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Thorm im Mittelalter,
520
spiegelt. Die Geschichte des deutschen Ordens bedarf
noch einer durchgreifenden monumentalen Jllustration.
Was Frick fnr die Marienburg, v. Quast sodann für
Schloß Heilsberg und den Dom zu Frauenberg ge-
leistet, bleiben nur vereinzelte Bausteine. Eine gründ-
liche Durchsorschung nnd getreue Darstellung der ge-
samten Überreste ans jener großen Zeit, welche die
unverrückbaren Grundlagen für die Germanifirung
unseres Nordostens gelegt hat, ist eine der dringendsten
Forderungen, welche im Jnteresse deutscher Kultur- und
Kunstgeschichte erhoben werden müssen; den ersten Schritt
zu einer solchen Schilderung begrüßen wir in der vor-
liegenden Arbeit. Da sie sich als ersten Teil eines
Werkes über „die Baukunst des deutschen Ritterordens
in Preußen" bezeichnet, sv dürfen wir der frohen Hoff-
nung leben, diese große Lücke in der Kenntnis jener
hochbedeutendenBauschöPfungen im Laufe der Zeit aus-
gefttllt zu sehen.
Welch wichtige Berichtigungen früherer An-
schauuugen wir an dieser Veröffentlichung zn erwarten
haben, bezeugt schou der erste Teil des Werkes.
Noch v. Quast war der Ansicht, daß der Orden sich
lange Zeit mit bloßen Notbauten aus Holz und Erde
begnügt habe und kaum vor dem 14. Jahrhundert zn
einer eigentlichen monumentalen Bauthätigkeit über-
gegangen fei. Diese damals beliebte Spätdatirung
der mittelalterlichsten Bauten lag gleichsam in der Luft
jener Zeit und war ein berechtigter Rückschlag gegen
eine unkritische Auffassung, welche oft blindlings
den Bauten, auf Grund irgend eines llberlieferten
Stiftungsdatums, das höchste Alter zuzusprechen liebte.
Es möge nur daran eriunert werden, wie z. B. die
Gewölbeanlage des Domes von Naumburg, unzweifel-
hast eineSchvpfung des IZ.Jahrhunderts, ins lO.Jahr-
hundert hinaufgerückt wurde. Aber im Drange, diese
willkllrlichen Frllhdatirungen zu berichtigen, schlich sich
uicht selten der umgekehrte Fehler ein, und das stellt
sich schon jetzt auch sür die Bauten des deutschen Ordens
heraus. Nachdem Prof. Töppen schon auf Grund archi-
valischer Berichte diese Ansichten widerlegt hat, findet
diese Annahme an einer bereits im 13. Jahrhundert
mit Energie aufgenommeuen monumentalen Bauthätig-
keit des Ordens in den Untersuchungen Steinbrechts
ihre volle Bestätigung.
Es stellt sich demnach heraus, daß der Orden, so-
bald er eben an einem Platze festen Fuß gefaßt hatte,
die provisorischen Anlagen durch dauernde Steiukon-
struktionen zu ersetzen suchte. Gewiß waren ihm
dafür die Gewohnheiten des Orients maßgebend; aber
das gesamte Walten und Wirkeu des Ordeus ist von
ebenso hoher staatsmännischer Klugheit wie militäri-
scher Umsicht geleitet, und so war es denn begreiflich,
vaß er das eben besetzte Land dnrch eine Kette von
Besestigungen zu sichern suchte. Die erste Burg, mit
welcher der Orden seine Herrschaft auf dem rechten
Weichseluser zu befestigen unternahm, ist Thorn, dessen
noch immer nach allen Zerstörungen großartige Sil-
houette der Reisende auf hohem Uferrand weithin stolz
die eintönige Ebene beherrschen sieht. Die „Königin
der Weichsel" war uicht bloß (wie sie es noch heute
ist) das Hauptbollwerk gegen den slavischen Osten,
sondern auch die feste Brücke, welche die vorgeschobeu-
sten Posten deutscher Kultur mit dem Mutterlande
verband. So zeigte sich schon in der Wahl des
Ortes der sichere strategische Blick, welcher dem Ordeu
eigen war. Was denn überhaupt alle Bauten dieses
Ritterordens auszeichnet, ist die Verbindung militäri-
scher und religiöser Rücksichten und die Verschmelzung
derselben zu Konzeptionen, wie wir sie am großartig-
sten in der Marienburg noch jetzt vor Augen haben,
wo jene Elemente zugleich den Ausdruck gebieterischer
Macht und glänzender Pracht weltlicher Herrschaft ge-
winnen. Um nun die Bauten von Thorn im Zu-
sammenhange mit den übrigen Ordensbauten richtig
auffassen zu können, hat Steinbrecht seine Unter-
suchungen über das ganze Ordensland ausgedehnt und
in einer Einleitung von den Ergebnissen Rechenschaft
abgelegt. Darauf begründet er dann seine Schilde-
rungen der Thorner Denkmale, denen er genaue Auf-
nahmen in einer Reihe durchgeführter architektonischer
Tafeln und einer Anzahl dem Text eingedruckter Zeich-
nuugen widmet.
Die Hauptpunkte der Baugeschichte Thorns sind
folgende. Als die Ordensritter durch Herzog Konrad
von Masovien gegen die heidnischen Preußen zu Hilfe
gerufen wurden, war ihr Erstes, daß sie auf dem rechten
Ufer der Weichsel da, wo das kleine Flüßchen Bache
in dieselbe mündet, einen festen Platz anlegten, der
ihnen als Operationsbasisfür ihre weiteren Eroberungen
dienen sollte. Dies war im Jahre 1231. Rasch
wurden nun durch große Vergünstigungen deutsche
Kolonisteu herbeigezogen, die sv zahlreich kamen, daß
sckon 1233 ihnen das Stadtrecht verliehen wurde.
Während des Aufstandes der Preußen, der von 1242
elf Jahre lang wütete, wußte Thorn mehrfachen
Belageruugen standzuhalten, obwohl damals die Be-
festigungen erst provisorischen Charakter hatten. Die seit
1253 eintretende Friedenszeit wird dann sofort beuutzt,
um die Befestigungen in Steinbau auszuführen. So
schnell aber ist durch fortwährendes Zuströmen der
Einwanderer das Wachstum der Stadt, daß schon 1264
die Neustadt gegründet wurde. Währeud aber die
Altstadt die begünstigte Lage am Fluß erhalten hatte,
sah sich die Neustadt vom Strome abgedrängt, da das
Schloß mit seinen umfangreichen Anlagen sich wie ein
Keil vor die Weichsel und zugleich zwischen Alt- und
Thorm im Mittelalter,
520
spiegelt. Die Geschichte des deutschen Ordens bedarf
noch einer durchgreifenden monumentalen Jllustration.
Was Frick fnr die Marienburg, v. Quast sodann für
Schloß Heilsberg und den Dom zu Frauenberg ge-
leistet, bleiben nur vereinzelte Bausteine. Eine gründ-
liche Durchsorschung nnd getreue Darstellung der ge-
samten Überreste ans jener großen Zeit, welche die
unverrückbaren Grundlagen für die Germanifirung
unseres Nordostens gelegt hat, ist eine der dringendsten
Forderungen, welche im Jnteresse deutscher Kultur- und
Kunstgeschichte erhoben werden müssen; den ersten Schritt
zu einer solchen Schilderung begrüßen wir in der vor-
liegenden Arbeit. Da sie sich als ersten Teil eines
Werkes über „die Baukunst des deutschen Ritterordens
in Preußen" bezeichnet, sv dürfen wir der frohen Hoff-
nung leben, diese große Lücke in der Kenntnis jener
hochbedeutendenBauschöPfungen im Laufe der Zeit aus-
gefttllt zu sehen.
Welch wichtige Berichtigungen früherer An-
schauuugen wir an dieser Veröffentlichung zn erwarten
haben, bezeugt schou der erste Teil des Werkes.
Noch v. Quast war der Ansicht, daß der Orden sich
lange Zeit mit bloßen Notbauten aus Holz und Erde
begnügt habe und kaum vor dem 14. Jahrhundert zn
einer eigentlichen monumentalen Bauthätigkeit über-
gegangen fei. Diese damals beliebte Spätdatirung
der mittelalterlichsten Bauten lag gleichsam in der Luft
jener Zeit und war ein berechtigter Rückschlag gegen
eine unkritische Auffassung, welche oft blindlings
den Bauten, auf Grund irgend eines llberlieferten
Stiftungsdatums, das höchste Alter zuzusprechen liebte.
Es möge nur daran eriunert werden, wie z. B. die
Gewölbeanlage des Domes von Naumburg, unzweifel-
hast eineSchvpfung des IZ.Jahrhunderts, ins lO.Jahr-
hundert hinaufgerückt wurde. Aber im Drange, diese
willkllrlichen Frllhdatirungen zu berichtigen, schlich sich
uicht selten der umgekehrte Fehler ein, und das stellt
sich schon jetzt auch sür die Bauten des deutschen Ordens
heraus. Nachdem Prof. Töppen schon auf Grund archi-
valischer Berichte diese Ansichten widerlegt hat, findet
diese Annahme an einer bereits im 13. Jahrhundert
mit Energie aufgenommeuen monumentalen Bauthätig-
keit des Ordens in den Untersuchungen Steinbrechts
ihre volle Bestätigung.
Es stellt sich demnach heraus, daß der Orden, so-
bald er eben an einem Platze festen Fuß gefaßt hatte,
die provisorischen Anlagen durch dauernde Steiukon-
struktionen zu ersetzen suchte. Gewiß waren ihm
dafür die Gewohnheiten des Orients maßgebend; aber
das gesamte Walten und Wirkeu des Ordeus ist von
ebenso hoher staatsmännischer Klugheit wie militäri-
scher Umsicht geleitet, und so war es denn begreiflich,
vaß er das eben besetzte Land dnrch eine Kette von
Besestigungen zu sichern suchte. Die erste Burg, mit
welcher der Orden seine Herrschaft auf dem rechten
Weichseluser zu befestigen unternahm, ist Thorn, dessen
noch immer nach allen Zerstörungen großartige Sil-
houette der Reisende auf hohem Uferrand weithin stolz
die eintönige Ebene beherrschen sieht. Die „Königin
der Weichsel" war uicht bloß (wie sie es noch heute
ist) das Hauptbollwerk gegen den slavischen Osten,
sondern auch die feste Brücke, welche die vorgeschobeu-
sten Posten deutscher Kultur mit dem Mutterlande
verband. So zeigte sich schon in der Wahl des
Ortes der sichere strategische Blick, welcher dem Ordeu
eigen war. Was denn überhaupt alle Bauten dieses
Ritterordens auszeichnet, ist die Verbindung militäri-
scher und religiöser Rücksichten und die Verschmelzung
derselben zu Konzeptionen, wie wir sie am großartig-
sten in der Marienburg noch jetzt vor Augen haben,
wo jene Elemente zugleich den Ausdruck gebieterischer
Macht und glänzender Pracht weltlicher Herrschaft ge-
winnen. Um nun die Bauten von Thorn im Zu-
sammenhange mit den übrigen Ordensbauten richtig
auffassen zu können, hat Steinbrecht seine Unter-
suchungen über das ganze Ordensland ausgedehnt und
in einer Einleitung von den Ergebnissen Rechenschaft
abgelegt. Darauf begründet er dann seine Schilde-
rungen der Thorner Denkmale, denen er genaue Auf-
nahmen in einer Reihe durchgeführter architektonischer
Tafeln und einer Anzahl dem Text eingedruckter Zeich-
nuugen widmet.
Die Hauptpunkte der Baugeschichte Thorns sind
folgende. Als die Ordensritter durch Herzog Konrad
von Masovien gegen die heidnischen Preußen zu Hilfe
gerufen wurden, war ihr Erstes, daß sie auf dem rechten
Ufer der Weichsel da, wo das kleine Flüßchen Bache
in dieselbe mündet, einen festen Platz anlegten, der
ihnen als Operationsbasisfür ihre weiteren Eroberungen
dienen sollte. Dies war im Jahre 1231. Rasch
wurden nun durch große Vergünstigungen deutsche
Kolonisteu herbeigezogen, die sv zahlreich kamen, daß
sckon 1233 ihnen das Stadtrecht verliehen wurde.
Während des Aufstandes der Preußen, der von 1242
elf Jahre lang wütete, wußte Thorn mehrfachen
Belageruugen standzuhalten, obwohl damals die Be-
festigungen erst provisorischen Charakter hatten. Die seit
1253 eintretende Friedenszeit wird dann sofort beuutzt,
um die Befestigungen in Steinbau auszuführen. So
schnell aber ist durch fortwährendes Zuströmen der
Einwanderer das Wachstum der Stadt, daß schon 1264
die Neustadt gegründet wurde. Währeud aber die
Altstadt die begünstigte Lage am Fluß erhalten hatte,
sah sich die Neustadt vom Strome abgedrängt, da das
Schloß mit seinen umfangreichen Anlagen sich wie ein
Keil vor die Weichsel und zugleich zwischen Alt- und