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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Rosenberg, Adolf: Die Jubiläumskunstausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0284

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Die Jubiläuinskunstausstellung in Berlin.

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sonders schwer ins Gewicht fallen, wenn die Berliner
Kiinstlerschast an der Gewohnheit festhält, ihre Aus-
stellungen im Scptember und Oktvber zu veranstaltcn.
Der übergroßen Hitze, die sich bei einem Glas- und
Eiscnbau in gleicher Konseguenz im Hvchsommer ent-
wickeln wird, läßt sich leichter dadurch begegnen, daß
man den Knnstgennß auf kleinc Dosen verteilt
nnd sich zeitweilig in den Ausstellungspark flüchtet,
für dessen gärtnerische Entwickelung alles Mvgliche ge-
than wird. Die Frage nach einem permanenten
Ausstellungspalast, der für alle Jahreszeiten praktikabel
ist, scheint uns auch jetzt noch nicht gelöst zu sein.

Die vor hundert Jahren im Maimonat statt-
gesundene Ervffnung der ersten von der kvnigl. Aka-
demie der Künste veranstaltcten Ausstellung in Berlin
hatte den Gedanken angcregt, die Jubiläumsausstellnng
zu einer internationalen zu gestalten. Es ist jedoch
nicht gelungen, diesen Gedanken so zu verwirklichen,
daß sich die Berliner Ausstellung in Bezug auf Uni-
versalität ihrer Gesamtphpsiognomie mit der MLn-
chener von 1883 messen könnte. Was die Münchener
Künstlerschaft damals zustande gebracht hat, ist der
Berliner nicht geglückt, was zum Teil vielleicht an
dcr geringeren Bcmühung liegt. Zum anderen
Tcil aber daran, daß die kvnigliche Staatsregierung
aus guten Gründcn nicht den umfangreichen und sehr
unbeguemen Apparat iu Bewegung setzen wollte, der
zum Arrangement und zur Durchsührung eincr wirklich
internationalen Kunstausstellung nötig ist. Die
Staatsregierung verhält sich im allgemeinen ab-
lehnend gegen Ausstellungen, deren Grcnzcn zu weit
gesteckt sind, und hat deshalb bis jetzt weder zu
der geplanten nationalen Gewerbeausstellung für
1888, nvch zu dcr Pariser Weltausstellung für 1889
Positivn genommen. Neben der allgemeinen nationalen
Abneigung mag letzterer Umstand die Pariser Künstler
veranlaßt haben, eine Beteiligung an der Berliner
Jubiläumsausstellung abzulehnen. Vertreten sind da-
gegen England, Bclgien, Hvlland, Dänemark, Schwcden,
Norwegen, Rußland, Spanien, Jtalien und Österreich-
Ungarn, die zuerst und zuletzt genannten Länder guan-
titativ am bedeutendsten. Dagegen sieht es hinsichtlich
Englands mit der Qualität minder gut aus. An Werkcn
ersten Ranges hat der englische Saal nur ein weibliches
Bildnis vvn Herkomer, zwei antike Genrebilder von
Alma-Tadema und zwei Porträts von Millais auf-
zuweisen. Österreich-Ungarn ist durch seine besten Namen
vertreten:Makart, v.Angeli, L'Allemand,Canon,
Defregger, V.Lichtenfels, Friedländer, Tilgner,
Schönn, Karger, Payer, Probst, Rumpler,
Darnaut u. s. w. Doch macht man auch hier die-
selbe Beobachtung wie in München, daß es an einem
großen, einheitlichcn Zuge fehlt und daß sich die besten

Kräfte in kleinlicher Brotarbeit zersplittern. Unter
den italienischen Künstlern begrüßen wir mit besonderer
Freude den originellen, geistreichen Michetti, der
eine figurenreiche Badescene am Meeresstrande aus-
gestellt hat. Geistig wie materiell liegt jedoch der
Schwerpunkt in der deutschen Abteilung. Während
die deutschen Maler und Bildhauer noch vor zehn
Jahren alle Ursache hatten, in Bezug auf die technische
Durchbildung ihrer Werke einem Vergleiche mit
Frankrcich aus dem Wege zu gehen, hat sich die Si-
tuation jetzt vollständig geändert. Nach dem Bor-
gange der Münchener Schule, welche mit einer völli-
gen Refvrm der Maltechnik begonneu hat, ist die
Umwälzung jetzt so allseitig durchgeführt, daß technische
Stümperarbeiten, die früher die Gesamtphpsiognomie
bestimmten, zu den seltenen Ausnahmen gehören. Daß
sich diese erfreuliche Thatsache zum erstenmal als
charakteristisches Moment zeigt, darin liegt die große
Bedeutung der Berliner Ausstellung. Daneben kommt
als kennzeichnend in Betracht, daß die Neigung zum
Geschichtsbilde großen Stiles, vermutlich aus Freude
über die nach langem Jnterregnum wieder gewonnene,
jeder Aufgabe gewachsene technische Kraft, einen ncuen
Aufschwung genommen hat. Derselbe zeigt sich auf-
fallenderweise am meisten auf dem Gebiete der bibli-
schen Historie, auf welchem bisher wenig bekannt ge-
ivordene Künstler nüt originellcn, von der Tradition
völlig abweichenden Schöpfungen aufgetrcten sind. Jm
allgemeinen muß man der AuSstellung das Zeugnis
geben, daß sie in betreff der Mannigfaltigkeit nichts zu
wünschen übrig lüßt, daß namentlich Porträt und
Landschaft nicht so überwiegen, daß eine Ubersättigung
zu befürchten ist. Die Plastik hat ebenso bcdcutende
Schöpfungen aufzuweisen wie die Malerei, die Archi-
tcktur und die verviclfältigende Kunst, und überdies
muß unseren Künstlern nachgerühmt werden, daß alle
Männer, die einen geachteten Namen besitzen, es sich zur
Ehre angerechnet haben, auf der Ausstcllung vertreten
zu sein. Wir ncnncn aus dcr Füllc nur Namen wie
Menzel, Knaus, O. Achenbach, R. Bcgas,
Siemering, Schaper, Gesclschap, A. v. Wcrncr,
Bokelmann, Gussvw, G. Max, Böcklin, Schra-
der, Pfannschmidt, Klaus Meycr, Baur, F. A.
und H. Kaulbach, Gabl, Harbnrger, Gentz,
Knille, P. Meyerheim, Graf Harrnch, A. v.
Heyden, denen sich jüngere Künstler wie E. Neidc,
Skarbina, H. Prell, Ph. Fleischcr, A. Keller,
Vogel u. a. mit so bedeutenden und verheißungsvollen
Schöpfungen anreihen, daß man in diesem imponiren-
den Auftreten der „Jungen" ein drittes charakteristi-
sches Merkmal der Berliner Jubiläumsausstellung zu
erblicken berechtigt ist.

Adolf Roftnberg.
 
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