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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Lenbachs Porträt Leo's XIII.
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Schönfeld, Paul: Ein neues Werk über die toskanische Renaissance-Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0264

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Ein neues Werk über die toskanische Rsnaissancearchitektur.

offenbart. Dieses Auge gebietet nicht mit der rück-
fichtslosen Geradheit wie jenes Bismarcks; es durch-
bohrt mit fiegesgewisier Überlegenheit den Gegner und
läßt dabei den Mund freundlich lächeln.

Mit der Konzentrirung aller geistigen Fäden im
Antlitz steht die Einfachheit in allen Nebensachen, im
Kostüm u. s. w. im Zusammenhange. Weißes Ge-
wand, kleines weißes Käppchen, dunkelroter Samt-
kragen, mit fchmalem weißen Pelzbesatz, an der rechten
Hand ein kostbarer Ring: das ist alles! Auch von
technischer Seite ist auf das Antlitz das Hauptgewicht
gelegt. Der breite Schädel ist kräftig herausmodellirt,
die Zeichnung der Gesichtszüge Prägnant, mit fast
herber Charakteristik. Alles andere ist mehr oder min-
der nebensächlich behandelt, gewiß nicht ohne Absicht,
um das Auge immer wieder zum Auge, dem geistigen
Centrum des Gemäldes, zurück zu sühren.

Lenbachs Bildnis ist, alles in allem genommen,
kein Papstporträt im landläufigen Sinne. Aber es
entspricht durchaus den von uns vorangestellten An-
forderungen: es ist ein Gemälde von historischem
Charakter in des Wortes vollster Bedeutnng^).

ll. I..

Ein neues N)erk über die toskanische Renaissance-
architektur.

Daß speziell für die Florentiner Baudenkmäler
der Renaissance eine neue Bearbeitung durchaus not-
wendig, die in illustrativer wie textlicher Hinsicht auf
der Höhe der Zeit stehend den Fachleuten ein absolut
zuverlässiges Material sür das Studium jener hoch-
wichtigen Schöpfungen darböte, unterlag schon längst
keinem Zweifel in den Kreisen derer, die sich näher
mit denselben beschäftigten und angesichts so manches
Florentiner Palastes oder Kirchenbaues in die Lage
kamen, die Unzulänglichkeit und Unzuverlässigkeit der
älteren Publikationen zu konstatiren. Da hierin ein
großer Nachteil namentlich für diejenigen unter den
praktisch lhätigen Architckten licgt, denen es nicht ver-
gönnt ist, an Ort und Stelle so eingehende Spezial-
studien zu machen, daß sie solcher Hilfsmittel über-
haupt entraten könnten, so darf ein Unternehmen, wie
das vor kurzem unter dem Titel: „Die Architektur dcr
Renaissance in Toskana, nach den Meistern geordnet,
dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen,
Villen und Monumenten von der Gesellschaft San
Giorgio in Florenz" in der Verlagsanstalt für Kun>t
und Wissenschaft (vormals Friedr. Bruckmann) z»

1) Soeben verlautet, daß das Bild von der königlich
bayerischen Regisrung um den Preis von 15 000 Mk. angekauft
worden ist. Es wird seinen Platz in der Neuen Pinakothek
zu München finden.

München begonnene Prachtwerk, wohl einer sympathi-
schen Aufnahme in weiten Kreisen sicher sein. Es ist
dies in der That eine Erscheinung der einheimischen
Kunstlitteratur, die, wenn anders die Fortsetzung sich
in den Bahnen der vorliegenden ersten Lieferung hält,
nicht nur alle srüheren deutschen Publikationen ver-
wandter Art weit hinter sich lasien, sondern sich auch
den besten neueren Leistungen des Auslandes durchaus
ebenbürtig, ja in mancher Beziehung überlegen er-
weisen wird.

Die musterhafte Durchführung des Werkes, wie
sie schon nach der ersten Probe erwartet werden darf,
findet ihre Erklärung in der Art und Weise seines Ent-
stehens, in den überaus gründlichen, mit außerordent-
licher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit unternommenen
Vorarbeiten. Nicht auf äußere Veranlasiung und nicht
durch staatliche oder anderweitige Subsidien unterstützt,
sondern lediglich aus idealer Begeisterung sür die Sache
vereinigte sich vor mehreren Jahren eine Anzahl meist
jüngerer deutscher Architekten ^) in Florenz zu dem
Zwecke, die bedeutendsten architektonischen Monumente
der toskanischen Renaisiance und zwar neben den Flo-
rentinern auch diejenigen kleinerer Städte wie Siena,
Prato, Montepulciano, Lucca, Pisa, Arezzo u. s. w.
in möglichst exakten und vollständigen Aufnahmen
herauszugeben. Jn der Via dei Bardi gemietete große
Räumlichkeiten ermöglichen den Mitgliedern der Ge-
sellschaft ein enges Zusammenarbeiten, nach festem, ein-
heitlichem Plane. Über das Verfahren, welches bei
den Aufnahmen befolgt ward, findet man eingehenden
Aufschluß in der von H. von Geymüller vorausge-
schickten Einleitung, aus welcher nur kurz angeführt sei,
daß eine 18 m hohe, auf Rollen bewegliche Turm-
leiter von sieben Geschosien für die Faffadenaufnahmen
und eine 12 m hohe Portaleiter für innere Aufnah-
men benutzt wurde, mit deren Hilfe die genauesten
Messungen vorgenommen werden konnten, daß ferner
alle Gesimsgliederungen, Friesstücke, Kapitäle u. s. w.
nach eigens angefertigten vortrefflichen Gipsabgüsien in
der doppelten Größe der Reproduktionen aufgetragen
und dann an Ort und Stelle gezeichnet wurden. Auf
diese Weise gelang es, die Mängel früherer Publika-
tionen zu vermeiden, die in Bezug auf Genauigkeit
und Bollständigkeit, wie ein Vergleich mit dem vor-
liegenden Werke lehrt, den gründliche Aufklärung
suchenden Fachmann nur zu häufig im Stiche lasien.

Parallel mit der künstlerischen Thätigkeit gingen
technische Untersuchungen sowie litterarische und histo-

1) A. R. Widmann, der leider, wie seinerzeit in der
Kunstchronik berichtet, im August >885 in Granada der Cho-
lera zum Opfer fiel, F. O. Schulze, P. Hentschel und G.
Gsell, denen später noch R.Hallmann, P. Kurr, N. Bennertltz),
R. Lorenz und W. Schleicher als Mitwirkende beitraten.
 
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