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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0349

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685

Kunstlitteratur.

686

eigentümlicheu Mischungen der verschiedensten Elemente
führte.

Der große geradezu fesselnde Reiz des Baues
liegt vor allem in der malerischen Freiheit und Un-
regelmäßigkeit der Anlage, welche uns an den mei-
sten Monumenten des Mittelalters als Ausfluß eincr
sich wenig um Symmetrie und Konseguenz kümmern-
den Kunstgesinnnng entgegen tritt. Nach den Angaben
des Herausgebers beruht ein Teil dieser scheinbaren
Zwanglosigkeit auf dem Zwang, welchen dic Grund-
mauern älterer vorhandener Gebäude auf den Archi-
tekten ausübten. An der gegen die jetzige Piazza
Cavour gclegenen Hauptfassade fallen uns zwei fast
gegensätzlich entwickclte Tcile auf, die indes allem An-
scheine nach nicht etwa aus verschiedcnen Zciten her-
rührcn, obw vhl sie sehr verschicden in der Behandlung
sind. Die linke Partie, in welcher jenes feine Re-
naissanceportal den Haupteingang enthält, hat im
Hauptgeschoß (pinno nobils) nur cin einziges breites
Nundbogenfenster mit reicher niittclalterlicher Einrah-
mung, das cinem der großen Hanptzimmer angehört.
Darüber öffnet sich das zweite Stockwerk mit zwei sehr
breiten dreiteiligen Fenstern, deren gerader Sturz auf
schlanken Säulchen mit mittelalterlichem Kelchkapitäl
ruht. Hier liegt im Jnnern ein stattlicher Pavillon,
der mit diesen reich angeordneten Fenstern einen luftigen
Aussichtspunkt bictet. Den Abschluß niacht ein einfaches
Gesims, über welchem sich ein diesen Teil des Palastes
zusammenfassendes flaches Walmdach erhebt.

Ganz anders ist die Behandlung des rechts ge-
legenen größeren Teiles der Fassade, dem von den
ca. 29 rn Breite ca. 17 in zufallen. Hier sind zu-
nächst, an den linken Teil anstoßend, je zwei dreimal
über einander wiederholte kleinere, durch Säulen ge-
teilte Fenster, unter denen im Erdgeschoß ein einzelnes
angebracht ist, bemerkenswert, die zur Erleuchtung der
Haupttreppe dienen. Weiter rechts machen sich dann
die beiden Obergeschosse durch großartige dreiteilige
gotische Fenster bemerklich, zwei im Hauptgeschoß, eins
im oberen, unverkennbar auf die vornehmsten Räume
des Palastes hindentend. So ist mit einer beachtens-
werten Klarheit das Jnnere in der Gestaltung des
Änßeren zum Ausdruck gekommen.

Recht im Geiste des Mittelalters sind alle diese
Einzelteile von der größten Mannigfaltigkeit in der
Behandlung. Nicht bloß ist jedes der drei großcn
Spitzbogenfenster in selbständiger Weise nach einem be-
sonderen System der durchbrochenen, auss geistreichste
variirenden Maßwerke gegliedert, sondern sogar die
kleinenTreppenfenster nehmen an dieser Mannigsaltigkeit
teil. Denn die unteren Fenster haben geradbn Sturz und
werden durch gewundene Sänlchen geteilt, die darauf
solgenden zeigen den Spitzbogen und Säulen mit

glatten Schäften, die vberen endlich sind rundbogig,
haben aber in den Zwickeln kleine Medaillons. Eigen-
tümlich ist ferner, wie die Raffgesimse beide Teile der
Fassadc mit ihren langgestrccktcn Bändern zusamnien-
fassen, unter den Treppenfenstern aber sich wegen der
verschiedcncn Höhenlage derselben verkröpfen. Der
ganze Bau ist in trefflich behandelten Travertinguadern
mit markirtcn breiten Fugcn durchgefllhrt. Der Haupt-
teil des Palastes aber erhält durch cin gewaltiges zwei
Meter hohes Gesimse einen wahrhaft imposanten Ab-
schluß. Es besteht aus Spitzbogen mil Dreipässen,
auf dreimal über einander vortretenden Kragsteinen
ruhend, die mit dem Wechsel mächtig vorspringender
und tief eingekehlter Glieder eine unvergleichliche Wir-
kung machen. Zwei besondere Walmdächer erheben sich
über diesem Teil des Palastes. Die Höhe der Stock-
werke, 6 in im Erdgeschoß und im zweiten Stock,
7 in im xiano nobils, tragen wesentlich zu der impv-
santen Wirkung des Ganzen bei.

Der Grundplan des Palastes ist im HLchstcn
Grade unregelmäßig, denn er erstreckt sich, etwa doppelt
so tief als die Breite der Fassade, in einem schiefen
Winkel, der durch eine weitere Einknickung nach links
noch verstärkt wird. Der Architekt hat es aber mit gro-
ßem Geschick verstanden, diese Nachteile zn überwinden
und zu klarer Anordnung zu zwingen. Der Haupt-
eingang sührt zu einem großen, fast guadratischen
Vestibül mit einem Kreuzgewölbe auf zwei gegen den
Hof hin den Raum einrahmenden Säulen. Der Hof
ist an zwei Seiten in der Tiese und zur Rechten, wo
sich der Aufgang zur Treppe befindet, mit stattlichen
Säulenhallen eingesaßt, welche die llnregelmäßigkeit der
Anlage maskiren nnd niildcrn. Es find reich profi-
lirte Spitzbogen anf schlanken Säulcn mit dem mittel-
alterlichen Blattkapitäl; Uber dem Erdgeschoß zieht sich
eine prächtige Balustrade mit elegantem gotischen
Bogenfries auf Konsolen hin; darllber erhebt sich im
Hauptgeschoß eine ähnliche Bogenstellung auf Säulen,
im oberstcn Stock aber bildet eine Galerie, dercn
Architrav aus Säulen ruht in dreimal wiederholter
vierteiliger Anordnung den Abschluß. Dies alles ist
von großem malerischen Reiz und verleiht diesem Hof
einen durchaus vornehmen Charakter.

Es würde zu weit führen, hier aus alles einzelne
Merkwürdigc des interessanten Baues einzugehen. Doch
mag hervorgehoben werden, daß die bequem auf-
steigende Rampentreppe zu den großartig angeordneten
Räumen des Hauptgeschosses und des zweiten Stock-
werkes fllhrt, wo namentlich der große Hauptraum
durch eine der großartigsten Holzkonstruktionen aus-
gezeichnet ist. Acht gewaltigc Balken bilden cin ans-
steigendes Zeltdach, in der Mitte durch einen mächti-
gen Zapfen zusammengefaßt, in sämtlichen Flächen mit
 
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