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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Langl, J.: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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451

Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

452

liren. Ein zweiles kleineres Bild des Kaisers von
demselben Meister ist in Bezug auf Ähnlichkeit und
Auffassung dem genannten ebenbürtig; der Kopf bürfte
zu dem Besten gehören, was Angeli gemalt hat. —
Bon Wirkung sind Benczurs Porträts der Grafen
Jul. Kürolyi und Göza Szaparh. Jn der Anf-
fassung schlicht und anspruchslos, aber gediegen in
Farbe und Zeichnung, treten die Gestalten in leuch-
tender Plastik aus dem Hintergrunde heraus. Auch
das Porträt des Grafen Andrassy teilt diese Vorzüge,
wenngleich nur in bedingtem Maße, da die nichts
weniger als malerische Unisorm dem Künstler wohl
unüberwindliche Schwierigkeiten bot. An Benczur
reihen sich S. L'Allemand mit dem in diesen Blättern
schon erwähnten sprechend ähnlichen Bildnis des Grafen
Trautmannsdvrf und Griepenkerl mit dem Porträt
des früheren Ministers Hye; letzteres ist ein trefflich
mvdellirter Charakterkopf, ganz im Geiste Rahls ge-
malt. Vvn den Bildnissen Vita's ist schon der Per-
sönlichkeit halber das des Barons C. Hasenauer
hervorzuheben; fleißig bis ins kleinste Detail durch-
geführt, imponirt dasselbe besonders durch vornehme
Haltung, leidet jedoch an einer gewissen Glätte und
Trockenheit im Ton. Die Bilder von Ed. Gelli in
Florenz zeigen eine ebenso geistreiche wie elegante
Technik; namentlich ist die junge Dame im Rosakleid
mit gewähltem Geschmack gemalt; weniger kann dies
von ihrem Gegenstück gesagt werden. Der Fleischton hat
bei beiden, übrigens ganz reizvollen, Köpfen eine eigen-
tümtiche Mattigkeit. Hat denn der unglückselige Reis-
puder auch zu der Palette schon Zutritt gefunden?
— Achtenswertes iin Porträte ist noch von G. Gaul
(Baron Gustav Heine-Geldern), Groll nnd Papperitz
zu verzeichnen; desglcichen verdienen die Arbeitcn von
den Damen M. Müller, I. Swoboda und A.
Seydel volle Anerkennung.

Die bnnteste Abwechselung herrscht im Genrebilde;
es ist da keine besondere Richtung vorwiegend. Die
Künstler folgen gerade in diesem Zweige der Malerei
am ausgesprochensten ihrem individuellcn Zuge; srei-
lich ist es nicht jedem gegeben, tiefer in das Seclen-
leben einzudringen und, wenn auch nicht geschichtlichen,
so doch novellistischen Reiz in die Darstellung zu
bringen; meist sind es Episoden, Momentbilder heiterer
Natur, bei denen in erster Linie mit technischen Ge-
schicklichkeiten brillirt wird, oder es ist das „gelungene
Modcll" an und für sich das „Bild". Seelenmaler
von der Gedankentiefe eines Bautier giebt es eben
nicht viele, und wie oft schon hat dieser Meister mit
einem ganz anspruchslosen Bildchen eine ganze AuS-
stellnng geschlagen! Auch diesmal nimmt sein „Sonn-
tagnachmittag" unter dcn Genrebildern einen der ersten
Plätze ein. Der Künstler erhielt dafür die goldene

Medaille'). Auf Ler Holzbank vor dem Friedhoss-
kirchlein sitzt, den Blick gedankenvoll zu Boden ge-
schlagen, ein Bauernmädchen, mit dem Schirme glcich-
gültig auf der Erde spielend; an ihrer Seite haben
eine ältere Frau und ein jüngeres Mädchen Platz ge-
nommen und lispeln heimlich, aber bedeutungsvoll
über ihre Nachbarin. Jm Hintergrunde nahen durch
die malerische Pforte Dorfleute zur Vesper; ein
Stückchen See und bewaldete Berge schließen das rei-
zend komponirte Bild ab. Es ist scheinbar so wenig
und doch so viel in den drei auf der Bank sitzenden
Gestalten ausgedrückt. Die Vereinsamte, die so
verlassen „wie der Stein auf der Straßen" dasitzt,
nimmt sofort unsere Teilnahme in Beschlag. Friede
ringsum in der herrlichen Natur, nur in dem Herzen dieser
sympathischen Gestalt hcrrscht kein Friede! Was ist die
Ursache ihres Kummers? Der Künstler überläßt die
Beantwortung dieser Frage dem Beschauer. — Dem
großen Düsseldorfer Meister reiht sich H. Oehmichen
mit dem „Begrabnis in Westfalen" würdig an. Es
ist ein oft gemalter Vorwurf, welchen der Künstler
neuerdings, und zwar in ergreifender Weise zur Dar-
stellung gebracht hat. Auf der ganzen Bersammlnng
lastet die tiefe Trauer um den Dahingeschiedenen, der
im schwarzen Sarge vor ihnen ruht und dem sie eben
das letzte Geleite geben. Es sind markige, charakter-
volle Gestalten, die uns alle interefsiren. Durch die
halbgeöffnete Thür des Hintergrunds lacht das be-
sonnte Grün des Frühlings, ein versöhnender Kontrast
zu der trübenStimmung im dnsteren VorhosedesTrauer-
hauses. — Einempoesievollen Gedanken hat Bern atzik
in einem Cyklus von vier Bildern künstlerischcn Aus-
druck verliehen. Das Menschendasein niit den vier
Jahreszeiten allegorisch zu verweben, ist originell und
bietet einem denkenden Künstler dankbare Motive.
Die sorglose Jugend treibt in dem blütenprangenden
Garten des Frühlings heitere Spiele; im Schweiße
seines Angesichts erntet der gereifte Mann im Sommer
die Saat des Feldes; gedankenvoll in sich versunken,
erinnert sich das Alter unter herbstlich gebleichten
Bäumen vergangener Tage, und an frostigem Winter-
tag trägt man den müden Wanderer auf der Bahre
zur letzten Ruheftätte. Bernatzik ist eiu guter Beob-
achter, zeichnet vortrefflich uud hat auch als Maler
seine achtenswerten Seiten, hin und wieder mit im-
Pressionistischeu Anklängen. — Jn Grützners „Aucr-
bachs Keller" geht cs toll und lustig zu. Das Ge-
mälde reiht sich in seiner technischen Vollendung des
Künstlers Bildern aus dem Klosterkeller ivürdig an,
fesselt aber weniger in den einzelnen Gestalteu; die
Klosterbrüder steheu uns ebcn näher. — B. Brozik hnt

1) Dis beiden anderen goldenen Medaillen erhielten
dieses Jahr Benczur und Scharff.
 
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