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Universität Wien / Institut für Österreichische Geschichtsforschung [Editor]
Kunstgeschichtliche Anzeigen — 1913

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Nr. 1/2
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Tietze, Hans: [Rezension von: Karl Birch-Hirschfeld, Die Lehre von der Malerei im Cinquecento]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51383#0079
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Einer der Umstände, der die Entwicklung der Kunsttheorie
von der der Kunst unterscheidet, ist der überwiegende Einfluß, den
Lionardo ausübt. Der naive Realismus den schon James Wolff
(Lionardo da Vinci als Aesthetiker, Straßburg 1901), als Grund-
zug seiner Weltanschauung erkannt und den namentlich B. Croce
in glänzender Weise als die eigentliche Beschränkung im Denken
des großen Künstler - Theoretikers gekennzeichnet hat (In Con-
ferenze Fiorentine, Milano 1910, 229 ff, neuerdings von Gino Mo-
digliani, Psicologia Vinciana, Milano 1913, 120 verfochten), färbt
namentlich auf die Terminologie dieser Traktatliteratur so nach-
drücklich ab, daß Obernitz in den Irrtum verfallen konnte, Vasaris
„Allgemeine Kunstanschauungen“ in einen unmittelbaren Naturalis-
mus gipfeln zu lassen. Mit vollem Recht hat der Verf. auf die Wider-
legung dieser fundametal falschen Auffassung ein besonderes Ge-
wicht gelegt und weit ausholend gezeigt, daß mit dieser „imitatione
della natura“, die Vasari der bildenden Kunst als Aufgabe stellt,
etwas anderess gemeint ist, als direkte Naturnachahmung und daß
die späte Renaissance hier das idealistische Gehege niemals verlas-
sen hat, das das Buch der Poetik des Aristoteles — zumindest seit
der Mitte des Jahrhunderts „imperator noster, omnium bonarum
artium dictator perpetuus“, wie ihn Scaliger 1561 nennt — diesen
Ideen zuwies. Dabei beschränkt sich der Verf. durchaus auf die
Argumente, die die Malereitraktate seiner Beweisführung bieten
und verzichtet auf die Heranziehung der allgemeinen ästhetischen
Erörterungen, wie sie in den der Dichtkunst gewidmeten Schriften
reichlich vorliegen und die ihm J. E. Spingarns La Critica letteraria
nel Rinascimento (Bari 1905) ausgezeichnet verarbeitet dargeboten
hätte. Hier finden wir den völligen Parallelismus zur Malereitheorie
des Cinquecento, das Verdorren zum Formalismus, den zum künst-
lerischen Schaffensprinzip erhobenen Manierismus, all das Abge-
lebte und Greisenhafte, das die Kunstlehre unfähig macht, die In-
tentionen der neuen Generation, die an der Wende zum SeiceMo
heranwächst, auch nur teilweise in sich aufzunehmen.
In ihren letzten Ausläufern führte die Lehre von der Malerei,
die das Cinquecento ausgebildet hatte, so eine bloße Scheinexistenz;
für die Werke aber, die die Künstler unmittelbar nach den Groß-
meistern der römischen und florentinischen Hochrenaissance hinter-
lassen haben, sind ihre Darlegungen ein fortlaufender Kommentar,
der uns befähigt, den Absichten dieser noch immer meist gering ge-
schätzten Zeit gerecht zu werden.Die überlangen Gestalten, die
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