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Universität Wien / Institut für Österreichische Geschichtsforschung [Hrsg.]
Kunstgeschichtliche Anzeigen — 1913

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Nr. 3/4
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Dvořák, Max: [Rezension von: Marie Luise Gothein, Geschichte der Gartenkunst]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51383#0141
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lernt sind, in die ihnen eigentümliche künstlerische Auffassung tiefer
einzudringen, so daß eine die allgemeine Stilentwicklung berück-
sichtigende Geschichte der Gartenkunst mit großen Schwierig-
keiten kämpfen und auf einem sehr schwankenden Grunde auf-
gebaut werden müßte, wogegen eine mehr deskriptive und auf die
formalen Wandlungen der Gartenkunst beschränkte Schilderung
gesicherte und bleibende Ergebnisse zu ermöglichen scheint.
Dagegen ist aber einzuwenden, daß, abgesehen davon, daß da-
bei, wie schon angedeutet wurde, viel verloren geht, was man dem
Buche verdanken könnte, diese Sicherheit vielfach nur eine schein-
bare ist und in der Tat auf Annahmen beruht, die immer wieder
durch das fortschreitende Eindringen in die allgemeine Stilentwick-
lung korrigiert werden. Denn so sehr sich auch die Verfasserin be-
mühte, einfach die Tatsachen aneinanderzureihen, so konnte sie
sich natürlich doch nicht ihrer Aufgabe ohne kunstgeschichtliche
Einwertungen und Erklärungsversuche entledigen und wäre darin
ohne Zweifel zu anderen Ergebnissen gelangt, wenn sie die all-
gemeinen Kunstzustände mehr berücksichtigt hätte.
So hätte sie meines Erachtens die Eigenart und große Bedeu-
tung der Gartenkunst der römischen Kaiserzeit anders beurteilt,
wenn sie zur Erläuterung ihres künstlerischen Charakters die
gleichzeitige Monumentalarchitektur herangezogen hätte. Oder
ein anderes Beispiel. Die größte und anscheinend fast plötzlich
eintretende Wandlung in der Geschichte der Gartenkunst der
Neuzeit bedeutet die Entstehung und der Siegeslauf des eng-
lischen Landschaftsgartens, dessen Ursprung Frau Gothein, nach-
dem sie mit Recht die ältere Ableitung von ostasiatischen Gärten
abgelehnt hat, aus der gleichzeitigen poetischen und philosophischen
Literatur erklären will. Sicher waren damals die Beziehungen zwi-
schen Literatur und Gartenkunst besonders stark, doch nicht minder
stark waren sie, wie der Verfasserin nicht entgangen ist, zwischen
der Gartenkunst und Malerei, wobei die letztere sicher nicht aus
der gleichzeitigen Poesie erklärt werden kann. Wäre Frau Gothein
dieser Spur nachgegangen, so hätte sie sich leicht überzeugen
können, daß die Uebereinstimmung zwischen der romantischen Li-
teratur und Gartenkunst nicht notwendig als Ursache und Wirkung
aufgefaßt werden muß. Die Revolution in der Gartenkunst hätte
sich kaum so elementar vollzogen und verbreitet, wenn sie nicht
schon lange früher durch eine neue Bedeutung des Naturaus-
schnittes für die Kunst vorbereitet gewesen wäre. Bereits um die
 
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