zu sein, licht und reich in der
Farbe. Die Berkörperung eines idealen Begriffs ist
hier in thätige Verbindung gesetzt mit einem realen
Vorgang, aber so ungezwungen und gelassen maßvoll,
daß der letztere aus dem Genrehaften dadurch in die
Sphäre der Jdee emporgehoben wird und ihr gleich-
sam notwendig verbunden ein harmonisches Ganzes
mit derselben ausmacht. Kurz, die Darstellung ist nicht,
wic es häufig in solchen Fällen geschieht, in den
Grenzen einer frostigen Allegorie befangen geblieben,
sondern das Auge kann sich daran wie an der Natur
ersreuen, und doch ist der monumentale Stil voll-
kommcn gewahrt. Jn ihrer ungewöhnlichen Auffassung
erinnern diese Kompositionen Scheurenbergs in etwas
an Giotto, wie wir denn zu seinem Vorteil wahr-
nehmen, daß er sich mit Liebe an die Alten anlehnt,
ohne indes dabei seine mvderne Selbständigkeit auf-
zugeben.

Das zweite Bild links, im Ausbau höchst glück-
lich abgewogen, zeigt wiederum drei Figuren. Die
„Mäßigung", anfgefaßt als eine junge Frau im Kostüm
 
Annotationen