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stündlich, daß einzelne Verse nur im Zusammenhänge mit der poe-
tischen Einheit, der sie angehören, richtig verstanden werden
können. Der Sinn und Inhalt des Gesanges, in dem Cimabue und
Giotto genannt werden, ist die Warnung vor Stolz und Ueber-
hebung. Die Stolzen erwartet nicht nur eine furchtbare Buße im
Jenseits, ihr Hochmut ist auch auf Erden töricht, weil der irdische
Ruhm keinen Bestand hat und bald durch neue Verdienste und
Ruhmestaten überholt wird. Als Beispiele dafür werden Künstler,
Maler und Dichter genannt. Ohne Zweifel hat Dante auf sie hinge-
wiesen, nicht nur weil ihm diese Gebiete der öffentlichen Betätigung
näher standen als andere, sondern auch deshalb, weil der erstaun-
liche Sieg einer neuen Kunst geeignet war, das Vergängliche der
Unsterblichkeit, die der irdische Ruhm verleiht und die auch ihm
einst als das höchste Ziel erschienen haben mochte, besonders nach-
drücklich zu beweisen. Rintelens neue Deutung besteht in der Be-
hauptung, daß Dante nicht nur die Vergänglichkeit des Ruhmes
schildern, sondern zugleich seiner besonderen Bewunderung Ci-
mabues Ausdruck geben wollte. In einem Vortrage in der Berliner
kunsthistorischen Gesellschaft, wo Rintelen zum erstenmale diese
Fragen behandelte, sagte er zur Begründung dieser These: „Cima-
bue wird in Parallele mit Guido Cavalcanti gesetzt und wie hoch
diesen Dante geschätzt und wie viel er ihm verdankt hat, wissen wir
zur Genüge,“ Nachdem ich in meinem Referate dagegen einge-
wendet habe, daß Dante Cimabue nicht mit Guido Caval-
canti, sondern mit Guido Guinicelli verglichen hat, erweiterte
oder erläuterte Rintelen in seiner Erwiderung diese Begrün-
dung dahin, daß sich wie bei den Malern Cimabue und Giotto, bei
den Dichtern die beiden „eng aneinander gedrängten“ Guidos einer-
seits, anderseits aber Dante selbst gegenüberstehen, auf den die
Verse: „e forse e nato chi l’uno e l'altro caccerä di nido“ bezogen
werden.
Dies halte ich aber für eine ganz und gar gewaltsame und un-
annehmbare Interpretation, Denn die beiden Namensbrüder wer-
den von Dante durchaus nicht „eng aneinandergedrängt“, sondern
im Gegenteil ausdrücklich in einen Gegensatz gestellt: „cosi ha
tolto l’uno all’altro Guido la gloria della lingua“, ebenso hat der
eine Guido dem anderen den Dichterruhm genommen. Man müßte
also annehmen, daß Dante Cimabue mit einem Repräsentanten
einer älteren und einer neueren Dichtung zugleich verglichen habe
oder dem Leser die Wahl überließ, für wen von beiden er sich
stündlich, daß einzelne Verse nur im Zusammenhänge mit der poe-
tischen Einheit, der sie angehören, richtig verstanden werden
können. Der Sinn und Inhalt des Gesanges, in dem Cimabue und
Giotto genannt werden, ist die Warnung vor Stolz und Ueber-
hebung. Die Stolzen erwartet nicht nur eine furchtbare Buße im
Jenseits, ihr Hochmut ist auch auf Erden töricht, weil der irdische
Ruhm keinen Bestand hat und bald durch neue Verdienste und
Ruhmestaten überholt wird. Als Beispiele dafür werden Künstler,
Maler und Dichter genannt. Ohne Zweifel hat Dante auf sie hinge-
wiesen, nicht nur weil ihm diese Gebiete der öffentlichen Betätigung
näher standen als andere, sondern auch deshalb, weil der erstaun-
liche Sieg einer neuen Kunst geeignet war, das Vergängliche der
Unsterblichkeit, die der irdische Ruhm verleiht und die auch ihm
einst als das höchste Ziel erschienen haben mochte, besonders nach-
drücklich zu beweisen. Rintelens neue Deutung besteht in der Be-
hauptung, daß Dante nicht nur die Vergänglichkeit des Ruhmes
schildern, sondern zugleich seiner besonderen Bewunderung Ci-
mabues Ausdruck geben wollte. In einem Vortrage in der Berliner
kunsthistorischen Gesellschaft, wo Rintelen zum erstenmale diese
Fragen behandelte, sagte er zur Begründung dieser These: „Cima-
bue wird in Parallele mit Guido Cavalcanti gesetzt und wie hoch
diesen Dante geschätzt und wie viel er ihm verdankt hat, wissen wir
zur Genüge,“ Nachdem ich in meinem Referate dagegen einge-
wendet habe, daß Dante Cimabue nicht mit Guido Caval-
canti, sondern mit Guido Guinicelli verglichen hat, erweiterte
oder erläuterte Rintelen in seiner Erwiderung diese Begrün-
dung dahin, daß sich wie bei den Malern Cimabue und Giotto, bei
den Dichtern die beiden „eng aneinander gedrängten“ Guidos einer-
seits, anderseits aber Dante selbst gegenüberstehen, auf den die
Verse: „e forse e nato chi l’uno e l'altro caccerä di nido“ bezogen
werden.
Dies halte ich aber für eine ganz und gar gewaltsame und un-
annehmbare Interpretation, Denn die beiden Namensbrüder wer-
den von Dante durchaus nicht „eng aneinandergedrängt“, sondern
im Gegenteil ausdrücklich in einen Gegensatz gestellt: „cosi ha
tolto l’uno all’altro Guido la gloria della lingua“, ebenso hat der
eine Guido dem anderen den Dichterruhm genommen. Man müßte
also annehmen, daß Dante Cimabue mit einem Repräsentanten
einer älteren und einer neueren Dichtung zugleich verglichen habe
oder dem Leser die Wahl überließ, für wen von beiden er sich