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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Rosenberg, Adolf: Zur Rubensforschung
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0176

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339 Zur Rubensforschung. — Kunstlitteratur.

arbeiten übrig bleibt. Man hört aus diesen Äuße-
rungen sehr deutlich die Klage heraus, daß die Kom-
mune Antwerpen ihre Versprechungen, die sie 1877
mit vollem Munde gethan, nicht eingehalten hnt.
Überdies ist der belgische Buchhandel so sehr von dem
französischen unterjocht, daß er keinen Mut zn eigenen
Unternehmungen von größerer Bedeutung findet.

Wir miissen uns also bis auf weiteres an den
Bericht halten, welchen Ruelens nber seine im Auf-
trage der Rubenskommission nach Jtalien im vorigen
Jahre unternommene Reise abgestattet hat. Die ihm
gegönnte Zeit war nur beschränkt. Er hat sich jedoch
seine Arbeit dadurch erleichtert, daß er in allen Archi-
vcn, Bibliotheken, Mnseen u. s. w. vorher hatte Nach-
forschungen anstellen lassen, die sich auf seinen Reise-
zweck bezogen. Er hatte also nur in den meisten
Fällen die Ergebnisse der von Archivaren, Bibliothekaren
und Museumsbeamlcn angestellten Forschungen einzn-
sammeln. Aus seinem sehr auregend geschriebenen Be-
richt geht hervor, daß seine Reise in Jtalien — soweit
es sich nm belangreiche Dokumente zur Geschichte von
Rubens' Ausenthalt in Jtalien handelt — nur nega-
tive Resnltate ergeben hat, obwohl er sehr sorgsam
allen Spuren nachgegangen ist, welche auf Rubens
hinweisen. Die großen Staats- und die Mehrzahl
der Privatarchive sowie die Bibliotheken sind nnch allen
Richtungen durchforscht worden, ohne daß sich mehr
gefunden hat als einige Details, die das von A. Baschet
entworfene Bild in einer Reihe von Zügen vervoll-
ständigen. Jn dieser Beziehung hat besonders das
Mantuanische Archiv Ausbente geliefert, durch welche
wir ein treues Bild des seltsamen Herzogs Vincenzo
Gonzaga, des Dienstherrn von Rubens, erhaltcn
werden. Am meisten beklagt Ruelens den Um-
stand, daß der Briefwechsel zwische» Nubens und
Spinola spurlos verschwunden ist. Er vermutet über-
dies, daß noch manches auf Rubens Bezllgliche in der
rätselhaften Bibliothek des Lord Ashburnham verbor-
gen fein wird, von der nur ein Teil an die italienifche
Regierung verkauft wvrdeu ist, während sich die Unter-
handlungen mit Frankreich zerschlagen haben. Eincn
Bcitrag zu Rubens' Korrespondenz hat die italienische
Neise des belgischen Forschers indessen doch geliefert,
einen noch unveröffentlichten Brief Pvlitischen Jnhalts
an Dupuy Vvm 9. Dezember 1627, den Ruelcns m
einer französischen Übersetzung mitteilt. Er ist mit der
Gonelli'schen Antographensammlung in die National-
bibliothek zu Florenz gekommen und gehörte ursprüng-
lich eineni der Dupuy'schen Mannskriptenbände in der
Pariser Nationalbibliothek an, aus welchem er von
cineni Autographendiebe mit einer Schere heraus-
geschnitten worden war und zwar vor 1838, da er
in der Gachelschen Sammlung nicht enthalten ist.

Den wichtigsten Fund hat Ruelens jedoch nicht
in Jtalien, sondern in Paris gemacht, einen 7 Folio-
seiten umfassenden Brief von Rubens an Peiresc vom
18. Dezember 1634, welcher eine Reihe interessanter bio-
graphischer Einzelheiten enthält und namentlich sür die
Charakteristik von Rubens' liebenswürdiger Persönlich-
keit von großer Bedeutung ist. Leider teilt Ruelens diesen
Brief nur in Bruchstücken und in einer freien Übersetzung
mit, so daß man sich also bis zum Erscheinen der ver-
heißenen großen Publikation gedulden muß.

Dasselbe Heft des Hnllstin Lnbon8bringt noch einen
dritten bis dahin unveröffentlichten Bries von Rubens
an seinen Protektor am mantuanischen Hose Annibale
Chieppio, welcher aus Rom vom 28. April 1607 datirt
^ ist und eine Danksagung für eine Sendnng von fünf-
! zig Skudi, seinem üblichen Gehalt, enthält. An und
für sich von geringem Belang, bietet er doch eine
dankenswerte Ergänzung zu der Serie der von Baschet
und dem Unterzeichneten publizirten Briefe aus dem
i Mantuanischen Archiv. Dieser neue Brief ist im Juni
1885 von der Stadt Anlwerpen bei der Versteigerung
der Bovetschen Autographensammlung angekauft wor-
den, in welche letztere er aus der Sammlung Fillon
gekommen ist. Die Wanderung dieses Briefes, von
dem nian doch annehmen muß, daß er sich ursprüng-
lich auch in Mantua bei den übrigen Briefen besun-
den hat, liefert einen Beitrag zu dem seltsamen Kapitel
von dem Verschwinden und Wiederaustauchen von
Autographen. Wie in der Politik, gilt aber auch hier
der Satz: Ueati possiäsntos!

Adolf Nosenberg.

Aunstlitteratur.

Aanon aller menschlichen Gestalten und der Tiere.
Erfunden und ausführlich dargestellt von Johannes
Bochenek. Mit eineni Vorwort von Pros. Or.
C. Jessen. Berlin 1885, A. Seidel. 8".

Daß die Lehre von den Proportionen des mensch-
lichen Körpers für den ausübenden Künstler einen
unmittelbar praktischen Nutzen bietet, darllber waltet
kein Zweifel. Die Wissenschaft giebt ihm die sicheren
Grundlagen für die Maßverhältnisse der einzelnen
Teile, sixirt die Grenzen der Schwankungen, in welchen
sich die Natur ergeht, und legt die Wachstumsgesetze
klar. Kein Künstler wird, sobald er es mit der Dar-
stellung des Nackten ernst nimmt, die wissenschaftliche
Korrcklur in dieser Richtung ignoriren dürfen. Die
nnifasienden Untersuchungen und vielfachen Messungen,
welche auf diesem Gebiete in neuerer Zeit, namentlich
durch Quetelet, Zeising, Liharzik, Schmidt und Langer
angestellt wurden, haben sür die Proportionsverhält-
nisse der menschlichcn Gestalt gewisse Mittelwerte er-
 
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