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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Korrespondenz aus Frankfurt a/M.

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schattenschweren nnd staubbedeckten Bäumen umsäum-
ten „Straße bei Castellamare" schwcift der Blick
hinaus in die neapolitanische Bucht und über das himmel-
blauspiegelnde Mccr weg, uin im Vesuv seincn Ruhepunlt
zu finden. Hier ist der Kontrast der tiesen Schatten
mit dem grellen Sonnenlicht mit aller Schärfe aus-
geprägt; man sieht, wie Achenbach mehr und mehr dem
lichtsrohen Realismus des Tages Konzessionen macht,
allerdings zum Schaden einheitlicher Stimmung. Aber
was die „Straße bei Castellamare" auch an sentimen-
talem Farbenzauber einbüßt, das gewinnt sie an über-
zengender Wahrheit.

Noch einige andere Künstler lvckcn unö in das
Land der Hesperiden. Der Hamburger A. Lutte-
roth weist uns in duftig zarten Tönen den „Monte
Solaro auf Capri"; nnr hat der Künstler das viele
Licht seines großen Gemäld es nicht so glücklich zu be-
wältigen vermocht wie Oswald Achenbach. Die
Modellirnng der Fclscnformativnen ist zu weich; bei
aller Helligkeit fehlt es an Klarheit in dcm Bilde. Ein
Vorwurs übrigens, von dcm auch Edmnnd Berningers
(Münchens im Tone wärmeres „Capri" nicht freizu-
sprechen ist.

Ja, wenn es mit dem vollen Licht allein gethan
wäre! Die erhebliche Schwierigkeit, bei tagesgreller
Beleuchtnng dic lokalen Tonwerte in ihrer Stärkc
festzuhalten, sie einheitlich zu vermitteln, zu verhindern,
daß die Formen nicht fleckenhaft erscheinen — man
denke an die ts.olis8 der Jmpressionisten, — dieser Uni-
stand ist es, welcher zumeist die Wirknng der naturali-
stischer Schildereien in Frage stellt. Das haben die
ernststrebenden französischen Lichtmaler wohl empfun-
den, als sie lieber die voraussetzungslose imprsssion
dem künstlerischen ^sntinront opferten, lieber den
drakonischen Gesetzen cines Manet abtrünnig wurden,
als daß sie durch zu handgreisliche mnosritö ihr Werk
verübelten. Es sehlt im hiesigen Kunstverein nicht an
mehr oder weniger schüchternen Versuchen, bei uns die
Pariser Schrnllc einznführen.

Beachtenswerte Stimmiingsbilder sendet- der Düssel-
dorfer C. Schweich in seinen sein empfundenen Land-
schaften „Von der Himmelsmoosalpe" nnd besonders
„Aus dem Bergischen".— Weitab hingegen von irdischer
Herrlichkeit fllhrt uns Ludwig Knaus mit seinen zwei
reizenden Amorettcngruppen, zwei beflügeltcn Puttcn-
figürchen, — Pendants — im Zwist nnd in lieblicher
Einigkeit. Die Gruppen sind geschmackvoll in dem
kreisrunden Raum disponirt, sie sind leicht, mit Boucher-
scher Laune, fast aguarellmäßig behandelt, nur schadet
ihrer koloristischen Wirkung die unschöne, allzu üppige
Vergoldung der breiten Rahmen.

Hiermit verlassen wir den Kunstverein und
wenden uns der Gemäldevereinigung zu, welche, von

E. A. Fleischmanns Kunsthandlung in München arran-
girt, zur Zeit bei Rudolf Bangel zur Schau steht.
Als großer Lockvogel dieser Ansstellung, unter dessen
Fittichen sich einige 80 Bilder zusammengeschart haben,
dient der „Bauernaufstand" (in llnegusris) von Georges
Rochegrosse. Es ist diesclbc umfängliche Malerei, die
wir bereits in unscrem vorjährigen Salonbericht iu
der Zeitschrift (Bd. XX, S. 234) den Lesern bckannt
gemacht haben. Wir reihen unseren dortigen Be-
merkungen einiges, erweiternd, an.

Niemand wird an dem Werke des jungen sran-
zösischen Künstlers die Zeugnisse eines reifen Talen-
tes missen. Die Handhabung des Technischen versteht
Rochegrosse wie einer. Die Kvmposition seines Bildes
ist im Hinblick auf die beabsichtigte Wirkung tadels-
ohne. Man beachtc beispielsweisc die Klust zwischen
den todesbang zusammenkauernden Frauen und Kindern
und den eindringenden Empörern, welche auf einen
kurzen Augenblick nur der ohnmächtige Heroismus der
in hagerer Größe sich aufrichtenden Ahne zurückbannt.
Rvchcgrosse spannt unser Gesühl auf die Folter. Nichtö
bleibt der ängstlich vvrauseilenden Phantasie als die
Vorstellung einer wüsten Mordscene. Und mit welch
beleidigendem Naturalismus hat der Maler niensch-
liche Bestialität verkörpcrt! So ist denn auch die rein
ästhetische Wirkung dieser schaurigen Malerei gleich
Nnll. Will wirklich die Kunst mit dcr Natur wett-
eifern, so thut sie es, ihrer Schranken bewußt, um den
Preis weiser Entsagung. Das hätte auch Rochegrosse
bedenkcn sollen. Und doch ist der Künstler in diesem
Werke mit dem ihm eigenen leidenschaftlichen Ungestüm
zurückhaltender gewesen als in seinen frühercn Arbeitcn:
in seiuem „Tod dcs Vitellins" (1882) und in dcr
„Andrvmache" (1883), dem Werkc, das ihn, trvtz viel-
facher Mängel, mit einem Schlage zum berühmten
Mann machte. Man hat auf Spuren der Romantik —
im franzvsischen Wortverstande ^— angesichts der „zah-
meren" Jacguerie aufmerksam gemacht, man sindet mit
Recht in der Gruppenbildung und in der Gebärden-
sprache manches Theatralische, abcr man ging cntschie-
den zu weit, wenn man Delaroche heraufbeschwor, um
ihn dcm Maler der Jaeguerie als geistigcn Stamm-
vater zu geben. Wir wünschten gern dem jüngeren
Künstler etwas mehr von der 8NA688S, die man
Delnroche immer noch vorzuwerfen nicht müde wird.

Eine Perle der Bangelschen Ausstellung ist ein
treffliches Bild Adolf Schreyers. Jn dem arabischen
„Standartenträger" kann die Pikanterie des Kvlorits
nicht leicht übertrumpft werden, wenn nicht bei virtuvse-
rem Chik der Maler zum Skizzisten werden will. Mit
sicherem Pinsel sind die lebhaften Farben der malerischen
Gewandung behandelt, sind die Glanzlichter anfgesetzt;
die Zeichnung verfehlt nie die eminente Charakteristik.
 
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